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Böhmermann will Pause einlegen

16. April 2016

Bis vor kurzem galt Jan Böhmermann als sehr begabter TV-Nachwuchsmoderator. Dann kümmerte er sich erst um den Finger des griechischen Finanzministers und dann um den türkischen Präsidenten. Nun will er eine Pause machen.

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Deutschland Jan Böhmermann in Köln
Bild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

Nach der von der Bundesregierung erteilten Ermächtigung zur Strafverfolgung will Jan Böhmermann vorerst nicht mehr im Fernsehen auftreten. Er habe sich "entschlossen, eine kleine Fernsehpause einzulegen", teilte der Moderator auf seiner Facebook-Seite mit - obwohl das ZDF seinem Nachwuchs-Star mittlerweile die volle Unterstützung für die juristische Auseinandersetzung mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zugesagt hat. Für die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes kann Böhmermann nach dem umstrittenen § 103 des Strafgesetzbuches mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren belangt werden.

Auszeit bis zum 12. Mai

Wie der Sender mitteilte, sollen in den nächsten vier Wochen - bis zum 12. Mai - keine neuen Ausgaben von Böhmermanns Sendung "Neo Magazin Royale" produziert werden. Der Moderator begründete seine Bildschirmpause auf Facebook damit, es gebe "möglicherweise bedeutsamere Themen als die Diskussion um ein in einer Satire-Sendung vorgetragenes Gedicht".

Die Sache mit der Pressefreiheit

Böhmermann fügte er in der ihm eigenen ironischen Art hinzu: Er wolle der Öffentlichkeit und dem Internet die Gelegenheit geben, sich "mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge wie die Flüchtlingskrise, Katzenvideos oder das Liebesleben von Sophia Thomalla" konzentrieren zu können. Er selbst wolle ins Ausland und sich in Nordkorea "die Sache mit der Presse- und Kunstfreiheit nochmal genau erklären" lassen, bevor er mit seinem Segway auf dem Jakobsweg pilgere, "um mich selbst zu finden".

Böhmermann hatte am 31. März in seiner Sendung ein als "Schmähkritik" betiteltes Gedicht vorgetragen, um an dem Beispiel die Grenzen von Satire und Meinungsfreiheit zu erörtern. Der türkische Staatschef Erdogan wird darin mit Worten unter der Gürtellinie angegriffen. Ankara forderte daraufhin eine Strafverfolgung Böhmermanns, die die Bundesregierung am Freitag bewilligte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erteilte die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Willen des Koalitionspartners SPD. Ungewöhnlich genug, dass dieser Dissens auch öffentlich wurde.

Das ZDF hatte am 1. April die Böhmermann-Sendung aus seiner Mediathek gelöscht. ZDF-Intendant Thomas Bellut sagte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", er halte den Beitrag für einen Grenzfall. Die Entscheidung zur Entfernung aus der Mediathek habe er aufgrund seines "persönlichen moralischen Wertesystems" getroffen. "Ich habe es mir nicht leicht gemacht", sagte Bellut. Der ZDF-Intendant bekräftigte zugleich, der Sender stehe hinter dem Satiriker: "Wir gehen mit ihm durch alle Instanzen."

Deutschland Intendant des ZDF Thomas Bellut
ZDF-Chef Thomas BellutBild: picture-alliance/dpa/F. v. Erichsen

Die Entscheidung der Kanzlerin wird derweil weiter kontrovers diskutiert. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach kritisierte die Ermächtigung der Kanzlerin zur Strafverfolgung. "Ich bedauere die Entscheidung und hoffe, dass der Türkei eine Lektion in Puncto Meinungsfreiheit erteilt wird", sagte Bosbach der "Mitteldeutschen Zeitung". Die Bundesregierung habe offenbar wegen des Flüchtlingsabkommens der EU mit der Türkei Rücksicht auf Ankara nehmen müssen.

Blamage? Oder nicht?

Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) widersprach dagegen den SPD-Ministern Frank-Walter Steinmeier und Heiko Maas, die eine Ermächtigung zur Strafverfolgung abgelehnt hatten. "Die Bundesregierung hat richtig entschieden, es den unabhängigen deutschen Gerichten zu überlassen, welche rechtlichen Konsequenzen aufgrund dieses Vorganges zu ziehen sind", sagte Schily der "Bild"-Zeitung. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner nannte die Böhmermann-Entscheidung eine "Blamage für Angela Merkel, weil sie bei der Abwägung von Staatsaffäre und Satire mangelndes Urteilsvermögen" bewiesen habe.

Vor dem Skandal mit der Schmähkritik hatte Böhmermann auch bereits im Zusammenhang mit den ehemaligen griechischen Finanzminister Yannis Varoufakis für Furore gesorgt. Nachdem in einer ARD-Talksendung ein Videoausschnitt mit Varoufakis gezeigt worden war, auf dem er den "Stinkefinger" zeigte, gaben Böhmermann und sein Team vor, das Video gefälscht zu haben.

Screenshot Varoufakis Stinkefinger
Auch da wollte Böhmermann seine Finger im Spiel haben: die schlimme Geste des Herrn VaroufakisBild: Screenshot YouTube

ml/sc (AFP,dpa)