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Montenegro: Flut von Prozessen gegen Medien

21. Mai 2008

In Montenegro häufen sich Klagen von Prominenten gegen Journalisten und Medien. Prominentester Kläger ist Premier Djukanovic

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Djukanovic erhält "Genugtuung"Bild: AP

Ein Gericht in Podgorica hat die Zeitung "Vijesti“ und ihren Chef zu 20.000 Euro Schadenersatz verurteilt. Zu zahlen ist der Betrag "solidarisch“ von beiden an Premier Milo Djukanovic wegen "seelischen Schmerzes“, wie es in der Begründung des Gerichts heißt. Das Gericht hat damit dem Antrag des Klägers Djukanovic teilweise stattgegeben. Dieser hatte allerdings von der Zeitung "Vijesti“ und dessen Chef Zeljko Ivanovic eine Million Euro Schadenersatz gefordert. Der Premier hatte das Blatt verklagt, weil in einem Artikel die Behauptung aufgestellt worden war, hinter einem tätlichen Angriff auf einen Journalisten stehe "Djukanovics biologische und kriminelle Familie“.

Ehre versus Meinungsfreiheit

Richter Nenad Otasevic erklärte in der Urteilsbegründung, der Direktor von "Vijesti“ habe keine Beweise für die veröffentlichten Behauptungen vorgelegt. Nach Einschätzung des Richters beabsichtigte er durch das Veröffentlichen von Unwahrheiten nicht nur die Ehre und das Ansehen des Klägers in einen Skandal zu ziehen, sondern auch sein Privatleben anzugreifen. Das Gericht lehnte jedoch den von Djukanovic ursprünglich geforderten Schadenersatz von einer Million Euro als unbegründet und zu hoch ab.

Nach ersten Einschätzungen der beklagten Zeitung ist das Urteil politisch motiviert. Der Rechtsanwalt von "Vijesti“, Branislav Lutovac, sagte, das Urteil sei ein Präzedenzfall und stelle eine Illusion von Gerechtigkeit dar. Lutovac erklärte, dass er Widerspruch einlegen werde. Durch dieses Urteil würde eines der wichtigsten europäischen Rechte – das Recht auf Meinungsfreiheit – eingeschränkt. Die Rechtsanwältin und Schwester von Premier Milo Djukanovic, Ana Kolarevic, die ihn vor Gericht vertrat, wollte das Urteil nicht kommentieren.

„Nachhilfe“ für Richter gefordert

Tea Gorjanc Prelevic von der Nicht-Regierungsorganisation Aktion für Menschenrechte sagte der Deutschen Welle, das Urteil weise auf einen besorgniserregenden Trend hin. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens würden aufgrund strafrechtlicher Vorschriften wegen Beleidigung und Verleumdung hohe Schadenersatzsummen zugesprochen. Ein Beispiel ist der Fall des Regisseurs Emir Kusturica. Er hatte die Zeitschrift "Monitor“ aus Podgorica und den Journalisten Andreja Nikolaidis wegen eines Artikels mit der Überschrift „Des Henkers Geselle“ verklagt. Ihm wurden 12.000 Euro Schadenersatz zugesprochen, weil in Artikel und Titel die Ehre sowie das Ansehen des Regisseurs verletzt würden, hatte ein montenegrinischer Richter geurteilt.

Tea Gorjanc Prelevic sagte, solche Urteile zeigten, dass montenegrinische Richter ernsthafte Lücken in ihrem Verständnis von Meinungsfreiheit hätten. Deshalb hätte ihre NGO vom Europarat gefordert, die wichtigsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen Meinungsfreiheit zu übersetzen, weil die montenegrinischen Richter sie offenbar nicht kennen.

Vor Gerichten in Montenegro häufen sich in letzter Zeit Klagen gegen Journalisten und Medien. Allein gegen die auflagenstärksten Zeitungen "Vijesti“ und "Dan“ sowie gegen die Zeitschrift "Monitor“ werden rund 60 Verfahren geführt. Die Schadenersatzforderungen gegen "Monitor“ belaufen sich auf über 200.000 Euro. In 23 Klagen werden von "Vijesti“ insgesamt zwei Millionen Euro Schadenersatz gefordert.

Vesna Rajkovic