Nimmermüder Regimekritiker: Abbas Maroufi
13. Juni 2013"Hedayat. Haus der Kunst und Literatur" steht zweisprachig über dem Eingang der Buchhandlung. Der Laden in der Kantstraße in Berlin Charlottenburg ist das größte iranische Buchgeschäft in ganz Europa. Quer an Buchregalen und der Buchmanufaktur vorbei kommen Besucher schließlich zu einem kleinen Raum mit Regalen. Das ist der Arbeitsplatz des Autors Abbas Maroufi. Hier, wo er jeden Abend schreibt, erzählt er bei einem Glas Tee seine Geschichte, die mit einem Abschied beginnt und bis heute bestimmt wird vom nimmermüden Widerstand gegen die Machthaber im Iran.
Abbas Maroufi, 1957 in Teheran geboren, war einer der angesehensten Schriftsteller im Iran, als er 1996 seine Heimat in Richtung Deutschland verließ. Als Herausgeber der Zeitung "Gardun" hatte er die politische Unfreiheit im Land und die kriminellen Machenschaften der Regierung angeprangert und war daraufhin zum Tode verurteilt worden. Später wurde das Urteil umgewandelt in "nur" 20 Peitschenhiebe, sechs Monate Haft und Publikationsverbot. Aufgrund der Intervention des deutschen Schriftstellerverbandes PEN, vor allem dank der Fürsprache von Günter Grass, gelang die Ausreise.
In Deutschland musste er von vorne anfangen
Abbas Maroufi spricht leise, ohne Aufgeregtheit in der Stimme, über die Vergangenheit. Deutschland sei ihm zu einer neuen Heimat geworden, sagt er, doch es ist eine komplizierte Beziehung zu dem neuen Zuhause. Der Exilant schreibt weiter auf Persisch, zwar beherrscht er auch das Deutsch, aber die fremde Sprache geht ihm schwerer über die Lippen. Im Iran hatte der Autor ein breites Stammpublikum, in Deutschland musste er ganz von vorne anfangen.
Im Insel Verlag sind einige seiner Bücher in Übersetzungen erschienen, seine jüngsten Romane aber hat er im eigenen Verlag auf Persisch herausgebracht. In dem Roman "Ganz besonders", den es nur auf Persisch gibt, erzählt er von einem iranischen Journalisten und Physiker, der in Berlin lebt. Es ist vielleicht sein wichtigstes, jedenfalls sein persönlichstes Buch - "ein Roman über Exil, über Liebe, über Einsamkeit".
"Es ist noch trauriger"
Die Proteste der Grünen Bewegung hat die iranische Regierung unbeschadet überstanden. Nichts sei besser geworden im Iran, im Gegenteil, meint Abbas Maroufi, dessen Bücher in der früheren Heimat allesamt verboten sind: "Es ist noch trauriger. Die Farbe der Politik ist schwarz. Es gibt keinen weißen Punkt."
Abbas Maroufi ist kein Agitator, kein Rebell, er hat etwas vornehm Zurückhaltendes. Und doch ist er für die heute Mächtigen im Iran ein Ärgernis. "Ganz egal, was in der Politik passiert, ob diese Regierung oder eine andere an der Macht ist. Wir müssen immer neue Bäume einpflanzen, das ist unsere Aufgabe." Das bedeutet für ihn, "jeden Tag 14 Stunden zu arbeiten". Ein gewaltiges Pensum, denn Abbas Maroufi versteht sich selbst zwar vor allem als Schriftsteller, aber er ist auch Buchhändler, Verleger, Lektor, Drucker und Lehrer.
"Wir sind gezwungen, im Ausland zu leben"
Aus der Traurigkeit ist Literatur geworden. Abbas Maroufi hat nicht resigniert, er hat sein Leben, so wie es ihm aufgezwungen wurde, angenommen. "Alle Fenster sind offen zum Iran", sagt er und erzählt von engen Kontakten zu anderen iranischen Schriftstellern, von Studenten im Iran, mit denen er über das Internet kommuniziert, von seinem Unterricht an Universitäten in Kanada und den USA. "Im Iran zu leben, ist sehr schwer. Viele Schriftsteller sind im Ausland, viele möchten ausreisen. Alle haben ständig Probleme mit der iranischen Regierung". Es gebe mehr als fünf Millionen Iraner in der Fremde. "Wir haben keine andere Wahl, wir sind gezwungen, im Ausland zu leben. Wenn unser Land uns einmal wieder liebt, kommen wir zurück." Am 14. Juni finden im Iran Präsidentschaftswahlen statt. Gebraucht werde nach seiner Ansicht ein Mann, der zu einer Brücke wird für diejenigen, die weggegangen sind.
Ein solcher Mann ist nicht in Sicht. Aber deshalb aufgeben? "Man lebt nur durch die Hoffnung", sagt Abbas Maroufi. Wer wüsste es besser als er.