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Nutzfahrzeugbranche vor schwierigen Zeiten

Henrik Böhme, Hannover18. September 2012

Dunkle Wolken über der weltgrößten Nutzfahrzeug-Messe in Hannover: Die Krise macht den Herstellern zu schaffen. Aber mit neuen Produkten und weltweiter Präsenz wollen sie sich gegen den Absturz wehren.

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Ein Mitarbeiter bereitet am Montag (17.09.2012) auf dem Messestand von MAN den Truck "Concept S" für die Internationale Automobil-Ausstellung Nutzfahrzeuge (IAA) in Hannover vor. Auf der 64. Ausstellung für Nutzfahrzeuge zeigen vom 20. bis zum 27. September 2012 1904 Aussteller ihre Neuheiten. Foto: Peter Steffen dpa/lni +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa

Total Cost of Ownership, kurz TCO: Das ist das Lieblingswort der Automanager auf der Internationalen Nutzfahrzeugmesse IAA in Hannover. Die Gesamtbetriebskosten pro Lastkraftwagen - das ist das Verkaufsargument Nummer Eins. Denn darauf kommt es am Ende für den Spediteur an, der die Brummis ja flottenweise betreibt. Wenn die Dieselpreise immer neue Höhen erklimmen, dann schmälert das die Einnahmen der Spedition - und so wollen die natürlich immer sparsamere Fahrzeuge haben. Für die Hersteller - ob Daimler, MAN, Volkswagen, Volvo oder DAF - eine große Herausforderung, denn zugleich sollen die Brummis ja auch immer sauberer werden: Neue Abgasnormen werden allerorts erlassen.

Beschreibung: Logo des LKW-Herstellers MAN Quelle: MAN Truck & Bus AG
MAN ist die Nummer zwei in Europa hinter Daimler. Die Nutzfahrzeugsparte gehört zu 75 Prozent zu VW.Bild: MAN AG

Effizienz entscheidet

Georg Pachta-Reyhofen, der Vorstandschef von MAN: "Ich denke, die Effizienz - also niedrigster Kraftstoffverbrauch und damit die niedrigsten Gesamtkosten eines Fahrzeugs - wird den Wettbewerb dramatisch bestimmen", so Pachta-Reyhofen zur DW. Das werde auch in den Schwellenländern so kommen, wo die Kosten des Fahrers in Relation zu den Kosten des Kraftstoffs meist vernachlässigbar seien. Und deswegen werde dies das entscheidende Kriterium werden, neben den anderen Kriterien wie exzellentem Service und guter Ersatzteilversorgung. "Da ist sicher in den Schwellenländern und aufkommenden Industrienationen noch einiges zu tun."

Daimler AG Chief Executive Dieter Zetsche, center, holds a symbolic key during the opening ceremony of the Daimler's new factory in Oragadam at Kancheepuram district, 60 kilometers (38 miles) from Chennai, India, Wednesday, April 18, 2012. The German auto maker will start building trucks at the new factory beginning in the third quarter. The factory will initially have a capacity to make 36,000 trucks a year and raise it to 72,000 units, the company said. (Foto:Arun Shankar/AP/dapd)
Zukunftsmarkt Indien: Eröffnung des Daimler-LKW- Werks in Oragadam im April 2012Bild: AP

Immer wieder BRIC

Die Schwellenländer: Das ist ein anderes großes Stichwort, das hier in Hannover immer wieder zu hören ist. Der Nutzfahrzeugmarkt steht einmal mehr vor schwierigen Zeiten, die Konjunktur läuft nicht überall gut - und da hofft man wie so oft auf die Schwellenländer. Die Großen wie Daimler und MAN sind dort schon länger gut im Geschäft. MAN, in Brasilien zum Beispiel Marktführer, erlebt dort aber gerade ein Desaster: Wegen neuer Abgasnormen ist der Absatz deutlich zurückgegangen.

Andreas Renschler, der Nutzfahrzeugchef von Daimler ist dennoch verhalten optimistisch, wenn man ihn nach der weiteren Entwicklung der Branche fragt. Und das liege, so der Manager, eben auch an den Schwellenländern: Wachstum per se werde in den nächsten Jahrzehnten vor allem in den BRIC-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien und China stattfinden, so Renschler gegenüber der DW. "Deshalb war eines der strategischen Ziele, uns dort so aufzustellen wie wir heute aufgestellt sind." Man habe jetzt mit BharatBenz eine neue LKW-Marke speziell für den indischen Markt entwickelt. "Wir haben das Joint-Venture mit Foton in China und wir haben natürlich unsere strategische Partnerschaft mit Kamaz in Russland." In Brasilien sei man schon seit 60 Jahren. "Und so können wir vom Wachstum in diesen Regionen langfristig partizipieren."

Vom Bodensee in die Welt

Das sieht man beim Zulieferer ZF aus Friedrichshafen am Bodensee ganz ähnlich. Das Unternehmen ist vor allem für seine Getriebe bekannt. Die 17 Milliarden Euro Umsatz, mit denen man für dieses Jahr rechnet, werden überall auf der Welt erwirtschaftet. In den USA, China, Thailand und Russland werden gerade Werke neu gebaut oder erweitert, aber auch in Deutschland. Auf diese Kombination komme es an, sagt Vorstandschef Stefan Sommer: "Dass wir am schönen Bodensee die richtige Kompetenz für die Technologie haben. Eine Kompetenz, die aber auch erkennt, welches Maß an Technologie für die Märkte in Südamerika, Nordamerika, Asien-Pazifik wirklich wichtig ist." Und daraus müsse man die richtige Aufstellung für diese Märkte ableiten. "Darauf kommt es an, um erfolgreich zu sein in der Welt", so Sommer im DW-Gespräch.

Der Sprecher des Markenvorstandes Volkswagen Nutzfahrzeuge, Eckhard Scholz, fährt am Montag (17.09.2012) während der Welcome Night von Volkswagen Nutzfahrzeuge mit einem neuen Amarok Canyon auf die Bühne in Hannover. Zum Auftakt der 64. IAA Nutzfahrzeuge hatte Volkswagen Nutzfahrzeuge zahlreiche Gäste geladen. Foto: Peter Steffen dpa/lni
Auch das ist ein Nutzfahrzeug: Volkswagen zeigt den Pickup Amarok CanyonBild: picture-alliance/dpa

VW wappnet sich

Erfolgreich ist auch die Nutzfahrzeugsparte von Volkswagen. Bis August wurden rund sechs Prozent mehr Transporter ausgeliefert als in den ersten acht Monaten 2011. VW ist bei leichten Nutzfahrzeugen Marktführer in Europa. Ein Ruhekissen sei der momentane Erfolg jedoch nicht, betont Eckhardt Scholz, der neue Markenvorstand der VW-Nutzfahrzeugsparte. Auch er sieht schwierigere Zeiten auf sein Unternehmen zukommen. Man sei aber gut vorbereitet mit einer attraktiven Modellpalette haben. "Und wir machen das ganze Unternehmen fit für das, was kommen kann", so Sommer gegenüber der DW. "Wenn man das nicht tut, sind solche Zeiten kritisch." Man sei hellwach, aber "wir fürchten uns nicht vor der Zukunft."

Die Zukunft, sie wird nicht ohne Nutzfahrzeuge auskommen. Denn irgendwer muss die Internet-Bestellung ja nach Hause bringen. Das lässt die Hersteller hier in Hannover einigermaßen entspannt nach vorn blicken. Jetzt aber wollen sie erst mal sehen, wie ihre neuen Produkte beim Kunden ankommen: Eine Woche Zeit haben sie dafür. Die Messe in Hannover läuft bis zum 27. September.