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Architektur

Leeres Weihnachtskonzert in Notre-Dame

Sabine Oelze mit dpa
24. Dezember 2020

Erstmals nach dem Brand 2019 singt wieder ein Chor in der Pariser Kathedrale Notre Dame. Ein symbolträchtiges Konzert an Heiligabend - auf einer Baustelle.

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Blick von oben auf das Gerüst, das nach dem Brand im April 2019 stark verformt wurde.
Das Gerüst konnte endlich entfernt werdenBild: picture-alliance/AP/gigarama.ru

"Notre-Dame ist ein bisschen wie unser Zuhause", sagte Henry Chalet, der Dirigent des Chors von Notre-Dame in einem Interview mit dem Pariser Fernsehsender BFM. Er sei "aufgeregt", die Kathedrale nach anderthalb Jahren endlich wieder betreten zu dürfen. Schließlich sei der Chor in dem Pariser Wahrzeichen schon seit 850 Jahren zu Gast.

20 Sängerinnen und Sänger des Erwachsenenchors werden Heiligabend gemeinsam mit zwei Solisten und einem Organisten auftreten. Von dem Konzert, das aufgrund strikter Corona-Schutzmaßnahmen ohne Publikum stattfinden wird, soll es eine Live-Übertragung im Fernsehen geben.

Vom Zirkuszelt zurück in die Kathedrale

Zum dritten Mal seit dem Großbrand im April 2019 findet damit wieder eine Veranstaltung in der berühmten Kathedrale statt. Zuvor zelebrierte im Juni 2019 der Pariser Erzbischof Michel Aupetit eine Messe in der Kapelle der Jungfrau Maria vor etwa dreißig Personen, die Hälfte davon waren Priester. Zudem hatte sich der Erzbischof ohne Gläubige am Karfreitag dieses Jahres in die leere Kathedrale zu einer "Zeit der Meditation" begeben. Mehrere Bach-Sonaten waren vom Geiger Renaud Capuçon gespielt worden, und Schauspieler hatten Texte von Paul Claudel, Francis Jammes und Mutter Teresa gelesen. Im vergangenen Jahr wurde die traditionelle Mitternachtsmesse zu Weihnachten in ein Zirkuszelt im Park Bois de Boulogne im Westen der französischen Hauptstadt verlegt.

Da die Hauptorgel von Notre-Dame derzeit restauriert wird, wurde für das Weihnachtskonzert 2020 eine kleine Orgel angemietet. Der verheerende Brand zerstörte vor eineinhalb Jahren nicht nur einen Großteil des Dachs und des Vierungsturms, den der Architekt Viollet-le-Duc im 19. Jahrhundert entworfen hatte, sondern auch die einzigartige Akustik der Kathedrale. Forscher des renommierten Centre National de Recherches Scientifiques (CNRS) und der Sorbonne in Paris sind derzeit dabei, diesen einzigartigen Klang, der zum akustischen Kulturerbe Frankreichs gehört, zu rekonstruieren.

Wiedereröffnung für 2024 geplant

Der Zeitpunkt für das Weihnachtskonzert ist günstig. In der letzten Novemberwoche erst wurde ein gigantisches Gerüst entfernt, das bereits vor dem Brand errichtet worden war, um den Vierungsturm von Notre Dame zu reparieren. Um es abbauen zu können, musste zunächst das gesamte Strebewerk durch Holzbalken verstärkt werden. Die Metallstäbe des 200 Tonnen schweren Gerüsts in 40 Meter Höhe wurden durch die Hitze der Flammen ineinander verklebt. Viele Monate lang war das Wetter zu schlecht, um mit dem Abbau zu beginnen, anschließend verzögerte die Corona-Pandemie wochenlang die Arbeiten.

Dachstuhl und Turm der Kathedrale Notre Dame stehen in Flammen, es steigt gewaltiger Rauch auf.
Am 15. April 2019 hielt die Welt den Atem an: Das Pariser Wahrzeichen Notre Dame stand in FlammenBild: picture-alliance/AP/T. Mallet

Nun ist aber gewiss: Notre-Dame ist zu retten. So hätte das Gemäuer unter der Last des Gerüsts oder bei dessen Demontage einstürzen können. "Die Bedrohung, die das Gerüst für die Kathedrale darstellte, besteht nun nicht mehr", erklärte Frankreichs Kulturministerin Roselyne Bachelot. Der Dachstuhl und der spitz zulaufende Vierungsturm sollen nach historischem Vorbild wieder neu entstehen, wobei die Arbeiten bis zu den Olympischen Sommerspielen in Paris 2024 abgeschlossen sein sollen, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versprochen hat. Der Zeitplan gilt als äußerst ehrgeizig.

Anfang 2021 werden im Inneren zunächst weitere Gerüste installiert, um Arbeiten im Schiff der Kathedrale vornehmen zu können. In der Zwischenzeit kann nun der Chor von Notre-Dame hier ein Weihnachtskonzert per Live-Übertragung geben. 

Silvesterkonzert von Jean-Michael Jarre

Am 31. Dezember soll noch ein weiteres Konzert in dem Pariser Wahrzeichen stattfinden. Jean-Michel Jarre, bekannt für seine Elektronikmusik, spielt dann ein virtuelles Konzert. Entstanden sei "Welcome to the Other Side" im Auftrag der Stadt, war in französischen Medien zu lesen. Es soll die wegen Corona abgesagte traditionelle Silvesterparty auf der Prachtstraße Champs Elysées ersetzen. Gespielt werden Teile seines Werkes "Electronica" (2015) sowie frühe Erfolgstitel Jarres wie "Oxygene" (1976) oder "Magnetic Fields" (1981). Besucher können in der Silvesternacht mit einem Avatar des Musikers durch das Innere von Notre-Dame schreiten.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion