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Vandalismus auf Museumsinsel

Nikolas Fischer
21. Oktober 2020

Dutzende wertvolle historische Exponate sind am 3. Oktober verunstaltet worden. Ob es ein gezielter Anschlag oder "nur" Zerstörungswut war, wird ermittelt.

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Berlin Museumsinsel |  Zahlreiche Kunstwerke beschädigt Ahmose Sarkophag
Bild: Fabrizio Bensch/Reuters

Anschlag auf Berliner Museumsinsel

Am Tag der deutschen Einheit, am 3. Oktober 2020, haben bisher unbekannte Täter in den Museen im Herzen Berlins, Kunstwerke und Artefakte mit einer öligen Flüssigkeit bespritzt. Betroffen waren laut Stiftung Preußischer Kulturbesitz Objekte in vier Museen: vor allem im Neuen Museum und Pergamonmuseum, außerdem einige wenige Objekte im "Pergamonmuseum. Das Panorama" und in der Alten Nationalgalerie. Auf Steinskulpturen, ägyptischen Sarkophagen und anderen Exponaten blieben deutlich sichtbare dunkle Flecken zurück.

Deutschlandfunk und "Die Zeit" hatte als erste über die Vorfälle berichtet. Die Wochenzeitung nannte die Anschläge "einen der umfangreichsten Angriffe auf Kunstwerke und Antiken in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands". Die Berliner Polizei hatte die Recherchen am Mittwochmorgen (21.10.2020) bestätigt. Ein Ermittlungsverfahren wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung" ist bereits eingeleitet worden.

Eingang des Pergamonmuseums in Berlin, Säulenbau, Hinweisschild mit Schriftzug und Pfeil, der zum Eingang zeigt
Bild: Paul Zinken/picture alliance/dpa

Dumpfer Vandalismus oder gezielter Anschlag?

Die Schäden wurden augenscheinlich mit voller Absicht herbeigeführt. Ob es sinnloser Vandalismus oder ein gezielter Anschlag - vielleicht absichtlich am Tag der Deutschen Einheit - war, wird ermittelt. Die Beschädigungen haben während der Öffnungszeiten stattgefunden, bestätigten die Staatlichen Museen zu Berlin: "Die Beschmutzungen wurden nicht während der Verübung beobachtet. Der oder die Täter haben sehr verdeckt gehandelt und anscheinend Momente ausgenutzt, in denen das Aufsichtspersonal und andere Besucherinnen und Besucher das Vorgehen nicht beobachten konnten."

Das Landeskriminalamt (LKA) der Berliner Polizei sucht dringend nach Zeugen: Personen, die für den 3. Oktober Eintrittskarten für die Museumsinsel gebucht hatten, waren laut Informationen des "Tagesspiegel" bereits am Dienstag vom LKA angeschrieben und um Mithilfe gebeten worden. Dadurch ist der Fall – zwei Wochen danach – überhaupt erst bekannt geworden. Bisher sei das Ganze "aus ermittlungstaktischen Gründen nicht öffentlich gemacht" worden, so ein Polizeisprecher. Selbst die Verwaltung des Berliner Kultursenators Klaus Lederer hatte mitgeteilt, erst aus der Presse von dem Anschlag erfahren zu haben.

#DailyDrone: Museumsinsel Berlin

Laut Stiftung Preußischer Kulturbesitz hätten die Beschmutzungen bereits "in vielen Fällen rasch gereinigt werden" können, da die verwendete Flüssigkeitsmenge gering gewesen sei. Stärker verschmutzte Objekte wie Stein- und Holzskulpturen würden derzeit restauratorisch behandelt. Hier seien "bereits gute Erfolge erzielt" worden. Gemälde seien nicht direkt betroffen.

Haben Verschwörungstheoretiker etwas mit dem Anschlag zu tun?

Mögliche Täter oder gar deren Motive sind bisher unbekannt. Im Netz kursieren Vermutungen, Anhänger des Verschwörungsideologen und Rechtsextremisten Attila Hildmann könnten etwas mit den Vorfällen zu tun haben. Begründung für diese Theorie: Im August und September hatte Hildmann auf seinem öffentlichen Telegram-Kanal geschrieben, das Pergamonmuseum sei das Zentrum von "Corona-Verbrechern" und einer "globalen Satanisten-Szene": "Hier machen sie nachts ihre Menschenopfer und schänden Kinder." Im Pergamonmuseum befände sich der "Thron des Satans". Im Juni hatte Hildmann mit seinen Anhängern auch mehrfach Kundgebungen auf den Stufen des Alten Museums veranstaltet. Die Behörden hatten diese dann aber untersagt

Deutschland Berlin Museumsinsel | Alte Nationalgalerie
Imposantes Gebäude und touristischer Anziehungspunkt: Die Alte Nationalgalerie in BerlinBild: Volker Hohlfeld/Imago Images

Es werde in alle Richtungen ermittelt, so ein Polizeisprecher. Die Spekulationen über Hildmann oder dessen Anhänger seien der Polizei bekannt. Dem Berliner, hauptberuflich Vegan-Koch und Autor von Kochbüchern, werden wiederholte rechtsextreme und antisemitische Äußerungen vorgeworfen. Zudem gilt er als Leugner der Corona-Pandemie.

Er verbreitete eine Vielzahl an Verschwörungsideologien und stellte teils abstruse Thesen zum Ursprung der Virusinfektion auf. Geschäftspartner gingen auf Distanz zu ihm, es gab Strafanzeigen, Polizei und Staatsschutz ermittelten. Mehrfach drohte Hildmann öffentlich Straftaten an – auf Grund von Aussagen, die er dort gemacht hatte, wurden einige seiner Social-Media-Kanäle inzwischen geschlossen. 

Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur und Medien, beim Festakt zum 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt in Berlin
Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur und MedienBild: picture-alliance/dpa/C. Koall

Grütters: "Gegen Grundsätze unseres demokratischen Selbstverständnisses"

Kulturstaatsministerin Monika Grütters verurteilte den Vandalismus scharf. Er richte sich "gegen künstlerische Ausdrucksformen, gegen unser aller Kulturerbe, gegen zivile Formen der Auseinandersetzung und so gegen Grundsätze unseres demokratischen Selbstverständnisses". Die Angriffe zeigten eine tiefe Verachtung gegenüber Kunstwerken und kulturellen Leistungen insgesamt. Grütters selbst wusste eigenen Angaben zufolge bereits seit dem 6. Oktober Bescheid. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hatte sie demnach informiert.

Grütters forderte auch bessere Sicherheitsvorkehrungen bei den Staatlichen Museen: "Ich habe den Präsidenten umgehend gebeten, dem Stiftungsrat dazu einen umfassenden Bericht vorzulegen", so die Kulturstaatsministerin. "Es ist zu klären, wie diese vielen Beschädigungen unbemerkt von statten gehen konnten und wie solche Angriffe in Zukunft verhindert werden sollen." 

Deutschland Zahlreiche Kunstwerke auf der Museumsinsel beschädigt
Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums, zeigt Medienvertretern Spuren der Sachbeschädigungen im Neuen MuseumBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture-alliance

Museen wollen einen "möglichst unmittelbaren Dialog"

Der "kuratorische Ethos und niederschwellige Vermittlungsansatz" der Staatlichen Museen zu Berlin sehe vor, so deren Generaldirektion, den Besucherinnen und Besuchern einen "möglichst direkten Kontakt und unmittelbaren Dialog mit den Ausstellungsstücken zu ermöglichen". Deshalb seien viele Objekte nicht in Vitrinen oder hinter Glas ausgestellt. Die allermeisten Besucherinnen und Besuchern würden das schätzen und sich den Exponaten behutsam nähern.

Leider beinhalte dieser Ansatz aber "stets auch ein latentes Risiko vor mutwilligen und bewussten Beschädigungen und Verschmutzungen". Dieses Risiko könne "nie einhundertprozentig ausgeschlossen" werden. Bereits 2017 war eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze aus dem Bode-Museum auf der Museumsinsel gestohlen worden. Die Beute ist bis heute verschwunden, im Februar war im "Berliner Goldmünzenprozess" das Urteil gesprochen worden.

Der Pergamonaltar im Pergamonmuseum Berlin
Der Pergamonaltar Bild: Maurizio Gambarini/picture-alliance/dpa

Die Berliner Museumsinsel, die seit 1999 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, liegt zwischen zwei Armen der Spree. Das Pergamonmuseum, die Alte Nationalgalerie, das Bode-Museum sowie das Alte und das Neue Museum mit der berühmten ägyptischen Pharaonen-Büste der Nofretete lockten zuletzt jährlich knapp 3,1 Millionen Menschen an. 

Das Pergamonmuseum, benannt nach seiner berühmtesten Attraktion, dem Pergamonaltar aus dem 2. Jahrhundert vor Christus, hatte Anfang Oktober seinen 90. Geburtstag gefeiert. Der Altar gehörte zur Residenz der Könige von Pergamon, die im Westen der heutigen Türkei eine Kulturmetropole nach dem Vorbild Athens erschaffen hatten.