NATO beginnt mit Aufbau der Raketenabwehr
21. Mai 2012Das Abwehrsystem solle bis zum Jahr 2020 für ganz Europa voll funktionstüchtig sein, erläuterte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen beim NATO-Gipfeltreffen in Chicago. Ziel ist es, den Kontinent vor Kurz- und Mittelstreckenraketen zu schützen. In einem ersten Schritt wurde jetzt ein in der Türkei stationiertes Frühwarnradar mit Abfangraketen auf einem US-Kreuzer im Mittelmeer vernetzt und dem Kommando eines NATO-Gefechtsstandes im deutschen Ramstein unterstellt. Beschlossen wurden außerdem ein neues System zur Bodenüberwachung und eine engere Zusammenarbeit bei mehr als 20 Rüstungsprojekten.
Neue Belastungsprobe im Verhältnis zu Moskau
Russland hatte wenige Stunden vor dem Gipfel noch einmal vor der Errichtung der Raketenabwehr gewarnt. Vize-Verteidigungsminister Anatoli Antonow sagte in Moskau, ein solches System könne das strategische Gleichgewicht stören. Die NATO hatte Russland mehrmals angeboten, sich an der Raketenabwehr zu beteiligen. Rasmussen wiederholte auch jetzt die Bereitschaft zu Dialog und Kooperation.
Weiteres Thema auf dem NATO-Gipfeltreffen ist immer noch Afghanistan. Das westliche Bündnis will nach mehr als zehnjährigem Militäreinsatz seine Kampftruppen bis Ende des Jahres 2014 abziehen und über die Grundzüge eines Nachfolgeeinsatzes der NATO zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte beraten.
Verärgerung über Frankreich
Für Unverständnis sorgte die Ankündigung von Frankreichs neuem sozialistischen Präsidenten François Hollande, die französischen Truppen schon Ende dieses Jahres aus Afghanistan abzuziehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, man sei gemeinsam nach Afghanistan gegangen, und man sollte auch gemeinsam aus Afghanistan wieder abziehen. Deutlicher wurde Außenminister Guido Westerwelle: "Ein Abzugswettlauf gießt nur Wasser auf die Mühlen derer, die Unsicherheit säen wollen", warnte er. Sollte es dazu kommen, würde das den Kampf gegen Terrorismus schwächen.
Begleitet wird der zweitägige Gipfel von Demonstrationen gegen die NATO-Strategie. Tausende Menschen gingen am Sonntag in Chicago auf die Straße und sagten "Nein zur Agenda von Krieg und Armut". Nach einer friedlichen Kundgebung kam es zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Dabei gab es nach Angaben der Polizei mehrere Verletzte und mindestens 45 Festnahmen.
jh/sc (dpa,rtr, afp)