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Politik

Besser Nager statt Neger?

30. Dezember 2020

In der Debatte um Alltagsrassismus ist ein kleiner Ort in Nordrhein-Westfalen in den Fokus gerückt. Denn der idyllische Fleck im Sauerland heißt: Neger.

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Wegweiser nach Neger im Sauerland
Bild: Jonas Güttler/dpa/picture alliance

Der Ortsname Neger sorge immer wieder für Nachfragen, berichtete der Bürgermeister von Olpe, Peter Weber. Der im Negertal gelegene Ort gehört zur Stadt Olpe. Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd im Mai 2020 in Minneapolis und den darauf folgenden Protesten gegen Rassismus auch in Deutschland seien Schreiben eingegangen, "in denen die Umbenennung des Dorfes Neger gefordert wurde". Auch Ortsschilder wurden beschmiert, ebenso ein Stein mit der Aufschrift Negertal.

"Selbstverständlich hat die Namensgebung keinen rassistischen Hintergrund", sagte Weber. Er habe "keine Veranlassung, einen seit Jahrhunderten etablierten Ortsnamen zu ändern", so der christdemokratische Bürgermeister. Wesentlich sei die Einstellung der Menschen zu diesem Thema - und die stimme. Stadt, Dorf und Bürgerschaft hätten immer wieder bewiesen, dass bei ihnen "Rassismus keinen Platz hat". Auch der Ortsvorsteher habe klargestellt, dass ihm in den Dörfern im Negertal kein rassistisches Verhalten oder Fremdenfeindlichkeit bekannt sei.

"Perspektivwechsel"

"Das N-Wort ist extrem herabwürdigend, es ist in der deutschen Sprache eines der als am schlimmsten diskriminierend empfundenen Worte überhaupt", betonte der Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch. "Man kann den Ortsbewohnern nicht vorwerfen, dass sie in dem Ort leben, der so heißt. Aber man kann ihnen einen Perspektivwechsel abverlangen." Es müsse schon eine Bereitschaft zum Nachdenken geben, was der Ortsname für andere möglicherweise bedeute, dass er sehr verletzend wirken könne.

Ortsschild Unterneger
Neger ist unterteilt in Unterneger, Mittelneger und ObernegerBild: Jonas Güttler/dpa/picture alliance

Auch Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) findet: "Es wäre sinnvoll, wenn das Dorf und die Kommune überlegen, dass es Menschen gibt, die sich durch den Namen diskriminiert fühlen könnten." Es seien schon einige Male Bundestreffen der ISD am nahen Biggesee veranstaltet worden. "Es gab einige, die entsetzt waren, als sie durch den N-Ort gefahren sind." Della betont: "Es geht nicht darum, die Bewohner in eine Verteidigungsposition zu bringen. Aber sie sollten sich zum N-Wort verhalten."

Keine "niger"-Ableitung

Woher kommt der Ortsname? Belegt ist er seit 700 Jahren. Benannt ist Neger nach einem gleichnamigen kleinen Flüsschen, wie Namensforscher Markus Denkler vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) erläutert. Gebildet sei das Wort aus einem nicht eindeutig herzuleitenden Stamm "Nag-". Über Herkunft und ursprüngliche Bedeutung lasse sich nichts Genaues sagen. Allerdings sehe die Forschung keine Ableitung vom lateinischen Wort "niger", das schwarz oder dunkel bedeute.

Doch Stefanowitsch ist der Ansicht: Die Herkunft eines Namens spiele eine weniger wichtige Rolle als die heutige Bedeutung. Der Ortsname Neger sei zwar zu einer Zeit nachgewiesen worden, als es die rassistische Personenbezeichnung im Deutschen noch gar nicht gab. Die heutige Bedeutung sei aber eindeutig. Sein Vorschlag: Wenn der Name historisch von "Nag-" herzuleiten ist, warum dann nicht "Nager"? Dann könnte es irgendwann womöglich heißen: "Willkommen im Nagertal!"

wa/nob (dpa)