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LiteraturDeutschland

Musa Okwonga: Spurensuche in Berlin

Manasi Gopalakrishnan
19. Januar 2021

Der ugandisch-britische Schriftsteller Musa Okwonga hatte es satt, der "dankbare" Einwanderer zu sein. Er verließ Großbritannien und ging nach Berlin.

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Musa Okwonga | britisch-ugandischer Autor
Musa Okwonga fühlt sich wohl in Berlin - meistens Bild: Michel Rosenberg

"Dies sind meine Erfahrungen, was es heißt, als Migrantenkind in Großbritannien aufzuwachsen: Es ging ständig darum, sich dankbar zu zeigen." Damit beginnt die Erzählung "The Ungrateful Country". Musa Okwonga hat sie als britischer Schriftsteller und Rundfunksprecher ugandischer Herkunft für den literarischen Sammelband "The Good Immigrant" (Der gute Einwanderer) geschrieben. Vor ein paar Jahren zog er nach Deutschland, er lebt und arbeitet in Berlin. 

Aufgewachsen in England

Seine Eltern - beide Ärzte - ließen sich in den 1970-er Jahren in Großbritannien nieder. Sohn Musa wurde von seiner Mutter allein großgezogen, sein Vater starb, als er noch klein war. Mit elf Jahren gewann er ein Stipendium für den Besuch der britischen Eliteschule Sunningdale, an der nur Jungen unterrichtet wurden.

Später studierte Musa Okwonga am renommierten Eton College und in Oxford, beide international hoch angesehene Institutionen. Aber auch der erfolgreiche Hochschulabschluss hinterließ in ihm das Gefühl, als Einwanderer und Schwarzer noch mehr erreichen zu müssen, um in der britischen Gesellschaft wirklich akzeptiert zu werden.

"Okay, du bist hier in dem Land zu Gast. Und von dir wird erwartet, dass du etwas zu dieser Gesellschaft beiträgst", sagt Okwonga rückblickend im DW-Interview. "Vielleicht eine Goldmedaille gewinnen oder eine Kochshow im Fernsehen. Man soll immer noch mehr leisten. Aber die Frage ist ja: Warum sind diese Leute überhaupt hier? Warum mussten sie denn in ein anderes Land, eine andere Stadt ziehen? Um ein schöneres Leben zu haben! Warum wird das immer so kontrovers diskutiert?"

Ankommen in Berlin

2014 hat Musa Okwonga viel über die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien geschrieben. "Ich war monatelang weg aus Großbritannien", erzählt der britische Autor, der einen eigenen Fußball-Podcast namens "Stadio" betreibt. "Und in der Zeit las ich weiter britische Zeitungen und registrierte, wie negativ sie über Einwanderer reden und schreiben."

Er beschloss, nicht länger in diesem Land zu leben. "Ich wollte für eine Weile etwas anderes ausprobieren", berichtet er. Für seine juristische Ausbildung und die Verbesserung seiner Deutschkenntnisse war Berlin genau der richtige Standort.

Menschen in Bars und auf dem Gehweg in der Abenddämmerung
Berlin ist bekannt für seine entspannte Atmosphäre - hier im September 2020 vor dem zweiten Corona-LockdownBild: Christophe Gateau/dpa/picture-alliance

War Deutschland besser für seine Lebenspläne als Großbritannien? "Ich finde, Deutschland ist ein Land der Extreme. Die Menschen, die hier für mich eintreten, engagieren sich wie sonst niemand für Migranten", findet er.  

 "Die Unterstützung, die ich in diesem Land gefunden habe, hat mich umgehauen", sagt Okwonga über die sehr engen Freundschaften, die er in den vergangenen sechs Jahren in der deutschen Hauptstadt geschlossen hat. "In Deutschland gibt es eine sehr direkte, eine ehrliche Kultur. Und viel Aufgeschlossenheit und Unternehmungslust. Allerdings gibt es auch Viertel in Berlin, wo ich als Schwarzer nicht hingehen kann", erklärt er und verweist auf Stadtteile, in denen Mitglieder rechtsextremer Gruppen leben. "Diese Leute leben auch in meiner Stadt."

Persönliche Kosten-Nutzen-Analyse

Okwonga erzählt von einem Vorfall, als er einmal in Berlin zu Fuß unterwegs war. "Ich war auf dem Weg zum Bahnhof und zwei Frauen haben mich auf der Straße direkt angegriffen. Ich bin fast auf den Boden gefallen. Und eine der Frauen fragte mich: 'Kannst du Deutsch?' Ich sagte, 'Ja, natürlich.' Und sie hat geantwortet: 'Oh, gut, ich bin nämlich Deutsche. Und wir sollten hier Deutsch sprechen, weil das unser Land ist.'"

Ein anderer Vorfall ereignete sich 2018 während des Endspiels der Fußball-Weltmeisterschaft, als Frankreich gegen Kroatien spielte. Während Okwonga das Spiel aufmerksam verfolgte, spürte er plötzlich einen Schlag auf seinen Rücken. Als er sich umdrehte, sah er, dass eine Frau ihn mit einem Holzschild geschlagen hatte. Sie wollte offenbar, dass er zur Seite ging und dachte, er spreche kein Deutsch.

Auch in Bussen und Kneipen fragen ihn die Leute häufig, ob er weiß, wo sie Drogen bekommen könnten. "Die Migranten aus Afrika verkaufen Drogen, weil sie arm sind", hält Okwonga dagegen, "nicht, weil sie schwarz sind."

In Deutschland finde er sich deshalb gut zurecht, weil er gelernt habe, sich auf die positiven Aspekte zu konzentrieren: "Der Trick ist eine Art Kosten-Nutzen-Analyse", erklärt der britisch-ugandische Autor. Und fügt hinzu, dass die Gesellschaft hier "zweigeteilt" sei und man einfach "abwägen" müsse, worauf man den Fokus legt.

Der Zustand der Menschheit

Okwongas neuestes Buch "In the End, it was all about Love" (auf Deutsch etwa: "Im Endeffekt geht es immer um die Liebe") erscheint im Januar 2021 auf dem englischsprachigen Buchmarkt. Es ist teils Autobiografie, teils Erzählung im Stil des magischen Realismus, erklärt Okwonga im DW-Gespräch.

Der Erzähler ist ugandischer Herkunft und versucht, sich an ein Leben in Berlin anzupassen. Als er sich seinem 40. Geburtstag nähert, blickt er auf sein Leben zurück. Das ist auch das Alter, in dem Okwongas Vater starb. Er war als Militärarzt nach Uganda zurückgekehrt und kam im Widerstand gegen das Regime von Diktator Idi Amin ums Leben.

In seinem Buch versucht Okwonga eine Geschichte zu erzählen, die die nationalen Grenzen überschreitet. Es gehe ihm letzten Endes um die generellen Bedingungen des Menschseins, sagt er. Denn: "Egal welches Geschlecht wir haben, welche Hautfarbe, welchen biografischen Hintergrund - es gibt immer einen Punkt, an dem wir zurückblicken und uns fragen: 'Haben wir ein gutes Leben gelebt?'"

Adaption: Heike Mund