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Flaschenpfand und Eiscreme

Tania Krämer, Jerusalem17. Februar 2015

In einem Monat wird in Israel gewählt. Mitten im Wahlkampf gerät Regierungschef Benjamin Netanjahu nun in die Schlagzeilen - wegen Ausgaben für seine Residenzen. Von Tania Krämer, Jerusalem.

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Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu - Foto: Abir Sultan (EPA)
Bild: picture-alliance/dpa/Abir Sultan

"Das ist doch alles kompletter Unsinn, was da über Ausgaben der Netanjahus und die Pfandflaschen geschrieben wird", sagt Nissim Armosa, ein langjähriger Likud-Wähler. Für den älteren Herrn, der mit seinen Freunden in einem Café im Jerusalemer Mahane-Yehuda-Markt Backgammon spielt, sind die Spekulationen um die finanziellen Ausgaben des Premierministers Teil des derzeitigen Wahlkampfs. "Wir alle hier sind für den Likud. Und Bibi," wie Nissim Armosa Likud-Chef Benjamin Netanjahu liebevoll nennt, "wird auch in Zukunft Premierminister sein. Egal ob das die Opposition nun mag oder nicht." Armosa zeigt stolz seinen Likud-Mitgliedsausweis - nichts werde ihn daran hindern, wieder für die Partei und den jetzigen Premierminister zu stimmen.

Anlass der Aufregung: An diesem Dienstag hat Israels oberster Rechnungsprüfer Joseph Shapira seinen Bericht über die Ausgaben für die Residenzen des Premierministers veröffentlicht. Schon im Vorhinein hat dies für viele Spekulationen darüber gesorgt, inwieweit der Bericht die Wahl am 17. März beeinflussen wird. Dann will Benjamin Netanjahu zum vierten Mal Premierminister werden. Doch nach letzten Meinungsumfragen ist ein Viertel der israelischen Wähler noch unentschlossen, wem sie ihre Stimme geben werden. Netanjahus Likud-Partei und die Arbeitspartei von Yitzak Herzog liegen in den Umfragen fast gleichauf. Dennoch werden dem jetzigen Premierminister Netanjahu mehr Chancen eingeräumt, eine Regierungskoalition zu bilden.

Und dieser hauchdünne Vorsprung könnte durch den Bericht des Rechnungsprüfers in Gefahr geraten. Darin geht es unter anderem um hohe Ausgaben für Blumenschmuck, Speiseeis und einen Swimmingpool - also Kosten für die offizielle Residenz des Premierministers in Jerusalem sowie um Gelder für das Privathaus der Familie Netanjahu in Caesarea zwischen 2009 bis 2013. Rechnungsprüfer Shapira kritisiert darin Netanjahu und dessen Ehefrau Sara scharf, wirft ihnen die Verschwendung von öffentlichen Geldern vor.

Laut Schapira ist der Etat des Ministerpräsidenten für Lebensmittel und Empfänge sowie für Reinigung, Kleidung und Kosmetik unverhältnismäßig gestiegen. Seit Netanjahus Amtsantritt 2009 hätten sich einige Ausgaben mehr als verdoppelt. Grundlegende Standards der Angemessenheit und Sparsamkeit seien nicht eingehalten worden, kritisiert der oberste Rechnungsprüfer.

"Eine nachsichtige Öffentlichkeit"

Zurück zum Mahahne-Yehuda-Markt in Jerusalem. Dort treffen sich nicht nur die älteren Likud-Anhänger zum Schwätzchen. In einer anderen Ecke des Marktes sitzt die jüngere Generation beim Kaffee. Hier sieht man die Skandale um die Familie Netanjahu mit weitaus weniger Wohlwollen. "Ich denke der Premierminister sollte bescheidener sein und seine Rolle als Vorbild ernster nehmen", sagt Shiran Cohen. "Ich glaube schon, dass dieser Bericht die Wähler beeinflussen wird." Gerade die junge Mittelklasse kämpft mit hohen Mietpreisen und allgemein hohen Lebenshaltungskosten. "Was er macht, ist einfach nicht richtig. Ich habe manchmal das Gefühl, ihm ist das Volk völlig egal und er denkt nur an sich selbst", sagt Omir Yoeli, ein anderer junger Israeli.

Sara Netanjahu - Foto: Chip Somodevilla (Getty Images)
Sara Netanjahu: "Flaschen-Affäre" um die Gattin des MinisterpräsidentenBild: Getty Images/Chip Somodevilla

Es ist nicht das erste Mal, das Benjamin Netanjahu und seine Ehefrau Sara für ihren oft als extravagant bezeichneten Lebensstil in die Kritik geraten. Dass dieser Bericht jetzt kurz vor der Wahl vorgelegt wird, war ursprünglich offenbar nicht vorgesehen. Aber der öffentliche Druck, ihn zu veröffentlichen, wurde dann doch zu groß.

Zuletzt hatte dazu noch die "Flaschen-Affäre" für Schlagzeilen gesorgt. Die Vorwürfe richten sich direkt gegen Sara Netanjahu. Dabei geht es um Pfand für Getränkeflaschen, die aus dem Staatsbudget gezahlt wurden. Sara Netanjahu soll - so der Vorwurf - das Pfand einfach behalten haben, als sie die Flaschen zum Getränkehändler zurückbrachte. Das berichtete ein früherer Hausangestellter. Im aktuellen Bericht des Rechnungsprüfers soll dieses "Bottle-Gate" aber nicht zur Sprache kommen.

Israelische Medien nahmen die neusten Vorwürfe zum Anlass, auf die kleinen und großen Skandale der Netanjahus der vergangenen Jahre zu schauen. Vor zwei Jahren etwa war die Aufregung groß, als bekannt wurde, dass der staatliche Haushalt ein Extra-Budget von rund 2000 Euro für den Einkauf von Speise-Eis in den Sorten Pistazie und Vanille vorsah. "Doch bis heute", schreibt die links-liberale Zeitung Ha'aretz, "sei die israelische Öffentlichkeit sehr nachsichtig gewesen."

Welche Folgen hat der Bericht?

Politische Beobachter sind deshalb sehr vorsichtig, was die Folgen des Berichts angeht. Die meisten aber gehen davon aus, dass zumindest Benjamin Netanjahus Image darunter leiden könnte. "Ich habe das Gefühl, die Menschen haben genug von den Geschichten rund um Netanjahu", sagt Chico Menashe, politischer Korrespondent im israelischen Radio. "Aber diejenigen, die Likud wählen, werden auch weiterhin Likud wählen, und die, die links wählen, werden dies auch weiterhin tun. Ich denke nicht, dass dies die Leute bewegen wird, zwischen den Seiten zu wechseln."

Doch es hänge auch davon ab, was der Bericht zutage bringt und wie ernst die Ergebnisse sind, sagt Gil Hoffman, Chef-Reporter der englischsprachigen Tageszeitung "The Jerusalem Post". "Die Sache hat das Potenzial, politischen Schaden zu verursachen, denn der Bericht könnte den Umfang des Missbrauchs von öffentlichen Steuergeldern darstellen", sagt Hoffman. "Das 'Time Magazin' hat Netanjahu einmal als 'König Bibi' bezeichnet. Israelis mögen es, dass er in der Welt als eine starke Führungskraft gesehen wird. Aber was sie nicht mögen ist, wenn sich jemand wie ein König im negativen Sinne des Wortes benimmt."

Kontroverse um Rede vor dem US-Kongress

Doch der Bericht des Rechnungsprüfers ist nicht das einzige Thema, das derzeit die Schlagzeilen in Israel bestimmt. Vor allem die geplante Rede des Premierministers vor dem US-Kongress am 3. März, keine zwei Wochen vor der Wahl in Israel, sorgt für viel Diskussion und Kritik. Es wird erwartet, dass sich Netanjahu in seiner Rede gegen einen Nuklear-Deal mit dem Iran aussprechen wird.

Benjamin Netanjahu bei Barack Obama Washington am 01.10.2014 - Foto: Kevin Lamarque (Reuters)
Regierungschefs Netanjahu und Obama: Angespanntes VerhältnisBild: Reuters/Kevin Lamarque

Den Besuch in Washington hatte John Boehner eingefädelt, der Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses von den konservativen Republikanern. Dies sorgte wiederum für Ärger bei Präsidenten Barak Obama, der ohnehin ein angespanntes Verhältnis zu Netanjahu hat.

In Israel muss sich Netanjahu die Kritik anhören, dass er die wichtigen Beziehungen zu den USA, also zu Israels engstem Verbündeten, für eigene politische Ziele aufs Spiel setzt. Eine Mehrheit der Israelis steht zwar hinter dem Premierminister, wenn es um den Iran geht, aber viele sehen den Zeitpunkt der Washington-Reise als problematisch.

Dennoch brauche sich Netanjahu in dieser Angelegenheit nicht all zu viele Sorgen machen, meinen Beobachter. "Er weiß, dass es seinem Wahlkampf nicht schaden wird. Denn er muss vor allem Stimmen aus dem Lager der Partei 'Jüdisches Heim' holen," sagt Radiokorrespondent Chico Menashe. Und das sei die eigentliche große Herausforderung für den Likud.

Noch sind es vier Wochen bis zur Wahl, da könne noch viel passieren, sagt auch Gil Hoffman. "Ein Monat in der israelischen Politik ist wie eine Ewigkeit." Sobald der Fokus wieder auf die nationale Sicherheit gerichtet ist, könne das nur gut für Netanjahu sein.