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OECD sieht Reformbedarf

Sabine Kinkartz13. Mai 2014

In Berlin hat OECD-Generalsekretär Gurría im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Gabriel den neuen Wirtschaftsbericht für Deutschland vorgestellt. Darin wird mehr soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit gefordert.

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Ein Bettler sitzt auf dem Boden und hält einen Karton mit Aufschrift "Hilfe, bitte!" in den Händen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutschland steht wirtschaftlich durchaus gut da und damit ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) grundsätzlich auch sehr zufrieden. Während andere EU-Staaten gegen Arbeitslosenquoten im zweistelligen Bereich kämpften, verzeichne Deutschland sowohl historisch als auch im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten, lobte OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Vorstellung des alle zwei Jahre erscheinenden Wirtschaftsausblicks für Deutschland in Berlin. "Die Entwicklung ist sehr beeindruckend und die ambitionierten Reformen am Arbeitsmarkt haben sicherlich dabei geholfen."

Durch den robusten Arbeitsmarkt und die starke und innovative Industrie habe Deutschland die Wirtschaftskrise bereits 2011 überwinden können. Für das laufende Jahr geht die OECD von 1,9 Prozent Wirtschaftswachstum aus, 2014 sollen es 2,3 Prozent sein.

Auf Lob folgt Kritik

Diese durchaus positiven Aussichten verbindet der Wirtschaftsausblick allerdings mit einem großen Aber: Der anhaltende Aufschwung in Deutschland gehe an den sozial Schwächsten vorbei. "Das relative Armutsrisiko und die Einkommensungleichheit sind in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben", kritisierte Gurría und forderte die Bundesregierung zu Reformen auf. "Das Land muss jetzt handeln."

Kritisiert wird vor allem der stark gewachsene Niedriglohnsektor und der hohe Anteil befristet Beschäftigter. Besonders groß sei nach wie vor das Armutsrisiko für geringfügig Beschäftigte wie Minijobber und Alleinerziehende. Aber auch Langzeitarbeitslose, ältere Beschäftigte und Zuwanderer seien von Armut bedroht. Geringverdiener hätten zudem immer weniger Aufstiegschancen. Ihnen drohe oft Altersarmut, da die Rentenansprüche in Deutschland enger als in vielen anderen OECD-Staaten an die Einkommen gekoppelt seien.

Angel Gurria (Foto: GettyImages)
OECD-Generalsekretär Angel GurríaBild: AFP/Getty Images

OECD fordert Mut zu Reformen

Die Liste der Empfehlungen, die die OECD in ihrem Bericht bereit hält, ist lang. So wäre es nötig, das Steuersystem sozial gerechter und umweltfreundlicher zu gestalten, den Finanzsektor so zu stärken, dass er künftige Risiken besser abfangen kann, den Beitrag des Dienstleistungssektors zur Wertschöpfung zu erhöhen sowie die Chancengleichheit in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Der Reformprozess in Deutschland müsse auch in guten Zeiten weitergehen, auch wenn die Erfahrung zeige, dass Reformen in Krisenzeiten leichter anzustoßen seien, weil die Regierungen gar keine andere Chance hätten als zu handeln.

Bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel findet der Wirtschaftsausblick ein durchaus positives Echo. "Es gibt eine gute Prognose für unser Land aber auch den Hinweis: Ruht Euch nicht aus", fasst er zusammen. "Was euch bevorsteht, kann gut oder sogar besser werden, aber dafür gibt es ein paar Bedingungen, die nicht vorm Himmel fallen und nicht von alleine entstehen."

Leistung soll sich für alle lohnen

Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe fallen beim SPD-Chef auf fruchtbaren Boden. "Ich freue mich, dass uns die OECD bei der Durchsetzung eines flächendeckenden Mindestlohns unterstützt. Die Debatte, dass er eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung sei, findet in dem OECD-Bericht eine ganze Reihe von Gegenargumenten."

Die Idee, dass von der wirtschaftlichen Prosperität in einem Land möglichst alle partizipieren sollen, sei eine Idee, die Deutschland seit den 50er Jahren trage und die den eigentlichen Erfolgscharakter des Landes ausmache. "Dahinter steht natürlich auch schlicht die Lebenserfahrung, dass sich Leistung lohnen soll. Es war für ein paar Jahre ja nicht besonders modern, mit solch einer Vorstellung an die ökonomische Entwicklung heranzugehen."

Sigmar Gabriel und José Angel Gurria stellen OECD-Bericht vor (Foto: dpa)
Sigmar Gabriel und Angel Gurría stellen OECD-Bericht vorBild: picture-alliance/dpa

Im Bundeswirtschaftsministerium würden "auch die kritischen Passagen dieses Berichts als sehr hilfreich" empfunden. "Es gibt hier überhaupt nichts zurückzuweisen", so Sigmar Gabriel. Ausdrücklich gelte das auch für die Hinweise der OECD, bei der Ausrichtung des Steuer- und Abgabensystems aufzupassen, um das Plus bei Löhnen und Gehältern nicht in Teilen wieder zu reduzieren. "Das ist ja die Debatte, die wir in Deutschland über die kalte Progression oder auch die Arten der Besteuerung haben."