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Politik

Pjöngjang: 300 Gramm Lebensmittel pro Tag

Hao Gui
8. März 2019

Nach Ernteausfällen reduziert Nordkorea die Tagesration für Nahrung. Der Bedarf an humanitärer Hilfe im Land sei enorm, sagt Lars Düerkop von der Welthungerhilfe. Doch Sanktionen erschweren der Organisation die Arbeit.

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Nordkorea Arbeit im Gewaechshaus des "Urban Agriculture" Projekts
Bäuerin im Gewächshaus in Manyongdae, einer Vorstadt von Pjöngjang, gefördert durch die deutsche WelthungerhilfeBild: Belkin/Welthungerhilfe

Deutsche Welle: Die Nahrungsmittel in Nordkorea werden knapp. Wie schlimm ist die Situation derzeit?

Lars Düerkop: Die tägliche Ration wurde vor kurzem auf 300 Gramm heruntergesetzt. Die Maßnahme ist auf die schlechte Ernte im letzten Jahr zurückzuführen. Grund hierfür waren Überflutungen und eine starke Hitzewelle. Hinzu kommt ein sehr trockener Winter. Dadurch wurde vor allem der Mais-, Reis- und Kartoffel-Ertrag gemindert. Die Regierung ist gerade dabei, bei den ansässigen internationalen Organisationen Nahrungsmittelhilfe anzufordern.

Lars Dueerkop - Landesdirektor Nordkorea
Lars Düerkop, Landesdirektor der Welthungerhilfe in NordkoreaBild: Welthungerhilfe

Wie werden die Nahrungsmittel in einem planwirtschaftlichen System verteilt?

An den öffentlichen Verteilstellen. Die optimale tägliche Ration an Getreide, Mais und Kartoffeln wurde auf 576 Gramm pro Kopf festgesetzt. Diese Rationen werden entsprechend der Verfügbarkeit der Nahrungsmittel erhöht oder reduziert.

Die erste neue Ernte steht erst im Juni an. Deswegen wurden erstmal die Rationen für Staatsbedienstete und Arbeiter auf 300 Gramm reduziert. Kinder, Frauen und ältere Menschen sind aber in einem ersten Schritt nicht betroffen. Wer mehr Nahrungsmittel benötigt, hat noch die Möglichkeit der Zuzahlung.

Das heißt, wer Geld hat, kann dann Reis zusätzlich erwerben?

Ja, man kann sich dann auch auf den "kleinen Märkten" Nahrungsmittel zukaufen. In einer Mangelsituation werden diese aber dann auch teurer.

Die staatlichen Kooperativen erzeugen Nahrungsmittel nach einem bestimmten Plan. Wer über den Plan erwirtschaftet, kann den Mehrertrag handeln.

Nordkorea Gewaechshaus in Manyongdae
Gewächshaus der deutschen Welthungerhilfe in Nordkorea, das vor der Verhängung der Sanktionen gebaut wurdeBild: Belkin/Welthungerhilfe

Sie führten schon klimatische Gründe als Ursache für die Nahrungsmittelknappheit an. Gibt es noch weitere Gründe?

Die Regierung in Nordkorea sieht die internationalen Sanktionen auch als Grund an. Notwendige Landmaschinen, Betriebsstoffe, Dünger durften nicht mehr eingeführt werden.

Selbst mit dem Import von Gewächshäusern haben wir als Entwicklungsorganisation Schwierigkeiten, da die Stützen "Metallstangen" sind, die auf der Sanktionsliste stehen.

Nordkorea hat einen sehr harten Winter. Die Gewächshäuser dienen dazu, die Vegetationsperiode zu verlängern. Die Anträge auf Ausnahmegenehmigungen liegen jetzt beim Sanktionskomitee der Vereinten Nationen in New York. Wir hoffen auf zügige Bearbeitung.

Die Welthungerhilfe ist derzeit die einzige deutsche Nichtregierungsorganisation, die humanitäre Hilfe in Nordkorea leistet. Wie können Sie den Menschen in Nordkorea trotz Sanktionen konkret helfen?

Wir haben Hilfsprogramme finanziert, mit den Mitteln von internationalen Gebern. Wir wenden spezielle nachhaltige Anbaumethoden an, die besser auf Trockenperioden und Überflutungen angepasst sind.

Wir betreiben auch Projekte zur Notfallvorsorge wie den Bau von Gabionen (mit Steinen gefüllte Drahtkörbe) als Uferbefestigung und Flussbegrenzungen, damit die bewirtschafteten Flächen nicht von weiteren Überflutungen betroffen werden. All diese Maßnahmen dienen zur Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion.

Nordkorea Arbeit in der Apfelplantage
Apfelplantage in der Provinz Hamhung, NordkoreaBild: Belkin/Welthungerhilfe

Wie werden die Hilfeleistungen aus Deutschland von nordkoreanischen Bauern angenommen?

Sie werden als sehr willkommen angenommen. Die wichtigste Frage bei Projekten ist oft die Nachhaltigkeit. Hier in Nordkorea stellen wir auch nach Jahren fest, dass die Maschinen und Gewächshäuser von den heimischen Bauern genutzt werden. Aber trotzdem existiert hier großer Bedarf an Entwicklungshilfe.

Lars Düerkop ist Landesdirektor der Welthungerhilfe in Nordkorea. Die Welthungerhilfe unterstützt derzeit Projekte in den Bereichen Ernährungssicherung, Notfallvorsorge und Trinkwasserversorgung in ländlichen Regionen von sechs nordkoreanischen Provinzen.

Das Interview führt Hao Gui.