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Mit Familienfreundlichkeit punkten

Jessica Krystek21. Oktober 2015

Den Spagat zwischen Familie und Beruf meistern: nicht nur eine Herausforderung für Privatleute. Eine familienfreundliche Personalführung wird auch als wichtiger Standortfaktor für Unternehmen immer relevanter.

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Mutter mit zwei Kindern vor einem Notebook (Foto: Fotolia/Andrey Arkusha)
Bild: Fotolia/Andrey_Arkusha

"Für über 90 Prozent der jüngeren Arbeitnehmer mit Kindern ist eine familienbewusste Personalpolitik ebenso wichtig wie die Höhe des Gehalts. Wer in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels die besten Nachwuchskräfte gewinnen will, kommt am Thema Familienfreundlichkeit nicht vorbei", sagt Verena Herb, Sprecherin des Bundesfamilienministeriums.

Kinderbetreuungsplätze, flexible Arbeitszeitmodelle, Eltern-Kind-Büros oder finanzielle Zusatzleistungen: die Möglichkeiten der familienbewussten Angebote sind vielfältig. Jedoch sollten diese nicht nur als soziale Zusatzleistungen abgetan werden, denn auch wirtschaftlich rechnen sich betriebsinterne Hilfestellungen. "Familienfreundlichkeit sorgt nachweislich für eine höhere Arbeitsmotivation und für ein gutes Betriebsklima, und damit für weniger Fehlzeiten und eine insgesamt höhere Produktivität. Der Nutzen übersteigt den Aufwand familienfreundlicher Maßnahmen deutlich", sagt Herb.

Birgit Riegraf, Uni Paderborn (Foto: Uni Paderborn/A. Rutenburges)
Soziologin Birgit RiegrafBild: Uni Paderborn/A. Rutenburges

Auch Birgit Riegraf, Professorin für Soziologie an der Universität Paderborn, findet eine Trennung der sozialen und wirtschaftlichen Perspektive wenig überzeugend. "Arbeitskräfte, die sich mit dem Unternehmen identifizieren, sind ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor. Eine familienbewusste Personalpolitik ist auch Teil der gesellschaftlichen Verantwortung, die Unternehmen in ihrem eigenen Interesse zu übernehmen haben."

Konsequenzen des demographischen Wandels

Strategische Überlegungen werden von Arbeitgebern vor allem dann mit einbezogen, wenn sie qualifizierte und bewährte Mitarbeiter halten wollen, in die häufig über Jahre investiert wurde. Auch mit Konsequenzen des demographischen Wandels werden Unternehmen immer mehr konfrontiert. In vielen ländlichen Teilen Deutschlands fehlen junge Fachkräfte.

Gerade mittelständische Unternehmen müssen sich mit ganz eigenen Qualitäten abgrenzen, um mit den großen namenhaften Konzernen in der Großstadt mithalten zu können. "Die Regionen werden generell um gut qualifizierte Kräfte, ob männlich oder weiblich, konkurrieren", sagt Anita Halft, Projektleiterin beim Kompetenzzentrum Frau und Beruf für den Rhein-Sieg-Kreis. "Mit einer familienbewussten Personalführung geht die Rekrutierung von neuen Kräften schneller, die Anzahl der Bewerbungen ist höher und auch ganz oft qualitativ besser", führt Halft weiter aus.

Väter in Teilzeit - Unternehmen zeigen sich familienfreundlich

Bewusste Personalpolitik in kleinen Schritten

Dass oft auch einfache Schritte zur Umsetzung eines positiven Arbeitsklimas reichen, zeigt das Unternehmen GreenGate aus dem ländlich gelegenen Windeck bei Sieg. Mit mitarbeiterfreundlichen Dienstleistungen stellt sich die Firma gleich zwei Herausforderungen: Gerade in der IT-Branche werden gut qualifizierte Mitarbeiter gesucht. Wenn diese dann gefunden sind, ist der Arbeitgeber an der Reihe zu überzeugen.

Bei GreenGate trifft der branchenspezifische Fachkräftemangel dann auch noch auf einen eher untypischen Firmensitz, eine Kombination, die auf den ersten Blick ein besonderes Geschick fordert. Der abgelegene Standort stellt aber keine Hürde, sondern eher eine Besonderheit dar. "Wir haben großes Interesse daran, die Leute langjährig zu beschäftigen. Auf dem Land gibt es weniger Wettbewerb", sagt Frank Lagemann, Vorstandsvorsitzender der Software-Firma. Gleichzeitig spielt die Attraktivität der Region für den Arbeitnehmer eine wichtige Rolle. "Regionen, in denen sich Familien wohl fühlen, sind sozial und ökonomisch besser aufgestellt", betont Herb.

Frank Lagemann, Geschäftsführer des Software-Unternehmens GreenGate (Foto: GreenGate)
Frank Lagemann von GreenGateBild: GreenGate

Familienfeindlich statt familienfreundlich?

Statt einer lebenslangen Treue zum Arbeitgeber macht sich heute aber häufig eher eine Schnelllebigkeit in der Arbeits-Vita bemerkbar. Auch aus dieser Perspektive werden familienfreundliche Strukturen als zentraler Faktor immer relevanter. Doch Birgit Riegraf glaubt, dass trotz aller positiven Bekenntnisse zu familienfreundlichen Strukturen in vielen Unternehmen noch eine andere Wirklichkeit anzutreffen ist. "In vielen Unternehmenskulturen herrscht nach wie vor das Credo, dass derjenige am meisten arbeitet und am ehesten an einer Karriere orientiert ist, der die meiste Zeit am Arbeitsplatz verbringt." Solange man familienbewusste Personalpolitik nicht als selbstverständlichen Teil der Unternehmensführung anerkennt, werden sich die dazugehörigen Angebote im Alltag nicht dauerhaft durchsetzen können.

Herb betont zwar, dass das Thema in allen Branchen angekommen sei, jedoch noch Nachholbedarf in bestimmten Betriebsgrößen bestehe. "Gerade in kleinen mittelständischen Unternehmen fehlen oft die Kapazitäten für ein strategisches Personalmanagement."

Mitarbeiter als Rohstoff für Leistungen

Eine familienfreundliche Unternehmenskultur ist für Lagemann selbstverständlich: ein immer gefüllter Obstkorb, das vom Unternehmen bezahlte Mittagessen, die Übernahme der Kosten für die Betreuungsplätze der Kinder und auch Fortbildungsmöglichkeiten während der Elternzeit. "Die Mitarbeiter merken, dass man sich vom Unternehmen aus um sie bemüht. Wir stellen alles Organisatorische auf die Beine, damit der Arbeitsablauf, auch mit Familie, gut zu Händeln ist."

Die Gewinne eines Unternehmens hängen auch immer von den Fähigkeiten und der Einstellung der Mitarbeiter ab. Diese müssen laut Lagemann das Gefühl haben, wertgeschätzt zu werden. Nur so könne man erfolgreich auf vorhandenes Potenzial aufbauen, Absprachen treffen und schnell Lösungen finden. Ein Konzept, das nicht nur die Dienstleistungen für den Kunden bestimmen soll, sondern auch die Personalführung selbst.