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Noch viel mehr deutsche Steuersünder?

6. April 2013

Die Affäre um die massenhafte Nutzung von Steueroasen weitet sich offenkundig aus. Das Magazin "Focus" berichtet, eine ihm zugespielte Festplatte enthalte Daten zu mehr als 100.000 Personen in Deutschland.

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Drei Aktivistinnen der globalisierungskritischen Organisation Attac sitzen am 27.02.2008 als reiche Steuerflüchtige verkleidet auf einer aufblasbaren "Steueroase" vor dem Bundeskanzleramt in Berlin (Foto: dpa)
Steueroase SteuerfluchtBild: picture-alliance/dpa

Das Magazin "Focus" ist nach der "Süddeutschen Zeitung" und dem NDR das dritte deutsche Medium, das nach eigenem Bericht einen umfangreichen Datensatz mit Informationen über die Nutzung von Steueroasen erhalten hat. Das Blatt berichtete am Samstag vorab, die Daten auf der 2,5-Zoll-Festplatte umfassten 260 Millionen Ein- und Auszahlungen auf Steueroasen-Konten sowie Anfragen über Kontenstände oder Kundenberatungen. Mindestens 100.000 Menschen seien hierzulande vom aktuellen Steueroasen-Leck betroffen - darunter deutsche Rentner und Millionäre, aber auch russische und arabische Geschäftsleute, die in Deutschland leben oder Firmen betreiben. Namen nannte das Magazin nicht. Sicherheitshalber ließ es nach eigenen Angaben die zugespielten Daten von einem Kölner Computerexperten prüfen, der früher im Bankenwesen tätig war.

In den vergangenen Tagen hatten Medien weltweit über ein großes Datenpaket über verschleierte Kapitalbewegungen in Steueroasen berichtet, das das Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) anonym erhalten hatte. In ersten Publikationen war von mehr als 130.000 Personen aus gut 170 Ländern die Rede. Sie sollen geheime Geschäfte mit Offshore-Firmen in einschlägigen Steueroasen gemacht haben. In den Berichten war von hunderten beteiligten Deutschen die Rede. Zugang zu dem Datenmaterial hatten auch die "Süddeutsche Zeitung" und der Norddeutsche Rundfunk (NDR).

Rauher Wind in Steueroasen

Rösler verlangt Daten-Herausgabe

Nach dem Finanzministerium forderte auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, die Daten den Behörden zu übergeben. Steuerhinterziehung sei ein "krimineller Akt", sagte Rösler der "Rheinischen Post". Er pochte auch auf ein internationales Vorgehen gegen Steueroasen. "Auch wer sein Geld in Steueroasen anlegt, muss die Erträge in Deutschland versteuern." Das Bundesfinanzministerium will dem "Focus" zufolge auf einer OECD-Tagung Ende Juni darauf dringen, gegen Gewinnverlagerungen internationaler Konzerne vorzugehen.

"Die 'Focus'-Chefredaktion lehnt die Weitergabe der vertraulich übermittelten Daten ab, um den gesetzlich verankerten Informantenschutz nicht zu gefährden", sagte ein Sprecher des Magazins am Samstag jedoch zu Reuters. Zuvor hatten "Süddeutsche" und NDR eine ähnliche Bitte der Bundesregierung ebenfalls unter Verweis auf den Quellenschutz abgelehnt.

Steueroasen - Schweiz adé, Florida olé

Gabriel feuert Breitseite ab

Unterdessen verschärfte sich der Ton in der Inlandsdebatte, wer die Schuld an möglichen Steuerhinterziehungen trägt. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf den unionsgeführten Bundesländern Bayern und Hessen Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor. "Wir meckern über Steueroasen in Europa und haben sie in Wahrheit auch in Deutschland", sagte Gabriel der "Bild am Sonntag". "Es kann nicht so sein, dass Bundesländer wie Hessen und Bayern ungeniert mit wenig Steuerfahndern und seltenen Steuerprüfungen als besondere Art der Wirtschaftsförderung werben und so Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten." Der SPD-Chef forderte zudem, die Steuerfahndung dem Bund zu übertragen. Dies stößt bei mehreren Ländern auf Widerstand, die bisher diese Kompetenz haben.

Hintergrund der Diskussion sind Konzerne, die Gewinne und Verluste zwischen ihren Töchtern in verschiedenen Ländern so miteinander verrechnen, dass sie so wenig Steuern wie möglich zahlen. So ist etwa in Großbritannien die US-Kaffeehauskette Starbucks in die Kritik geraten.

kle/sti (rtr, afp, dpa)