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Nebensache EU-Beitritt

Andrej Smodiš8. Dezember 2002

Unaufgeregt und pragmatisch sehen die Slowenen dem EU-Beitritt entgegen. Dabei ist das kleine Land der Musterschüler unter den Kandidaten. Nur kleine Schönheitskorrekturen sind nötig.

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Viel Natur und schöne Landschaften gibt es in Slowenien.Bild: transit

Ein kleines Stück der Alpen, etwas Tiefebene wie in der Puszta, viele Weinberge und 50 Kilometer Adriaküste: Slowenien bietet enorme Vielfalt auf einer Fläche so klein wie das Bundesland Hessen. Die zwei Millionen Einwohner sind sich ihrer Vorzüge sehr bewusst. Und weil auch die Wirtschaft im Wesentlichen funktioniert, sind die meisten Slowenen recht zufrieden mit sich und der Welt. Egal ob mit der EU oder ohne sie.

Für die Slowenen ist der EU-Beitritt eigentlich eine Selbstverständlichkeit, und so wird dieser Schritt von ihnen beinahe beiläufig erwartet. Umso erstaunlicher erscheint es auf den ersten Blick, dass die konkrete Frage, "Befürworten Sie den EU-Beitritt?", zur Zeit nur von 55 Prozent der Bevölkerung mit "ja" beantwortet wird. Aber eben nur auf den ersten Blick. Die Slowenen sind ein wenig Opfer ihres wirtschaftlichen Erfolges. Nach dem gegenwärtigen Stand müssten sie sofort beim Eintritt in die EU als Nettozahler rund 150 Millionen Euro an die Brüsseler Haushaltskasse abführen. Und das ist auch den pragmatischen Slowenen nur schwer zu vermitteln.

Slowenien rückt weg vom Balkan

Ljubljana in Slowenien
Die Hauptstadt LjubljanaBild: transit

Trotzdem zweifelt in der Hauptstadt Ljubljana kein Politiker ernsthaft am positiven Votum der Volksabstimmung über den EU-Beitritt, die wohl im nächsten Jahr ansteht. Die Parteien sind sich von links bis rechts seit Jahren einig in ihrem Streben nach der EU-Mitgliedschaft. Ein wichtiger Faktor ist dabei auch die Psychologie. Der Beitritt würde die Abgrenzung vom Balkan nach außen hin sichtbar machen. Das Trauma, immer mit den Krisenherden in Südosteuropa in einen Topf geworfen zu werden, ist groß. Diese psychologische Komponente betont auch Lojze Peterle, ehemaliger Ministerpräsident und Außenminster und zur Zeit Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im slowenischen Parlament: "Slowenien versucht sich mit seiner mitteleuropäischen und mediterranen Tradition zu zeigen, und nicht als Balkanstaat."

Aber die Zeiten der Abgrenzung zu Restjugoslawien um jeden Preis sind vorbei. Stattdessen betont die slowenische Regierung bei jeder Gelegenheit, dass die Erweiterung nicht an der kroatischen Grenze halt machen dürfte. "Die Integration Kroatiens und später Jugoslawiens in die EU wird Grenzprobleme und ethnische Konflikte bedeutend verkleinern", führt Dimitrij Rupel, der gegenwärtige Außenminister als einen der wichtigsten Gründe an. Slowenien sieht sich für eine Erweiterung auf Restjugoslawien in einer Geburtshelferrolle.

Wirtschaftlich vorbildlich

Wirtschaftlich kann sich Slowenien längst als Mitglied der EU fühlen. Fast siebzig Prozent des Außenhandels wickelt das Land mit der EU ab. "Slowenien hat ein ausreichendes Maß an makroökonomischer Stabilität erreicht, um dem Wettbewerb innerhalb der EU standzuhalten", so steht es im Bericht der Europäischen Kommission zum Stand der Beitrittsverhandlungen. Die Außenhandelsbilanz ist ausgeglichen, beim Bruttosozialprodukt pro Kopf liegt man gleichauf mit Griechenland und Portugal, die Arbeitslosigkeit liegt unter sieben Prozent. Nachholbedarf besteht im Wesentlichen in zwei Bereichen: die Inflation ist mit beinahe acht Prozent immer noch etwas hoch und bei der Privatisierung der Wirtschaft bleibt auch noch einiges zu tun.

Aber auch diese beiden Ziele wird Slowenien pragmatisch angehen, ohne sich groß aufzuregen. Pragmatisch wird am Ende auch das Verhältnis zur EU bleiben - man freut sich auf den Beitritt, die großen Emotionen aber bleiben aus. Und der vielbeschworene Mensch auf der Straße, wie zum Beispiel der Elektroingenieur Branko Kosi, vergleicht seine Gefühle gegenüber dem organisierten Europa mit der Haltung gegenüber dem früheren Jugoslawien: "Nein, als Heimat werde ich die EU sicher nicht empfinden. Eher vielleicht so wie den Staat Jugoslawien: als Heimat habe ich den ja auch nie empfunden!"