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Niedrigwasser: Neue Schiffe für den Rhein?

Lennart Thomas
26. August 2022

2018 verursachte das Niedrigwasser auf dem Rhein schwere wirtschaftliche Verluste, dieses Jahr wird es ähnlich sein. Obwohl man weiß, wie man Schiffe für niedrige Pegel baut, gibt es davon nur sehr wenige. Warum?

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Deutschland, Kaub | Rhein Niedrigwasser
Nicht beladenes Binnenschiff bei Niedrigwasser auf dem RheinBild: Daniel Kubirski/picture alliance

Ein Binnenschiff so lang wie ein Fußballfeld fährt auf dem Rhein bei Bonn. Es transportiert offenbar nur zwei kleine Haufen Schüttgut. Sieht aus wie Sand oder Steine. Der größte Teil der Ladefläche ist leer. 

Bis vor vier Jahren war Niedrigwasser auf dem Rhein lange Zeit kein Thema: "Wir hatten jetzt von 1971 bis 2018 kein lang anhaltendes Niedrigwasser mehr. Diese fast 50 Jahre haben dazu geführt, dass die Schiffe sehr stark auf Effizienz getrimmt wurden und auf Wirtschaftlichkeit, das heißt in dem Fall maximale Transportfähigkeit", erklärt Benjamin Friedhoff vom Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V. in Duisburg.

Deutschland Schifffahrt bei Bonn
Auf diesem Binnenschiff wird kaum noch etwas transportiertBild: Lennart Thomas/DW

Binnenschiffe werden so gebaut, dass sie möglichst viel transportieren können. Auf dem Rhein werden jährlich etwa 195 Millionen Tonnen Güter transportiert, was einem Anteil von sieben Prozent am gesamtdeutschen Güterverkehr entspricht. Wer viel Fracht befördern will, der braucht ausreichend Tiefgang.

Bei lang anhaltendem Niedrigwasser, wie es der Rhein seit Wochen führt, verändern sich jedoch die Transportbedingungen: Alle Schiffe fahren nur mit geringer Fracht, momentan meist nur ein Viertel bis ein Drittel der maximalen Kapazität, um nicht auf Grund zu laufen. Schiffe mit geringem Tiefgang haben nun einen Vorteil.

Es gibt schon Spezialschiffe für Niedrigwasser

Nachdem das Niedrigwasser im Spätsommer 2018 beim Unternehmen BASF für einen Verlust von 250 Millionen Euro sorgte, entschied sich der Konzern für den Bau einer Niedrigwasserflotte bestehend aus drei Schiffen. Die Gas94 - die so heißt, weil sie Gas transportiert - fährt bereits. Das Schiff zeichnet sich durch seine Leichtbauweise aus und ähnelt von der Form her eher einem Schuhkarton anstatt - wie sonst üblich - stromlinienförmig gebaut zu sein. Die fehlende Tiefe wird durch mehr Breite kompensiert, Laderäume und Antrieb sind so angeordnet, dass sie für mehr Auftrieb sorgen.

Gas 94 | Schiff am Rhein
Kann auch bei wenig Wasser fahren: Die GAS94 am 26. August auf dem Rhein bei BonnBild: Andreas Bethmann/DW

Zwei weitere solcher Niedrigwasserschiffe sollen nächstes Jahr in Betrieb gehen. Laut BASF soll das größte der drei Schiffe, das Flaggschiff, bei mittlerem Niedrigwasser 2500 Tonnen transportieren können, doppelt so viel wie gewöhnliche Frachtschiffe. Selbst bei sehr niedrigem Wasserstand und kritischem Pegel könne man mit diesem Schiff noch 650 Tonnen Flüssiggas transportieren. Dies sei immer noch mehr als jedes andere Tankschiff, sagt das Unternehmen stolz.

Seit dem letzten Niedrigwasser 2018 sind nur einige wenige Niedrigwasserschiffe vom Stapel gelaufen. "Vielleicht fünf Schiffe wurden mit einem verstärkten Blick auf die Niedrigwassereignung seit 2018 neu gebaut", sagt Friedhoff. Etwa 20 Schiffe seien modifiziert worden. Unterstützt wird dies auch vom Bund durch das Förderprogramm "Nachhaltige Modernisierung der Binnenschifffahrt". Wenn die Gas94 und ihre zwei Schwesterschiffe bei Niedrigwasser doch so viel mehr transportieren, warum gibt es dann nicht mehr dieser neuen Schiffe?

Neubau muss sich lohnen

Der Grund, warum die Niedrigwasserflotte nicht bereits deutlich größer ist: Es lohnt sich für die Schiffsbetreiber oft nicht. Gibt es kein Niedrigwasser, wie es ja die Regel ist, bedeutet mehr Tiefgang weiterhin mehr Fracht. Außerdem gibt es - anders als bei Hochwasser - kein offizielles Niedrigwasserfahrverbot. Das heißt, solange es sich für die Schiffsbetreiber lohnt, fahren sie.

Anders als ein Unternehmen wie BASF, das auf seine Rohstoffe angewiesen ist, profitieren viele Schiffsbetreiber zunächst vom Niedrigwasser. "Das liegt zum einen daran, dass auf Grund der begrenzten Ladungskapazität plötzlich jedes Schiff ohne Wartezeiten Aufträge bekommt", erklärt Friedhoff. Bei Niedrigwasser bekämen entsprechend auch kleine, ältere Schiffe lukrative Aufträge auf dem Rhein, außerdem gebe es einen sogenannten Kleinwasserzuschlag, um die reduzierte Tragfähigkeit zu kompensieren, sagt Friedhoff weiter.

Er schlägt vor, Risiken und Gelder umzuverteilen, damit die Flotte schnell und im entsprechenden Umfang ausgebaut wird: "Es könnte ein neuer Geldtopf eingeführt werden, der aus verschiedenen Quellen einschließlich einer Beteiligung der Industrie gefüllt wird. Daraus wiederum könnte man Steuervorteile oder Ähnliches finanzieren für die Eigner und Betreiber von besonders niedrigwassertauglichen Schiffen". Denn: Ein Schiff neu oder umzubauen, muss sich auch für die Betreiber lohnen, sonst fahren sie weiterhin nur mit zwei kleinen Haufen Schüttgut.

Rhein bei Duisburg | Frachtschiff mit Kohle beladen
Das Niedrigwasser sorgt für Transportengpässe. Das trifft auch die Kohletransporte für die Kohlekraftwerke, die wegen der Gaskrise länger laufen sollen.Bild: Ying Tang/NurPhoto/picture alliance

Rheinvertiefung hätte Folgen für die Natur

Eine andere Idee, um die Schifffahrt auf dem Rhein zu erleichtern, ist die vom Bund geplante Fahrrinnenvertiefung: "Wir müssen am Rhein punktuelle Engpässe beseitigen", sagt Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Bereits als Verkehrsminister von Rheinland-Pfalz hatte Wissing sich für eine Vertiefung zwischen St. Goar und Mainz stark gemacht. Dort soll an einigen Stellen Gestein abgetragen werden, mit dem Resultat, dass Binnenschiffe 200 Tonnen mehr transportieren könnten als vorher.

Dies hat jedoch Auswirkungen auf den Lebensraum der Fische. "Die Flachwasserzonen im Uferbereich, die wichtige Lebensräume für die Jungfischentwicklung sind, könnten dadurch austrocknen. Das kann die Fischfauna im Rhein stark schädigen", sagt Sabine Yacoub vom BUND. Nach aktuellem Stand sehe sie bei dem Projekt nicht, wie das Überleben der Fische durch Ausgleichsmaßnahmen sichergestellt werden könnte.

Aber auch die Naturschützerin sieht die Notwendigkeit zu handeln. "Wir müssen endlich den Klimaschutz voranbringen, damit die Situation am Rhein nicht noch dramatischer wird", sagt Sabine Yacoub. Sonst wird im Sommer immer öfter nur noch ein kleiner Haufen geladen werden können.