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Multikulturelle Nutzung

Klaudia Prevezanos23. März 2013

Einwanderer in Deutschland halten sich über ihre alte Heimat auch durch ausländische Medien auf dem Laufenden. Doch die Jüngeren unter ihnen informieren sich heute zunehmend anders.

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Junge Menschen mit ihren Smartphones (Foto: Fotolia.com)
Bild: Fotolia/Kurhan

"Junge Türken in Deutschland schauen im türkischen Fernsehen am liebsten türkische Serien. Es gibt da einige sehr gute und angesagte Produktionen. Aber die meisten würden nicht auf die Idee kommen, Nachrichten aus der Türkei zu gucken", sagt Ferda Ataman. Sie leitet den im September 2012 gegründeten "Mediendienst Integration", der sich als Service für Medienschaffende zu den Themen Migration, Integration und Asyl in Deutschland versteht. "Ich gehe davon aus, dass sich auch junge Menschen mit türkischen Wurzeln über die Nachrichten in deutschen Medien informieren", so die Journalistin.

Deutsche Medien regelmäßig genutzt

Mischnutzung nennt sich dieses Verhalten, wenn jemand Medien in verschiedenen Sprachen sieht, liest oder hört. Die meisten Menschen in Deutschland, die ausländische Wurzeln haben, nutzen sowohl heimatsprachliche wie auch deutsche Medien, zeigt eine Studie der Medienkommission der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF von 2011. Die Nutzung deutschsprachiger Angebote überwiege dabei in allen Medien stark, heißt es in der repräsentativen Befragung. Migranten bevorzugen beim Fernsehen, Radio hören, Zeitung lesen und Surfen im Internet Deutsch gegenüber ihrer zweiten Sprache.

"Deutsche Medien werden von Migranten seit Jahren konstant genutzt", sagt Professor Joachim Trebbe von der Freien Universität (FU) Berlin. Der Publizistik- und Kommunikationswissenschaftler untersucht seit 2001 die Mediennutzung von Migranten und war auch an der ARD/ZDF-Studie von 2011 beteiligt. "Schwankungen gab es nur bei der Nutzung der heimatsprachlichen Medien", so Trebbe.

Joachim Trebbe (Foto: privat)
Joachim TrebbeBild: privat

Das hat auch die türkische Tageszeitung "Hürriyet" zu spüren bekommen: Sie hat am 1. März 2013 ihre deutsche Zentralredaktion in Frankfurt am Main aufgelöst, Themen über Türken in Deutschland werden nun von Redakteuren in Istanbul für die Europa-Ausgabe bearbeitet. Die allgemeine Krise am deutschen Zeitungsmarkt wird als Grund angegeben: Auflagenzahlen und Anzeigenerlöse gehen zurück. Wurden in den 1990er Jahren noch täglich mehr als 100.000 "Hürriyet"-Exemplare in Deutschland verkauft, sind es heute kaum 20.000 Stück. Laut Repräsentativstudie der ARD/ZDF-Medienkommission 2011 haben nur acht Prozent der befragten Migranten insgesamt eine Tageszeitung in ihrer zweiten Sprache gelesen, unter den jüngeren Migranten waren es sogar nur fünf Prozent. Deutsche Tageszeitungen nutzte hingegen ein Drittel der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland.

Langsam gewachsenes Angebot

Als die ersten sogenannten Gastarbeiter aus südeuropäischen Ländern wie Italien, Spanien, Griechenland oder der Türkei Anfang der 1960er Jahre nach Deutschland kamen, waren Zeitungen von Zuhause - von der Familie in Päckchen mitgeschickt - noch die einzigen fremdsprachigen Medien, die ihnen zur Verfügung standen. Später kamen weitere Angebote hinzu: Öffentlich-rechtliche Sender boten Programme in den verschiedenen Sprachen an, Zeitungen wie die "Hürriyet" kamen bereits 1965 nach Deutschland und brachten Ausgaben für den europäischen Migrantenmarkt heraus.

Einen weiteren Schub bekamen die Heimatmedien, als es technisch möglich wurde, über Satellitenschüsseln am Haus ausländisches Fernsehen zu empfangen. Die Verbreitung des Internets hat diese Entwicklung noch verstärkt. "Hier waren und sind alle Medien - Fernsehen, Print und Radio - aus den Ländern jederzeit verfügbar", sagt Trebbe von der FU Berlin. Das Internet brachte aber laut Trebbe auch eine Verschiebung der Mediennutzung mit sich: "Wenn ich die polnischen Handball-Ergebnisse online lesen kann, brauche ich keine polnische Zeitung mehr."

Satellitenschüsseln an einem Hinterhaus in Frankfurt/Main (Foto: picture-alliance/dpa)
Satellitenschüsseln für den Kontakt zur Heimat - an einem Hinterhaus in Frankfurt/MainBild: picture-alliance/dpa

Traditionsbewusste Türken

Auch wenn Migranten und deren Kinder aus den verschiedenen Ländern fast alle deutsch- und fremdsprachige Medien nebeneinander nutzen, unterscheiden sich türkische Einwanderer und ihre Familien etwas. "Türkische Einwanderer sind deutschen Medien gegenüber sehr aufgeschlossen, bleiben aber den türkischen Medien eher treu", weiß Trebbe. "Spanier, Italiener, Polen oder Russen sind hingegen schneller bereit, ihre heimatsprachlichen Medien nach einer gewissen Zeit aufzugeben." In der türkischen Familie werde die Tradition stark gepflegt, so der Wissenschaftler. "Dadurch können auch noch viele Kinder der zweiten und dritten Generation gut Türkisch sprechen - neben perfektem Deutsch."

"Zweisprachigkeit ist bei jungen Migranten heute ausgeprägter und der Wechsel von einer Sprache in die andere selbstverständlich", sagt Ataman vom "Mediendienst Integration" in Berlin. Das zeigt sich auch in der Mediennutzung heute: Migranten hören zwar laut ARD/ZDF-Studie wenig Radio, doch beispielsweise der Sender Metropol FM hat sich etabliert. Die Sprachen im Programm sind Deutsch und Türkisch, denn die Hörer in Berlin, im Rhein-Main-Gebiet oder Stuttgart können beides. Ataman ergänzt: "In Blogs für junge Türken in Deutschland gibt es Ausgehtipps, man verabredet sich oder flirtet miteinander - auf Deutsch und Türkisch."

Ferda Ataman (Foto: privat)
Ferda AtamanBild: privat

Die Jugend benutzt mobile Medien

Social Media ist bei jungen Migranten in Deutschland unter 30 Jahren stark ausgeprägt und nimmt weiter zu, so Kommunikationswissenschaftler Trebbe. Laut ARD/ZDF-Studie von 2011 haben junge Migranten vor allem privates Fernsehen geguckt, heute informieren sie sich zunehmend über Soziale Medien. "Hier vermischt sich alles, private Nachrichten und politische Meldungen werden ausgetauscht. Postings eines Users sind auf Deutsch, Englisch und Russisch", sagt Trebbe. Die Nutzung von Smartphones nehme weiter zu, zu Lasten des Fernsehens.

"Die Veränderungen in der Mediennutzung sind allerdings vor allem Jugendeffekte und keine Migrationseffekte mehr", sagt Professor Trebbe. Auch wenn bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund mobile Mediennutzung noch etwas weiter verbreitet sei als bei Jugendlichen ohne ausländische Wurzeln. "Die jungen Leute haben neben ihrem lokalen Umfeld, über das sie sich informieren noch das andere Umfeld aus der alten Heimat, mit dem sie in Kontakt sind."

Junge Frauen mit Smartphone (Foto: Fotolia)
Fast immer dabei: Junge Frauen informieren sich über ihr SmartphoneBild: Fotolia/bonninturina

Über die Nutzung von heimatsprachlichen Medien in Deutschland sagt er: "Die wird in 50 Jahren vorbei sein. Es wachsen jetzt Generationen heran, die fast komplett deutsch sozialisiert werden, über den Kindergarten, die Schule, Freunde, Ausbildung. Für Menschen mit ausländischen Wurzeln ist es viel wichtiger, ihr Zeitbudget in deutsche Medien zu stecken, weil sie dort die Informationen finden, die für ihren Alltag relevant sind."