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Nach dem Erfolg die Justiz - Wirtschaftskapitäne vor Gericht

Volker Wagener22. Oktober 2015

Mal geht es um mögliche Manipulationen von Aktienkursen, mal ist es der Vorwurf der Untreue: Die Liste der Vergehen deutscher Topmanager ist umfangreich. Drei Beispiele aus der Vergangenheit.

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Josef Ackermann Vorsitzender Deutsche Bank Archiv Vorstandssprecher
Bild: picture-alliance/dpa

Der Zerstörer der Volksaktie: Ron Sommer, Telekom

Er war Mr. Telekom. Ein Sunnyboy mit Ganzjahresbräune, stets im Massanzug. Doktor der Mathematik schon mit 21, der Primus der New Economy. Sein größter Coup war die Volksaktie Telekom. Als die Bundesregierung 1996 beschloss, den trägen Telefon-Staatskonzern an die Börse zu bringen, machte er Millionen biedere Sparbuchinhaber zu Aktionären. Eine Kultur-Revolution. Die Deutschen entdeckten den Wertpapierhandel. Als sich die Erwartungen in die T-Aktie nicht erfüllen, stürzt nicht nur das magentafarbene Wertpapier, sondern auch Ron Sommer ins Bodenlose.

Sündhafte teure UMTS-Lizenzen drücken auf den Kurs, die Übernahme der US-Konzerns Voicestream komplettiert das Desaster: fast 70 Milliarden Euro Schulden, für die sich Sommer vor Gericht verantworten muss. 2002 tritt er zurück, schon zuvor klagen die ersten Anleger. Am Ende sind es 17.000 Aktionäre, die ihr Geld zurückfordern und Sommer vorwerfen, falsche Informationen gegeben und die Telekom-Immobilien wertvoll gerechnet zu haben. Der Fall ist bis heute nicht abschließend entschieden.

Telekom Prozess Ron Sommer (ddp images/AP Photo/Bernd Kammerer)
Der Erfinder Volksaktie: Ron SommerBild: dapd

Ein Mann und das Victory-Zeichen: Josef Ackermann, Deutsche Bank

Es war eine historische Übernahmeschlacht. Das traditionsreiche Stahl-Unternehmen Mannesmann aus Mülheim an der Ruhr, Erfinder der nahtlosen Rohre, war Ende des letzten Jahrhunderts zum boomenden Mobilfunk-Produzenten aufgestiegen. Das Kerngeschäft wurde zur Nebensache. Mannesmann war in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre im Mobilfunk-Rausch. Als im Herbst 1999 erste Übernahmegerüchte die Runde machen, schnellt der Kurs auf umgerechnet 144 Euro. Bis zum Tag der Übernahme (03.02.2000) erreicht die Aktie sagenhafte 340 Euro. Der Deal mit der britischen Vodafone ist noch keine 24 Stunden amtlich, da beschließt das Präsidium des Mannesmann-Aufsichtsrates, Vorstandschef Klaus Esser und anderen insgesamt 57 Millionen Euro Boni zu zahlen.

Den goldenen Handschlag mitgetragen hat Josef Ackermann, damals Chef der Deutschen Bank. Zwei Rechtsanwälte erstatten Anzeige wegen Verletzung des Aktienrechts und Untreue oder der Beihilfe dazu. In der ersten Distanz gibt es Freisprüche für die Angeklagten, am Ende wird der spektakuläre Prozess gegen Zahlung von 3,2 Millionen Euro für Ackermann zu den Akten gelegt. Es bleibt das Bild des Top-Managers in Siegerpose vor Gericht.

Vom Wunderkind zur Privat-Insolvenz: Thomas Middelhoff, Arcandor

Er konnte wahre Wirtschaftswunder vollbringen. Er machte aus Millionen Milliarden, schrieb "Der Spiegel" über Thomas Middelhoff. Von 1998 bis 2002 war er Vorstandsvorsitzender des Medien-Konzerns Bertelsmann. Im Juni 2004 wurde Middelhoff zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der KarstadtQuelle AG und übernahm im Mai 2005 den Posten des Vorstandsvorsitzenden.

Karstadt war zu der Zeit in einer existenziellen Schieflage. Middelhoff setzte die Umbenennung in 'Arcandor AG' durch und teilte das operative Geschäft in die drei Kernbereiche Warenhaus, Versandhandel und Touristik. Der Umsatz stieg durch den Ausbau des Touristikgeschäfts 2007 auf 21 Milliarden Euro und das Eigenkapital wuchs. Kritiker bemängelten jedoch, dass dies nur durch einen milliardenschweren Verkauf der Warenhausimmobilien erreicht worden sei. Karstadt war nach dem Verkauf nur noch Mieter der Warenhäuser und musste seitdem deutlich mehr für die Nutzung der Immobilien zahlen.

Thomas Middelhoff im Gerichtssaal 06.05.2014 in Essen (Foto: Roland Weihrauch/dpa)
Der Wunderknabe, der im Gefängnis landete: Thomas MiddelhoffBild: picture-alliance/dpa

In der Folge sank der Aktienkurs der Arcandor AG im Verlauf der Amtszeit Middelhoffs von rund 10 Euro pro Aktie auf 5 Cent im November 2014. Am 9. Juni 2009 beantragte Arcandor in Essen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 12. Juni leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Untreue gegen Middelhoff ein. Was Middelhoff nicht daran hinderte, zu seinem Grundgehalt von 1,2 Millionen Euro noch 2,2 Millionen Euro als "Bonus, Tantieme und Sondervergütung" zu fordern. Am 14. November 2014 verurteilte ihn das Landgericht Essen wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft. Noch im Gerichtssaal ergeht ein Haftbefehl. Mehrfach protestiert Middelhoff gegen die Haftbedingungen, seit April genießt er Haftverschonung. Gegen fast 900.000 Euro Kaution ist er derzeit auf freiem Fuß. Inzwischen hat er Privat-Insolvenz angemeldet.