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"Musikfirmen sind wie Waschmittelkonzerne"

Dorothée Brandt14. Juni 2006

Wer mit Musik erfolgreich sein will, kommt an den großen Labels selten vorbei. Kaum jemand kann es sich leisten, einen Plattenvertrag abzulehnen. Dennoch gibt es immer wieder Musiker, die sich gegen dieses System wehren.

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Der Weg in die Plattenläden führt für die meisten Musiker nur über große LabelsBild: Bilderbox

"Endlich hab ich nichts zu verlieren, endlich kann ich mich neu ausprobieren" - der Hamburger Sänger Christopher Langton ist 24 Jahre alt und tut das, wovon er singt: Seine Musik nicht an eines der großen Plattenlabels zu verkaufen. Christopher gilt in Musikerkreisen schon seit einigen Jahren als talentierter Songwriter, mehrere Plattenverträge hat er schon abgelehnt. Er wollte sich "nicht fremd bestimmen lassen", wie er sagt: "Es ist oft so, dass Plattenfirmen den Künstler oder die Musik so anpacken, dass sie dann in irgendeine Richtung entwickelt und verkünstelt wird und dann gar nicht mehr den Kern und den Inhalt hat, den sie eigentlich hatte."

Als Mitglied einer erfolgreichen deutschen Boyband lernte Christopher Ende der 1990er Jahre, wie wenig Entscheidungsfreiheit die großen Plattenfirmen den Musikern oft lassen. Da bekomme man ein willkürliches Image verpasst, das dann vermarktet werde, sagt er. Durch Zufall traf der gebürtige Coburger vor gut eineinhalb Jahren in einem Hamburger Musik-Club auf Moritz von Bockum-Dolffs.

Es geht um Aktionärsinteressen

Christopher Langton
Sänger und Songwriter Christopher LangtonBild: mesami-records

Der 27-Jährige arbeitete damals bei der größten deutschen Plattenfirma, konnte sich aber mit dem Musik-Business, das ausschließlich an Chartplatzierungen interessiert ist, nicht identifizieren: "Große Firmen in der heutigen Musik-Industrie werden nicht geführt wie Kulturgüter-Maschinen sondern wie Waschmittelkonzerne. Es geht um Aktionärs-Interessen, die im Hintergrund stehen - und das zeigt sich natürlich im alltäglichen Arbeitsumgang, vor allen Dingen in der Art und Weise, wie mit den Künstlern umgegangen wird und wie Image-Aufbau betrieben wird."

Begeistert vom groovigen Gitarrenpop von Christopher Langton beschloss Moritz von Bockum-Dolffs, seinen Job zu kündigen, und gründete in Berlin das Musik- und Kulturlabel "Mesami Records". In den ersten Monaten feilte der studierte Betriebswirt noch alleine an seiner Idee von einer Agentur, die nicht nur professionelle Musiker betreut und vermarktet, sondern auch junge Bands unterstützt und aufbaut. Im letzten Jahr stieg dann der Deutsch-Brasilianer Friedrich Neuman als Geschäftspartner ein.

Idealistischer Blick

Dann folgte erst einmal ein ziemlich anstrengendes erstes Jahr: Sponsoren suchen, Kontakte knüpfen und eine Homepage erstellen. In der zentral gelegenen Friedrichstraße in Berlin-Mitte mietete "Mesami Records" ein vierstöckiges, leer stehendes Haus, in dem Probe- und Büroräume und eine Disco untergebracht sind. Hier soll ein Kultur-Zentrum entstehen, die Eröffnung ist für Juni geplant. Gleichzeitig mussten aber auch die richtigen Kontakte in der Musik-Welt gefunden und geknüpft werden.

Jetzt stellen sich langsam erste Erfolge ein: Im Februar hat "Mesami Records" mit der Band von Christopher Langton eine Demo-CD aufgenommen, im März und April gab die Gruppe bereits in Hamburg und Berlin Konzerte mit rund 300 Zuhörern. Und auch bei verschiedenen Radio-Stationen ging die Musik auf Sendung. Band-Leader Christopher Langton will trotz dieser ersten Erfolge an seinem idealistischen Blick festhalten.

Auf der Suche nach Verrückten

"Natürlich wird sich in fünf Jahren einiges verändert haben", sagt Christopher. "Aber es ist mir sehr wichtig, dass die Natürlichkeit der Musik im Vordergrund steht, also eindeutig die Priorität ist, dass es nicht um die Kommerzialität geht." Dennoch muss sich auch für "Mesami Reecords" die Kunst und Leidenschaft auszahlen: Die Jung-Unternehmer haben vor zwei Monaten eine GmbH gegründet. Nun sind sie auf der Suche nach Sponsoren, um auch ein Café zu eröffnen - und natürlich, um noch weitere Bands unter Vertrag nehmen zu können, wie Moritz von Bockum-Dolffs erläutert: "Wir sind seit einem Jahr quasi auf der Suche nach Verrückten, die uns unterstützen und Support geben. Wir sehen den Sinn in diesem Modell und glauben, dass wir für die Musik- und die Kulturszene mit unseren Strategien ein Zukunftsfeld bieten können."