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PolitikAsien

Nordkorea lehnt Auslandshilfe ab

Martin Fritz Tokio
17. August 2020

Sintflutartige Regenfälle und das Coronavirus setzen die Wirtschaft von Nordkorea unter zusätzlichen Stress. Die zweifache Krise gefährdet die positive Selbstdarstellung des Regimes bei einem bevorstehenden Jubiläum.

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Nordkorea I Staatschef Kim Jong Un nimmt an Sitzung des Zentralkomitees der Arbeiterpartei teil
Bild: Reuters/KCNA

Wenn ein absoluter Herrscher Klartext spricht, dann lassen sich Probleme wohl nicht mehr unter den Teppich kehren. Nordkorea stehe vor zwei Herausforderungen, erklärte Führer Kim Jong-un bei einem Treffen des Politbüros der Arbeiterpartei am Donnerstag (13.08.2020): "Anti-epidemische Arbeit" gegen COVID-19 sowie "unerwartete plötzliche Naturkatastrophen". Der Staatschef rief den Apparat dazu auf, "diese beiden Krisen gleichzeitig zu überwinden".

Was Kim nicht aussprach, sind die hohen Schäden der doppelten Krise, die die angeschlagene Wirtschaft über die Auswirkungen der UN-Sanktionen hinaus belasten. Die Grenze zu China hält Nordkorea bereits seit Ende Januar geschlossen. Sicherheitskräfte unterdrücken auch den Schmuggel über den Grenzfluss Yalu, damit COVID-19 nicht ins Land eindringen kann. Offiziell gibt es bisher keine einzige Infektion. Aber das staatliche Gesundheitssystem könnte einer Ausbreitung nicht standhalten. Es fehlen Betten, Geräte und Medikamente.

Nordkorea I Staatschef Kim Jong Un nimmt an Sitzung des Zentralkomitees der Arbeiterpartei teil
Sitzung der Arbeiterpartei am Donnerstag (13.08.2020)Bild: Reuters/KCNA

Abgeschnürter Außenhandel

Unter der Abschottung leidet die Versorgung der Bevölkerung, da viele Waren auf nordkoreanischen Privatmärkten aus China stammen und viele Frauen mit diesem Handel Geld dazu verdienen. Die Importe aus China im ersten Halbjahr gingen laut einer Schätzung des Korea-Instituts für Wiedervereinigung in Seoul um zwei Drittel auf 380 Millionen Dollar zurück. Zugleich schrumpften die Ausfuhren nach China, die 90 Prozent des Außenhandels ausmachen, um 75 Prozent auf nur noch 27 Millionen Dollar.

Zugleich schwächen die Überflutungen von Provinzen im Süden und Westen, in denen vor allem Reis wächst, das staatliche Verteilsystem für Lebensmittelrationen. Die heftigsten Monsun-Regenfälle seit Jahrzehnten, die mit 50 Tagen Dauer zudem extrem lange anhielten, überfluteten fast 40.000 Hektar bestellte Felder. "Wenn der Reis unter Wasser steht, werden die Erträge sinken", warnte die Parteizeitung Rodong. Das Wasser müsse abfließen, um die Ernteziele für das Jahr zu erreichen. Aufgrund von Entwaldung und schlechter Bewässerung wirken starke Regenfälle in Nordkorea besonders zerstörerisch.

Die Wassermassen überfluteten oder zerstörten auch knapp 17.000 Wohnungen und Häuser sowie 630 öffentliche Gebäude. Viele Straßen, Brücken und Eisenbahngleise seien beschädigt, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Seit zwei Wochen sind Soldaten im Einsatz, um Wege und Dämme zu reparieren. Auf diese Weise will die Führung in Pjöngjang auch einen bevorstehenden Jubeltag für ihre Leistungen im Oktober retten. "Wir können die Menschen in den überfluteten Regionen das 75. Jubiläum unserer Partei nicht als Obdachlose feiern lassen", trieb der Staatschef die Soldaten an.

Jahrestag des Nordkorea-Krieges
Im Oktober steht eine große Feier der Arbeiterpartei anBild: picture-alliance/YONHAPNEWS AGENCY

Keine Akzeptanz für Auslandshilfe

Trotz der großen Schäden lehnte Kim jede Hilfe aus dem Ausland ab. "Die weltweit zunehmende Verbreitung des bösartigen Virus erfordert von uns, dass wir keine Hilfe akzeptieren und unsere Grenzen fester schließen und strikte Anti-Epidemie-Maßnahmen ergreifen", sagte Kim. Dennoch hob das Politbüro die Abriegelung der Grenzstadt Kaesong mit 300.000 Einwohnern nach drei Wochen auf. Dort hatte ein möglicherweise infizierter Überläufer aus Südkorea einen Virus-Alarm ausgelöst.

Das Internationale Rote Kreuz hat Nordkorea bereits Hilfsgüter für 3.000 besondere betroffene Haushalte in zwei Provinzen an der Grenze zum Süden angeboten. Laut der Hilfsorganisation sind 22 Menschen ums Leben gekommen, vier werden noch vermisst. Die Vereinten Nationen haben eine Angebotsliste von möglichen Lieferungen an Pjöngjang übermittelt. Die Europäische Union sagte, sie werde helfen, falls Nordkorea dies wünsche.

Ausländische Beobachter erklären die Ablehnung von Hilfe damit, dass die Staatsführung gegenüber ihrer Bevölkerung sowie dem Ausland keine Schwäche zeigen wolle. Bei vergangenen Naturkatastrophen leistete Südkorea große humanitäre Hilfe. Aber Nordkorea hatte zuletzt Südkorea und Präsident Moon Jae-in mehrmals rhetorisch scharf angegriffen, weil das Nachbarland die UN-Sanktionen gegen Nordkorea einhält. Aus Sicht der nordkoreanischen Führung wäre eine Annäherung an den Süden aus einer Position der Hilfsbedürftigkeit das falsche Signal.

Nordkorea Überschwemmung im Nordwesten
(Archiv) Hochwasser kommt in Nordkorea oft im Sommer vor, hier ein Foto aus 2010Bild: Imago/Xinhua

Personalwechsel als Machtgeste

Stattdessen will Kim offenbar zeigen, dass er die Geschicke seines Landes selbst lenken kann. Jedenfalls könnte man seinen Schritt, den auch für die Wirtschaft zuständigen Ministerpräsidenten auszuwechseln, auf diese Weise interpretieren. Nach nur 15 Monaten im Amt musste Kim Jae-ryong gehen, an seine Stelle trat der Wirtschaftsexperte und bisherige Chef des Haushaltskomitees, Kim Tok-hun, der zugleich ins Politbüro aufrückte.

"Angesichts der ernsthaften Herausforderung für die nordkoreanische Wirtschaft musste jemand die politische Verantwortung übernehmen", meinte Choi Kang, Vizepräsident des "Asan Institute for Policy Studies" in Seoul gegenüber dem Finanzdienst Bloomberg. Der Wechsel an der Kabinettsspitze sehe nach einer Vorsichtsmaßnahme aus, um Beschwerden der nordkoreanischen Bevölkerung auszugleichen.