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Die Gefängnis-Gärtnerinnen

12. Mai 2009

Vormittags lernen sie Pflanzennamen, nachmittags pflanzen sie Tomaten: In einem Gefängnis nahe Madrid machen Häftlinge eine Gärtner-Ausbildung. Sie sollen bei der geplanten großen Aufforstung in Spanien helfen.

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Gefängnisgärtnerin; Bild: Nina Funke-Kaiser
Mit Pflanzen in die FreiheitBild: Nina Funke Kaiser

20 Frauen in grünen Sweatshirts und Hosen sitzen in einem kleinen Klassenzimmer. Etwa ein Drittel von ihnen ist jünger als 30, andere haben schon graue Strähnen im Haar. Gemeinsam ist allen: Sie sitzen in einem Gefängnis in der Nähe von Madrid und werden Ende des Jahres ausgebildete Gärtnerinnen sein.

Eine zweite Chance

Gefängnisgärtnerin; Bild: Nina Funke-Kaiser
Genauigkeit angesagt hinter den GefängnismauernBild: Nina Funke Kaiser

Die 56-jährige Gloria wurde wegen Drogenschmuggels verhaftet - genauso wie die meisten ihrer 19 Klassenkameradinnen. Seit Dezember 2008 machen die Frauen hier im Gefängnis eine einjährige Ausbildung zur Gärtnerin. Neben der Theorie im Klassenzimmer gibt es auch praktische Übungen: Im Gefängnisgarten überprüft Gloria, ob die Erde der Tomatensträucher feucht genug ist. Marta gießt im Gewächshaus winzige Schößlinge. "Ich lerne viel über Pflanzen, Wurzeln und die unterschiedlichen Blätter. Es ist eine tolle Möglichkeit, das lernen zu können", sagt sie.

Zum ersten Mal in ihrem Leben macht die 30-Jährige eine Berufsausbildung. Der Kurs ist Teil des "Proyecto Oxígeno", zu Deutsch "Projekt Sauerstoff". Seit rund zwei Jahren werden in spanischen Gefängnissen Häftlinge zu Gärtnern und Waldarbeitern ausgebildet. Derzeit sind es 180 Männer und Frauen. Organisiert wird das Projekt vom Umwelt- und vom Innenministerium.

Gartenpflege im Gefängnis

Gefängnisgärtnerinnen; Bild: Nina Funke-Kaiser
Unterricht für die künftigen GärtnerinnenBild: Nina Funke Kaiser

Während der Ausbildung lernen die Frauen nicht nur die Namen von Pflanzen, sondern sie lernen auch, wann die richtige Zeit fürs Aussäen ist. Im Garten züchten sie ihr eigenes Gemüse und kümmern sich außerdem um alle Grünflächen im Gefängnis. Dafür gibt es ein Taschengeld von 50 Euro im Monat. Auch Exkursionen in die nähere Umgebung oder in Nationalparks gehören zur Ausbildung - natürlich überwacht. Dennoch ist es ein Hauch von Freiheit für die Gefängnis-Gärtnerinnen.

Wer an dem Kurs teilnehmen darf, entscheidet der Leiter des Frauengefängnisses, Jose Luis Cuevas. "Wir wählen vor allem Frauen aus, die keine allzu langen Haftstrafen mehr absitzen müssen, damit man auch Exkursionen machen kann", erklärt er. Doch wofür braucht Spanien so viele Waldarbeiter und Gärtner? "Es macht Sinn, die Leute so auszubilden, nicht nur als Arbeitsperspektive, sondern auch als Umweltprojekt für Spanien. Das ist die beste Investition, die man machen kann", ist der Gefängnisleiter überzeugt. Im vergangenen Jahr hat die spanische Regierung einen Plan zur Aufforstung verabschiedet. Der Bedarf an Waldarbeitern wird in Zukunft also steigen.

Ein krisensicherer Job in Spanien

Gefängnisgärtnerinnen; Bild: Nina Funke-Kaiser
Am Ende winkt die Freiheit und ein DiplomBild: Nina Funke Kaiser

2008 wurden aus drei Gefängnissen 25 Häftlinge entlassen, die den Kurs absolviert haben. Von ihnen arbeiten heute immerhin neun in ihrem neu erlernten Beruf, also mehr ein Drittel.

Doch soweit denken viele der Frauen im Gefängnis in der Nähe von Madrid noch gar nicht. Den meisten ist es wichtig, überhaupt etwas zu tun zu haben. Das lenkt vom grauen Gefängnisalltag ab. Wenn sie zusätzlich noch eine Perspektive für die Zukunft bekommen, ist das umso besser. Am Ende des einjährigen Kurses erhalten alle Teilnehmer ein Diplom. "Welche Freude, ein Diplom zu bekommen! Dann waren wir wenigstens für etwas gut und es wird geschätzt, was wir machen", freut sich Gloria. Und auch Martas Augen leuchten beim Gedanken an ein richtiges Diplom: "Ich habe vorher nicht gewusst, was ich sein kann. Ich bin wie eine Pflanze gewachsen. Heute gibt es nicht viel Arbeit, aber dieser Job kommt niemals in die Krise. Es ist eine gute Möglichkeit zu arbeiten."

Autor: Nina Funke-Kaiser

Redakteur: Richard Fuchs