Musik und Protest - Die lange Tradition der Arbeiterlieder | Musik | DW | 30.04.2013

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Musik

Musik und Protest - Die lange Tradition der Arbeiterlieder

Eine Demonstration muss laut sein - deshalb darf musikalische Untermalung nicht fehlen. Welche Lieder es schon lange gibt und warum der 1. Mai zum Tag der Arbeit wurde, erklären wir im Kalenderblatt von dieser Woche.

Der Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber (vorn 3. v r hinter dem Transparent), Hamburgs DGB-Vorsitzender Uwe Grund (2. v r hinter dem Transparent) und mehrere tausend Menschen gehen am Dienstag (01.05.2012) in Hamburg beim Demonstrationszug zum 1. Mai mit. (Foto: Angelika Warmuth picture-alliance/dpa)

1. Mai in Hamburg

"Die Internationale" ist die Hymne der Arbeiterbewegung schlechthin. Ihren Text schrieb 1871 der französische Kommunist und Transportarbeiter Eugène Pottier. Er gehörte der so genannten Pariser Kommune an, dem proletarisch-sozialistischen Stadtrat von Paris, der revolutionäre Neuerungen zum Wohl der Arbeiter einführen wollte. Der konservativen Zentralregierung in Versailles war das nicht recht. Nur zwei Monate nach ihrer Gründung wurde die Kommune von Versailler Truppen in Straßenschlachten niedergeschlagen.

Als blutiges Ereignis ging auch der Aufruhr am Haymarket in Chicago in die Geschichte ein. Am 1. Mai 1886 begann in den USA ein mehrtägiger, von den Gewerkschaften organisierter Generalstreik, bei dem der Acht-Stunden-Tag eingefordert wurde. Bis dato mussten die Arbeiter täglich 11 bis 13 Stunden schuften. Doch die Kundgebung endete in einem Desaster. Die Polizei stürmte den Platz, es gab einige Tote und noch mehr Verletzte. Die so genannte "Haymarket Affair" konnte den Kampf der Gewerkschaften für bessere Arbeitszeiten allerdings nur vorübergehend unterbrechen.

Wie der 1. Mai zum Tag der Arbeit wurde

Demonstrierende Arbeiter auf dem Haymarket Chicago, am 4. Mai 1886 (Foto: picture alliance/dpa)

Demonstrierende Arbeiter am 4. Mai 1886 bei einer Kundgebung auf dem Haymarket in Chicago im US-Bundesstaat Illinois

1889 gründete sich die "Zweite Internationale", der weltweite Zusammenschluss sozialistischer Parteien. Zum Gedenken an die Opfer des "Haymarket Riot" rief sie den 1. Mai als "Kampftag der Arbeiterbewegung" aus, der ein Jahr später erstmals weltweit mit Massenstreiks und Demonstrationen begangen wurde. Pete Seeger plädiert in dem Song "Talking union" für den Zusammenschluss der Arbeiter in der Gewerkschaft, denn nur vereint könne man Forderungen gegenüber den Industriebossen durchsetzen.

Dass ausgerechnet der 1. Mai zum Tag der Arbeit gewählt wurde, hat einen banalen Grund: Dieser Tag galt in den USA traditionell als "Moving day", als Stichtag für den Abschluss oder die Aufhebung von Arbeitsverträgen und die damit verbundenen Umzüge. Die amerikanischen Streiks für bessere Arbeitsbedingungen machten auch in anderen Ländern Schule. In Italien verfasste Carlo Tuzzi im Jahre 1908 zur Melodie eines lombardischen Volksliedes den Text zu "Bandiera Rossa", das zu einem der bekanntesten internationalen Arbeiterlieder avancierte und dem Symbol der Sozialistischen Bewegung, der Roten Fahne, huldigt.

Ungerechte Verhältnisse inspirieren Musiker

Immer dann, wenn Arbeiter gegen ihr Los aufbegehrten, konterten Unternehmer mit massivem Druck. Gewerkschaftsaktivisten und Streikführer waren aus ihrer Sicht unerwünschte Aufrührer. Einer von ihnen war der schwedischstämmige Wanderarbeiter und Liedermacher Joe Hill, der seine Kritik an den Arbeitsverhältnissen gerne in zynische Lieder verpackte. Um ihn loszuwerden, klagte man ihn 1910 fälschlicherweise des Mordes an. Bei seiner Hinrichtung soll er gerufen haben: "Trauert nicht, organisiert euch!". Unsterblich wurde der streitbare Arbeiterführer durch ein nach ihm benanntes Lied, das unter anderem Joan Baez in Woodstock sang.

Maifeier der Arbeiterschaft in Dresden 1911, Demonstranten mit Musikinstrumenten wie Trommeln u.ä. (Foto: Conrad Huenich / Ullstein)

Am 1. Mai 1911 wurde in Dresden das Mitführen von Musik zum ersten Mal erlaubt

In Zeiten der Krise trifft es die Arbeiter zuerst, davon konnte auch der Songwriter Woody Guthrie ein Lied singen. In den 30er Jahren war er als "Hobo", als Wanderarbeiter, durch die USA getrampt und hatte sich auch als Plantagenarbeiter verdingt. In dieser Zeit suchte eine jahrelange Dürreperiode einige Staaten heim. Viele Farmer verließen ihr Land, auf der verzweifelten Suche nach einer neuen Arbeit. Guthrie machte das harte Los der Menschen jener Zeit zum Thema seiner "Dust Bowl Ballads".

Auch heute noch begleitet Musik Demonstrationen

In den sozialistischen Ländern wurde der 1. Mai bis zum Zusammenbruch des Ostblocks jahrzehntelang als "Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus" gefeiert. Die Teilnahme an den Demonstrationen mit dem Vorbeimarsch an führenden Parteimitgliedern und anderen Ehrengästen gehörte für Betriebe und Schulen zum Pflichtprogramm. In der ehemaligen Sowjetunion stimmten die Arbeiter dann immer das berühmte Lied "Tapfer, Genossen, im Gleichschritt" an, die Hymne der russischen Revolution.

Die deutsche Fassung "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" wurde nach dem Zweiten Weltkrieg das meistgesungene Lied der Arbeiterbewegung. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Kampf für Arbeitsplatzerhalt, Mindestlohn und höhere Löhne aktuell wie eh. Und wie schon ihre Eltern und Großeltern singen die Demonstranten am 1. Mai die alten Arbeiterlieder.

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