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Neue Ungereimtheiten beim IAAF

16. November 2015

In den letzten Tagen konzentriert sich beim Thema Doping vieles auf Russland , doch für den Leichtathletik-Weltverband IAAF sind die Probleme deutlich vielschichtiger. Aus Kenia droht weiteres Ungemach.

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Symbolbild Doping. Foto: Andreas Franke
Bild: picture alliance/Andreas Franke

Eigentlich muss man nur in das Gesicht von IAAF-Präsident Sebastian Coe schauen, um über den aktuellen Zustand der Leichtathletik Bescheid zu wissen. Der einstige Sonnyboy des Sports - normalerweise charmant und weltgewandt - ist von den harten letzten Wochen gezeichnet. Die schwerste Krise der Leichtathletik hat den selbst in der Kritik stehenden 59-Jährigen voll erwischt. Dabei sind die schweren Tage für die olympische Kernsportart mit der Suspendierung Russlands aufgrund eines Berichts der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA keinesfalls ausgestanden. Im Gegenteil.

Nur kurz nachdem die IAAF ihre Sanktion gegen Russland verhängt hatte, wurden neue Vorwürfe gegen Spitzenfunktionäre laut. Diese lassen den Weltverband erneut in einem schlechten Licht erscheinen. Das kenianische IAAF-Council-Mitglied David Okeyo soll mit zwei anderen kenianischen Funktionären, darunter Präsident Isaiah Kiplagat, umgerechnet rund 650.000 Euro veruntreut haben, die von Sponsor Nike an den nationalen Verband AK gezahlt worden waren. Die IAAF-Ethikkommission beschäftigt sich nun mit dem Fall.

Enthüllungen absichtlich nicht nachgegangen?

Nach eigenen Angaben habe der Weltverband bisher nichts von den Vorwürfen und den Ermittlungen der kenianischen Behörden gewusst, allerdings ist die Angelegenheit seit mehr als dreieinhalb Monaten bekannt. Bereits seit der Ausstrahlung der zweiten ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik" Anfang August sind die Details in der Öffentlichkeit, inklusive belastender Kontoauszüge. Passiert ist ganz offensichtlich nichts.

Die IAAF muss sich nun die Frage gefallen lassen, ob sie dreieinhalb Monate geschlafen hat oder absichtlich den Enthüllungen nicht nachgegangen ist. Undenkbar eigentlich, dass der Weltverband von dem Fall nichts mitbekommen hat. Immerhin kündigte die IAAF an, dass die Berufung von mehr als 200 Personen in diverse neue Kommissionen des Weltverbandes auf Eis gelegt werden soll. Zunächst will der Verband von Coe angestoßene Reformen umsetzen, darin enthalten ist auch ein Integritätscheck.

Der wichtigste Teil des Berichts fehlt noch

Doch das ist noch nicht alles, was auf die IAAF in den kommenden Wochen zukommt, denn der für den Verband selbst wohl wichtigste Teil des WADA-Berichts, der sich auf die Verstrickungen der IAAF in den Doping- und Korruptionsskandal bezieht, steht noch aus. Am vergangenen Montag hatte der WADA-Kommissionsvorsitzende Richard Pound betont, dass diese Ergebnisse erst nach Absprache mit den Ermittlungsbehörden in Frankreich veröffentlicht werden. Dort wurde Anfang November nach Hinweisen der WADA-Kommission ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen IAAF-Präsidenten Lamine Diack und weitere Beschuldigte wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche eingeleitet. Wahrscheinlich bis Ende des Jahres soll auch dieses Kapitel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Es könnte für den Verband ähnlich brisant werden wie die Untersuchungsergebnisse einer ebenfalls von der ARD öffentlich gemachten Datenbank mit 12.000 Blutwerten. Rund ein Siebtel der Proben soll Hinweise auf Doping geben - nicht nur bei russischen Sportlern. Die Untersuchungen durch Experten der WADA-Kommission laufen ebenfalls noch. Dort stellt sich die Frage, ob die IAAF alles Mögliche getan hat, um den auffälligen Werten nachzugehen.

WADA-Chef: "Keine Untersuchung"

WADA Präsident Craig Reedie. Foto: DPA
Will keine unabhängige Untersuchungskommission einrichten: WADA-Chef Craig ReedieBild: picture-alliance/dpa/L.Schulze

Allerdings will die WADA nach den Ermittlungen zum systematischen Doping in Russlands Leichtathletik keine ähnliche Aufklärungsarbeit in anderen unter Verdacht des Sportbetruges stehenden Ländern wie Kenia betreiben. "Wir sind uns bewusst, dass es in Kenia ein Problem gibt", sagte WADA-Präsident Sir Craig Reedie in einem Interview der ARD-"Sportschau" am Sonntag. Eine unabhängige Untersuchungskommission wie zuletzt in Russland will er jedoch nicht einrichten.

"Ich würde es ungern tun", sagte er. Die Arbeit der unabhängigen WADA-Kommission sei gerade abgeschlossen worden, habe lange gedauert und sei sehr teuer gewesen. "Ich will nicht, dass alle Welt glaubt, jedes Mal, wenn es einen Verdacht oder ein Problem gibt, dann richte ich sofort eine neue Kommission ein", sagte Reedie. "Dazu sollte es nicht kommen."

Unterdessen präsentierte die ARD eine eidesstattliche Versicherung von Matthews Kiprono Kiptum, einem langjährigen Mitarbeiter des kenianischen Leichtathletik-Verbandes, in der er behauptet, dass Bestechungsgelder geflossen seien. Der kenianische Verband weist alle Doping-Vorwürfe zurück. Kenia war bei der Leichtathletik-WM im Sommer in Peking erfolgreichste Nation.

jhr/asz (dpa, sid)