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Passionsspiele: Erstmals Muslim als Apostel

20. Oktober 2018

Cengiz Görür wird bei den Passionsspielen von Oberammergau 2020 die Rolle des Judas übernehmen. Damit wird der 19-Jährige der erste Oberammergauer Muslim sein, der eine Hauptrolle übernimmt.

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Oberammergau
Bild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Spielleiter Christian Stückl (56), der die weltberühmten Oberammergauer Passionsspiele 2020 zum vierten Mal inszeniert, hat am Samstag (20.10.2018) die Besetzung der 21 Hauptrollen bekanntgegeben. Nach einem feierlichen Gottesdienst wurden die Namen der auserwählten Männer und Frauen vor dem Passionstheater an eine schwarze Schiefertafel geschrieben. Mit 1.850 Oberammergauern hätten sich so viele wie nie zuvor beworben, so Stückl. Der Frauenanteil sei mit 53 Prozent der höchste, den es je gegeben habe. 

Frederik Mayet und Rochus Rückel als Jesus Christus

Jede der Hauptrollen wird doppelt besetzt. Stückl wählte teils erfahrene Laiendarsteller, teils Nachwuchsspieler. Frederik Mayet und Rochus Rückel werden die Christusdarsteller. Mayet (38), der Pressesprecher des Münchner Volkstheaters, wird den Christus bereits zum zweiten Mal spielen. Für den 22 Jahre alten Rochus Rückel ist es die Premiere. Rückel stand im Sommer 2018 als Wilhelm Tell in Schillers gleichnamigem Drama auf der Bühne des Passionstheaters.

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Das Passionsspielhaus in OberammergauBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Ebenfalls zum ersten Mal wird ein Oberammergauer muslimischen Glaubens eine Hauptrolle übernehmen: Im Wechsel mit Martin Schuster wird der 19 Jahre alte Cengiz Görür den Judas spielen, einen der Jünger Jesu. "Er ist für den Christus noch zu jung, aber er wird einer der drei großen Apostel werden: Johannes, Petrus oder Judas", hatte Stückl zuvor im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" angekündigt.

"Die Entscheidung wird zu Diskussionen führen"

Die Entscheidung, einem Muslim eine der Hauptrollen zu geben, werde zu Diskussionen führen, ist er sich sicher. Dennoch hält er sie für richtig, gerade auch im Hinblick auf die christliche Botschaft. "Im Zentrum steht Menschenliebe - Nächstenliebe wie Feindesliebe. Wie gehen wir miteinander um, mit Fremden, mit Flüchtlingen? Wie sehr lassen wir uns von Populisten aufhetzen? Bei diesen Fragen ist es doch ein riesiger Gewinn, wenn die Sicht von jungen Muslimen in das Stück einfließt."

Auch Stückls zweiter Spielleiter Abdullah Karaca, ebenfalls Muslim, bekommt mit Nikodemus (im Wechsel mit Jonas Konsec) eine wichtige Rolle. Für die Rolle der Maria wählte Stückl zwei altbewährte Darstellerinnen: Andrea Hecht ist schon zum dritten Mal die Gottesmutter, Eva Reiser hatte vor zehn Jahren die Maria Magdalena gespielt.

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Die Gemeinde Oberammergau in Oberbayern wurde durch die Passionsspiele weltberühmt.Bild: picture-alliance/dpa/K. Wothe

Im Rahmen des Gottesdienstes versprachen die Bewohnerinnen und Bewohner der oberbayrischen Gemeinde feierlich, 2020 das Schauspiel vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Jesu Christi aufzuführen. Damit erneuerten sie das Gelübde ihrer Vorfahren von 1633. Diese hatten gelobt, alle zehn Jahre die Passion aufzuführen, damit Gott der Pest ein Ende bereite. Der Überlieferung zufolge starb danach niemand mehr an der Krankheit.

Die 42. Oberammergauer Passionsspiele finden vom 16. Mai bis 4. Oktober 2020 statt. Der halbe Ort mit seinen rund 5200 Einwohnern wird dafür auf der Bühne stehen. Mitspielen darf nur, wer im Dorf geboren und aufgewachsen ist oder wer seit mindestens 20 Jahren dort wohnt. Spielleiter Christian Stückl wurde 1961 in Oberammergau geboren. Heute ist er Intendant des Münchner Volkstheaters.

rey/nf/ml (dpa, kna, epd)