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Myanmars Wirtschaft ist am Boden

Maung Bo
1. Februar 2022

Im Doppelgriff von Pandemie und Putsch taumelt Myanmars Wirtschaftsleben. Außer für den Machterhalt hat die Militärregierung keine Ressourcen.

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Myanmar Militärputsch | Menschen vor Bank in Yangon
Andrang vor einer Bankfiliale in Yangon nach dem PutschBild: REUTERS

Manche Menschen verzichten aufs Frühstück, um etwas für ihre Schönheit oder Gesundheit zu tun. In Myanmar gehört diese Übung aber ein Jahr nach dem Militärputsch  zu den Sparmaßnahmen vieler Leute, um über die Runden zu kommen. "Früher bin ich ins Büro gegangen und habe mir dann erstmal ein Frühstück in einem Café nebenan gekauft. Das lasse ich jetzt sein und esse stattdessen früh zu Mittag, was ich mir von zuhause mitgebracht habe, mache also eine Art Brunch, um zu sparen", erzählt Ma Aye, eine 35 Jahre alte Büroangestellte aus Yangon der DW. Tipps wie dieser, um im Alltag Geld zu sparen, sind derzeit ein heißes Thema in den sozialen Medien in Myanmar.

Myanmar Symbolbild Wirtschaft Armut
Geschlossener Laden in Yangon Bild: Hkun Lat/AA/picture alliance

Die Militärregierung ihrerseits reagiert auf die fehlende Nachfrage der Konsumenten nicht, wie zu erwarten wäre, mit staatlichen Ausgaben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Vielmehr soll General Soe Win, der zweite Mann der Militärregierung, unlängst die Ressortchefs angewiesen haben, Sparsamkeit bei den Ausgaben walten zu lassen. Dahinter dürfte unter anderem der Einnahmenausfall aufgrund der aus Protest millionenfach nicht gezahlten Steuern und Stromrechnungen stecken.

Niedergang nach Jahren des Wachstums

Myanmars Wirtschaft befand sich seit der Öffnung des Landes Anfang der 2010er Jahre im Aufwärtstrend mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von rund sechs Prozent. 2020 betrug sie noch 3,2 Prozent, im Putschjahr 2021 ging die Wirtschaftsleistung geschätzt um über 17 Prozent zurück. Für 2022 prognostiziert die Weltbank ein Wachstum von einem Prozent, womit Myanmar weit abgeschlagen das Schlusslicht unter seinen südostasiatischen Nachbarn bildet.  Ohne die Pandemie und den Putsch könnte die Wirtschaftsleistung des Landes laut Weltbank um 30 Prozent höher sein.

Myanmar Yangon Protest gegen Militärputsch
Protest in Yangon im Dezember 2021Bild: AFP/Getty Images

Die anhaltende Pandemie, internationale Sanktionen, eingestellte Wirtschaftshilfe, Rückzug ausländischer Investoren, Schließung von Banken und der Wertverlust der einheimischen Währung sowie Kampfhandlungen zwischen Militär und ethnischen Armeen oder anderen Widerstandsgruppen tragen zum wirtschaftlichen Niedergang bei. Die verteuerte Einfuhr von Speiseöl und Benzin erhöht die Lebenshaltungskosten der Familien und belastet Unternehmer.

Auch der Streik von Millionen von öffentlich Bediensteten, darunter im Gesundheits- und Bildungswesen, und teilweise von Angestellten und Arbeitern im Privatsektor, lähmt die Wirtschaftstätigkeit. Die  zivile Widerstandsbewegung will durchhalten, bis die Militärregierung das Handtuch wirft.

Massive Arbeitsplatzverluste

Ma Aye hat zwar ihren täglichen Speiseplan zusammengestrichen, um Geld für knappe Zeiten zu sparen, aber immerhin hat sie noch ihren Job. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation ILO sind bis Mitte 2021 fast 1,6 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen, vor allem in den Branchen Bau, Textilien, Gastronomie und Tourismus.

Myanmar | "Stiller" Streik
"Stiller Streik" und Stillstand in der Großstadt MandalayBild: REUTERS

Viele Unternehmen mussten aufgeben, ein Zeichen dafür sind die vielen Online-Verkaufsangebote von nicht mehr benötigter Büroeinrichtung und die Zunahme von Teilnehmern aus Myanmar auf der Plattform LinkedIn auf der Suche nach Jobs und Geschäftsmöglichkeiten. Auf den Straßen, in  Malls und Bürogebäuden ist der Leerstand unübersehbar. 

Hinzu belasten tägliche Stromabschaltungen das produzierende Gewerbe, was sich in der Trockenzeit noch verschlimmern dürfte, denn die Hauptenergiequelle ist Wasserkraft. "Dieser Sommer wird wirklich hart. Es wird mehr und längere Stromausfälle geben", sagt Ko Oo, Produzent von Getränkeflaschen aus Plastik, der DW. "Die Generatoren anzuwerfen, um die Produktion am Laufen zu halten, kann ich mir wegen der extrem gestiegenen Dieselpreise nicht leisten. Ich muss also meine Produktion herunterfahren." 

Myanmar Ernährungslage
Der Preis für Reis ist um über 40 Prozent gestiegen Bild: Aung Kyaw Htet/Sopa/Zuma/picture alliance

Die Weltbank geht davon aus, dass sich der Anteil der in Armut lebenden Bevölkerung Myanmars seit dem Beginn der Pandemie verdoppelt hat. Immer häufiger sehe man seitdem an den Straßenkreuzungen von Yangon Gruppen von Kindern, die um Geld betteln, wenn die Autos vor den Ampeln warten, berichtet Min Maung, ein 40jähriger Einwohner der größten Stadt Myanmars. "Seit dem Militärputsch sind es noch mehr geworden, und sie lehnen sich gegen die Windschutzscheibe und lassen dich nicht losfahren, bis du ihnen Geld gegeben hast. Inzwischen habe ich Angst davor, an einer Ampel halten zu müssen."