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Politik

Moskauer Umarmungen

Miodrag Soric
19. Oktober 2019

Während Brüssel zögert, die Länder des westlichen Balkans an die EU heranzuführen, handelt der Kreml. Zum Beispiel in Serbien. Dort zeigt man sich meist in freudiger Erwartung.

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Serbien Staatsbesuch russischer Präsident Wladimir Putin in Belgrad
Bild: Reuters/K. Coombs

Auf den ersten Blick ein Routinebesuch. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew fliegt nach Belgrad. An diesem Sonntag feiern die Serben die Befreiung ihrer Hauptstadt von den deutschen Besatzungstruppen vor 75 Jahren. Bei dieser Offensive im Zweiten Weltkrieg kamen tausende Soldaten der Roten Armee ums Leben. Das ist neben dem gemeinsamen orthodoxen Glauben einer der Gründe, weshalb bis heute Serben sich emotional verbunden fühlen mit Russen und Ukrainern. Serbiens Opposition hat bereits angekündigt, die Fest-Rede von Medwedew im Parlament zu boykottieren. Das hat aber wenig mit dem Gast zu tun. Vielmehr ist dies einmal mehr der Protest gegen den autoritär regierenden Präsidenten Alexander Vucic.

Russland TV Interview Dmitri Medwedew
Will vor allem über wirtschaftliche Themen sprechen: der russische Ministerpräsident MedwedewBild: Getty Images/AFP/Sputnik/A. Astafyev

Medwedew werde bei seiner Belgrad-Visite wirtschaftliche Themen ansprechen, so der Moskauer Publizist und Balkan-Experte Iwan Preobrashenskij gegenüber der Deutschen Welle. Im Mai 2014 sind Moskau und Belgrad eine strategische Partnerschaft eingegangen. Den Premier interessieren vor allem Fortschritte beim Bau jener 402 Kilometer langen Pipeline, die von der Türkei über Bulgarien nach Serbien führt ("Turkish Stream"). Sie soll, so Moskau, die Länder des westlichen Balkans versorgen. Sie hat eine Kapazität von 12,87 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr. Der Kreml rechne damit, dass der serbische Abschnitt, wie geplant, bis Ende dieses Jahres fertig gestellt sein werde, meint Preobrashenskij. Probleme mit der Verlegung gebe es aber in Bulgarien. Der russische Rohstoffgigant Gasprom möchte die Pipeline auch selbst nutzen, besitzen darf er sie laut EU-Recht allerdings nicht.

Kein Käse aus Holland

Besonders wichtig ist für Premier Medwedew die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens zwischen Serbien und der Eurasischen Wirtschaftsunion, so Oleg Bondarenko von der russischen "Stiftung für fortschrittliche Politik". Produkte aus Serbien würden so leichter Zugang haben zu Ländern wie Weißrussland und den zentralasiatischen Republiken. Serbien profitiert schon jetzt davon, dass die EU ihre Agrar- und Lebensmittel-Produkte nicht mehr nach Russland verkaufen darf. Das ist eine Folge der wechselseitigen Sanktionen zwischen Brüssel und Moskau in den letzten fünf Jahren. In den Supermarktregalen von Sankt Petersburg oder Wladiwostok wird kein Käse aus Holland verkauft, wohl aber aus Serbien. Um den Freihandelsvertrag zu besiegeln, fährt Serbiens Ministerpräsidentin Anna Brnabic fünf Tage nach dem Besuch ihres russischen Amtskollegen nach Moskau, so Bondarenko. Russland behandle Serbien weiterhin bevorzugt. Das sei ein Signal an die EU, meint Iwan Preobrashenskij. Der Kreml zeige so, dass es nicht nur über militärische, sondern eben auch über ökonomische Mittel verfüge, um seinen Einfluss im Ausland zu wahren.

Kosovo Präsident Hashim Thaci trifft US-Botschafter Richard Grenell
Neuer US-Sondergesandter für Kosovo und Serbien: Richard GrenellBild: picture-alliance/AP Photo/V. Kryeziu

Nach Ansicht von Experten werde eines der Themen, die der russische Regierungschef in Belgrad besprechen werde auch der Status des Kosovo sein. "Der Besuch von Medwedew dient dazu, dass Russland Serbien erneut die Zusage gibt, mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat zu verhindern, dass die abtrünnige Provinz Kosovo je zu einem in der UNO anerkannten Staat wird," so Dusan Reljic von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Brüssel. Für Belgrad sei diese Unterstützung in den Verhandlungen mit Pristina und dem Westen sehr wichtig. 

Kosovo-Albaner und Serben am Verhandlungstisch?

Vor allem jetzt. Denn seit Anfang Oktober unternimmt die US-Regierung einen neuen Versuch, Kosovo-Albaner und Serben an den Verhandlungstisch zu bekommen. Vermitteln soll der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell. Diese Aufgabe als Sondergesandter für Serbien und Kosovo habe er sich vom Weißen Haus erbeten, behaupten Insider. Zuvor habe sich der 52-Jähige, so Medienberichte, um den vakanten Posten des nationalen Sicherheitsberaters im Weißen Haus bemüht - vergeblich. Die Sprecherin der Botschaft widersprach gegenüber der DW allerdings diesen Berichten.

"Präsident Trump will im kommenden Jahr wiedergewählt werden und dafür braucht er außenpolitische Erfolge," analysiert Bondarenko. Russland könne mit einer Teilung des Kosovos leben, meint er. Voraussetzung: Belgrad und Pristina müssten sich zuvor einvernehmlich einigen und der Sicherheitsrat der UNO müsste zustimmen.

Bislang betrachtet der Kreml die neue US-Initiative auf dem Balkan mit Misstrauen. Grenell hatte sich in der Vergangenheit mit scharfen Worten gegen den Ausbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ausgesprochen, einem Prestige-Projekt Moskaus. Die Bundesregierung ließ sich nicht unter Druck setzen. Sie unterstützt weiterhin den Bau. Erste Einzelheiten des Treffens von Grenell mit dem serbischen Präsidenten Alexander Vucic vor wenigen Tagen deuten darauf hin, dass die Meinungsverschiedenheiten bestehen bleiben. Vucic hat anschließend die serbisch-russischen Beziehungen gelobt. Sie seien exzellent. Er freue sich auf das Treffen mit Medwedew, hieß es in serbischen Medien.