1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nach dem Tod in die alte Heimat

Nemanja Rujevic21. November 2013

Viele Migranten möchten in ihren Herkunftsländern bestattet werden - selbst wenn sie jahrezehntelang in Deutschland gelebt haben. Nicht nur die Sehnsucht nach der alten Heimat spielt dabei eine Rolle.

https://p.dw.com/p/1ALWI
Sargträger tragen einen Sarg (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/Kzenon

Die Sehnsucht vieler Migranten nach der Heimat gehört für Radiša Mihajlović Drnda zum täglichen Geschäft. Er verdient sein Geld mit der Überführung von Toten aus dem Ausland. Seine Firma "Drnda internacional" - mit Hauptsitz in der serbischen Stadt Požarevac - ist eines der größten Bestattungsunternehmen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Er schätzt, dass vier Fünftel der Migranten in ihrer alten Heimat die letzte Ruhe finden möchten. Besonders viele von ihnen sind im ehemaligen Jugoslawien geboren und haben später in der Bundesrepublik gelebt. "Nur wenn die Eltern oder Großeltern nicht ausdrücklich gesagt haben, dass sie in ihren Herkunftsländern bestattet werden wollen, werden sie von ihren Nachkommen oft in Deutschland begraben, weil das näher ist", so Mihajlović im DW-Gespräch.

Wie viele Migranten sich wünschen, nach dem Tod Deutschland zu verlassen, weiß keiner. Die sogenannten Leichenpässe, die für die Überführung eines Leichnams ins Ausland nötig sind, werden auf kommunaler Ebene ausgestellt. Eine Anfrage der DW an das Bundesamt für Statistik sowie mehrere Bundes- und Landesministerien ergab keine konkreten Zahlen, da die Daten über Leichenpässe nicht zentral gesammelt werden. Fabian Schaaf-Mechta von bestattungen.de, dem größten deutschen Bestatter-Vergleichsportal im Internet, schätzt, dass jährlich 30.000 bis 40.000 Leichen aus Deutschland ins Ausland überführt werden.

Bestattung ohne Sarg

"Viele Menschen haben zwar 20 oder gar 40 Jahre lang in Deutschland gelebt, aber in der Regel ist hier nicht die ganze Familie", so Schaaf-Mechta. "Deswegen möchten sie lieber in der Heimat beigesetzt werden", meint er. Außerdem wollen Menschen zurück zu ihren Wurzeln, meint Hicham el-Founti vom Düsseldorfer Unternehmen Islam-Bestattungen: "Das zeigt die große Verbundenheit mit der Heimat. Man möchte dort begraben werden, wo auch die Vorfahren liegen."

Islamisches Grab am Kölner Westfriedhof (Foto: Ulrike Hummel)
Islamisches Grab am Kölner WestfriedhofBild: DW/U. Hummel

Gerade wenn es um Muslime geht, ist die Sehnsucht nicht der einzige Grund, Deutschland für die Ewigkeit zu verlassen. "Im Islam muss das Grab nach dem Wallfahrtsort Mekka ausgerichtet werden. Das ist in Deutschland nicht immer der Fall", erklärt El-Founti. Besonders schwierig sei es in der Bundesrepublik, die Beisetzung nach muslimischer Sitte ohne Sarg durchzuführen: "Für eine Beerdigung ohne Sarg muss viel Papierkram erledigt werden. Es gibt auch viele Friedhöfe, wo ein Sarg ein Muss ist."

Veraltete Regelungen

Nach Angaben des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in Nordrhein-Westfalen (NRW) sieht das Bestattungsgesetz in Deutschland allerdings keinen Sargzwang vor. "Auf verschieden Friedhöfen kann bereits heute nach muslimischem Brauchtum bestattet werden, also ohne Sarg. Doch nicht jeder Friedhofsträger stellt Muslimen diese Möglichkeit zur Verfügung", so die schriftliche Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der DW.

"Der Sarg war ursprünglich als Zeichen der Pietät gegenüber den Verstorbenen gedacht", sagt Fabian Schaaf-Mechta. "Auf Särge zu bestehen passt aber nicht mehr in die heutige Zeit, weil wir so viele verschiedene Bestattungsformen haben", betont er.

Hohe Kosten in Deutschland

Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es zwischen 6000 und 8000 Friedhöfe und jeder von ihnen hat seine eigene Satzung. Auch die Preise sind sehr unterschiedlich. "Die Bestattung ist nicht zuletzt auch eine finanzielle Angelegenheit", so El-Founti. Er gibt zu bedenken, dass eine befristete Grabnutzung in Deutschland von weniger als 1000 bis zu 5000 Euro kosten kann. Damit ist man nur ein "Mieter": Nach etwa 20 Jahren müssen die Hinterbliebenen eine Verlängerung der Grabnutzung beantragen und wieder bezahlen. "So unwahrscheinlich es auch klingen mag: Es ist oft viel billiger, einen Toten in die Heimat zu transportieren und dort zu bestatten."

Die Zentrale von "Drnda International", einem der größten Bestattungsunternehmer in Ex-Jugoslawien (Foto: Vukan Rujevic)
"Drnda internacional" ist eines der größten Bestattungsunternehmen im ehemaligen JugoslawienBild: Vukan Rujevic

Bei "Drnda internacional" kostet der Transport einer Leiche einen Euro pro Kilometer. "Man muss also 1500 Euro bezahlen, wenn der Todesort 1500 Kilometer von dem Ort der Bestattung liegt", erklärt Besitzer Mihajlović. Für größere Entfernungen ist eine Überführung per Flugzeug günstiger. Hicham el-Founti weist darauf hin, dass ein Sargtransport im Frachtraum eines Passagierflugzeugs grundsätzlich mindestens doppelt so teuer sei wie ein normales Ticket in der Economy-Klasse.

Bei anderen Ritualen ist die Überführung viel günstiger. "Nach hinduistischem Brauch soll die Asche eines Toten auf dem heiligen Fluß verstreut werden", sagt Schaaf-Mechta. Die Einäscherung findet dann in Deutschland statt und die Asche wird zum Fluss Ganges in Indien gebracht. "Man muss nur die Urne transportieren. Die Angehörigen nehmen sie beim Fliegen meistens im Handgepäck mit oder verschicken sie per Post", so Schaaf-Mechta. In Deutschland haben die Hindus schließlich keinen heiligen Fluss - und das Verstreuen der Asche eines Toten ist strafbar.