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"Bica critica" - eine Aktion für weniger Autos im Zentrum

Nina Funke-Kaiser6. März 2009

Einmal im Monat verwandelt sich Madrid in eine fahrradfreundliche Stadt – wenn auch nicht ganz freiwillig. Wo sonst Autos die Macht haben, fahren hunderte Radfahrer durchs Zentrum – es ist Zeit für "Bica Critica"

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Hunderte Fahrräder vor der Fahrt durch die Innenstadt (Nina Funke-Kaiser/März 2009)
Hunderte Fahrräder vor der Fahrt durch die InnenstadtBild: DW / Funke-Kaiser

Die "Plaza de Cibeles“ im Herzen Madrids, kurz nach acht Uhr abends. Autos, Taxis und Busse rasen über die zehnspurige Straße – nicht gerade der geeignete Ort zum Fahrradfahren. Doch direkt vor dem imposanten Postgebäude stehen hunderte Radfahrer mit Helmen und Warnwesten, darunter ein paar Kinder mit Mini-Mountainbikes und ein paar vereinzelte Inlineskater. Auch Israel Fábregas Galán ist mit seinem Fahrrad hier. "Ich will mich revanchieren: Ich bin jeden Tag von hunderten von Autos umgeben. Und heute werden die Autos von 200, 500 oder 600 Fahrradfahrern umzingelt.“


Fahrradtour als Kritik

Ein mit Blumen geschmücktes Fahrrad bei der "Bica critica" (Nina Funke-Kaiser/März 2009)
Das Fahrrad als Aussage für mehr UmweltfreundlichkeitBild: DW / Funke-Kaiser

Das ist "Bica Critica“ – für Israel Fábregas Galán seit über vier Jahren ein fester Programmpunkt am letzten Donnerstag des Monats. "Bici Critica“ ist keine Organisation, sondern eine Aktion: Radfahrer und Inlineskater fahren gemeinsam durch Madrid, um auf ihre Rechte als vollwertige Verkehrsteilnehmer aufmerksam zu machen. Termin und Treffpunkt sind immer gleich. Die Route aber wird spontan gewählt oder vorher im Internetforum festgelegt.

Das Wichtigste sei, dass es keinen Organisator gibt, meint Israel Fábregas Galán: "'Bici Critica' gibt es einmal im Monat für zwei Stunden. Danach ist es vorbei. Das ist auch wichtig, weil man dann keine Erlaubnis braucht, um durch Madrid zu radeln, auch nicht in einer großen Gruppe.“


Import aus den USA

Die Bewegung kommt aus San Francisco: 1992 organisierten Fahrradfahrer dort die erste Aktion. "Critical Mass“ nannten sie es und seitdem gibt es solche Veranstaltungen weltweit. Um halb neun kommt in Madrid Bewegung in die Gruppe. Die Ersten schwingen sich auf ihre Räder, fahren über den Zebrastreifen und bleiben dann mitten auf der Straße stehen. Autofahrer können so nicht durchkommen.

Die anderen Radfahrer folgen. Schnell sind alle Fahrspuren von klingelnden, hupenden und jubelnden Fahrradfahrern blockiert. Dann geht es los. Das Tempo ist gemächlich, so dass jeder mitkommt und die Gruppe zusammenbleibt. Rote Ampeln ignorieren sie konsequent.

Gemeinsam geht es über die "Gran Via“, die größte Straße der Stadt - normalerweise überfüllt mit Autos. Aber heute Abend gehört die Straße "Bici Critica“. Ab und zu versucht ein Auto, sich einen Weg durch die Fahrräder zu bahnen, wird aber sofort von Fahrradfahrern blockiert. "Schluss mit der Verschmutzung, verschwende kein Benzin“, hören die Autofahrer dann nicht selten.


Des einen Freud, des anderen Leid

Die Nerven liegen da schnell blank, vor allem bei den Taxifahrern: Für sie ist "Bici Critica“ absoluter Mist, was sie offen aussprechen. Pablo ist als Radfahrer heute zum ersten Mal bei der "Bici Critica“ dabei. Den Ärger der anderen Verkehrsteilnehmer sieht er gelassen: "Es müssten noch viel mehr Leute Radfahren, es verschmutzt die Umwelt nicht, es ist gesund und die Leute sind fröhlich.“ Autofahrer seien immer so wütend, in der Metro schauten alle nur auf den Boden, Radfahrer seien hingegen lustiger.

Egal wo die riesige Gruppe hinkommt bleiben Fußgänger stehen, schütteln den Kopf und zücken Fotoapparat oder Handykameras. Viele finden die Tour klasse. Das sei Madrid, sehr verrückt und sehr sympathisch, meint eine Passantin.


Gelungener Abschluss

Nach knapp eineinhalb Stunden und sechs Kilometern durchs Madrider Zentrum endet die Tour an einem Kulturzentrum. Hier gibt es heute Abend noch eine kleine Party mit Cerveza, also Bier und Häppchen. Auch Pablo holt sich noch schnell etwas zu trinken.

"Ich geh heim zu meiner Freundin, sie hat kein Fahrrad, muss sich aber unbedingt eins kaufen“, meint Pablo. Dann könnten er und seine Freundin das nächste Mal gemeinsam durchs nächtliche Madrid radeln.