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Apotheken-Blätter boomen

Klaus Deuse
6. Februar 2022

Mit kostenlosen Illustrierten für Apothekenkunden rund um Gesundheitsthemen erzielen Verlage millionenschwere Umsätze abseits der Kioske. Fast ein Viertel aller Deutschen liest jeden Monat die "Apotheken Umschau".

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Apotheken Umschau | Aktuelle Cover
Bild: Wort & Bild

Gesundheit ist ein teures Gut. So belief sich der Umsatz der deutschen Apotheken im Jahr 2020 auf 56,7 Milliarden Euro. Geschäfte lassen sich in den rund 18.670 Apotheken zwischen Flensburg und Rosenheim aber nicht nur mit Medikamenten auf Rezept, Kopfschmerztabletten oder Wärmepflastern machen, sondern auch mit Zeitschriften, die es nicht an Kiosken zu kaufen gibt. Genauer: mit für Apothekenkundinnen und -kunden kostenlosen Gesundheitsmagazinen. Ein für die Verlage ausgesprochen lukrativer Markt, da sie durch Anzeigen aus der Gesundheitsbrache millionenschwere Umsätze erzielen. Ganz abgesehen davon, dass die Apotheken pro Heft einen Abnahmepreis zahlen.

Vor 66 Jahren kam der Verleger Rolf Becker auf die einträgliche Idee, eine Illustrierte für Gesundheitsthemen, bestückt mit Werbeanzeigen aus der Gesundheitsbranche, auf den Markt zu bringen. Und zwar an einem Ort, den Kranke ohnehin aufsuchen, und solche, die gesund bleiben wollen, ebenfalls: die Apotheke. Zwei Mal im Monat erscheint mit der Apotheken Umschau eines der meistgelesenen Blätter in Deutschland.

"Aktuell haben wir eine verkaufte Auflage von 7,6 Millionen Exemplaren monatlich und erreichen damit knapp 18,5 Millionen Menschen in Deutschland", sagt Umschau-Chefredakteur Dr. Dennis Ballwieser und fügt hinzu: "Das heißt, fast ein Viertel aller Deutschen liest jeden Monat die Apotheken Umschau". Die ermittelte durchschnittliche Lektüredauer von 90 Minuten entspricht der durchschnittlichen Länge eines Spielfilms.

Apotheken Umschau Blätter der ersten Jahre
Apotheken Umschau: Blätter der ersten JahreBild: Wort & Bild

Kostenlos für Kunden, nicht für Apotheker

Bei rund 80 Prozent aller Apotheken liegt die Apotheken Umschau regelmäßig bereit zum Mitnehmen. So auch in der Ruhrland Apotheke von Heiko Meyer in Bochum. "Es wird einfach von mir erwartet, dass ich sie habe", sagt Meyer. Nach seinen Erfahrungen kommen viele Kunden und Kundinnen zudem gezielt an den Tagen, an denen die neueste Ausgabe griffbereit im Regal liegt. "Manche halten ihre Rezepte oder ihre Einkäufe bis zu den Stichtagen zurück, an denen die Umschau erscheint, um sich dann ihre Zeitung abzuholen," erzählt er.

Auf die Erscheinungstermine weist der herausgebende Verlag Wort und Bild schließlich auch durch bundesweite Werbespots in Hörfunk und Fernsehen hin. Dass es die Apotheken Umschau auf eine größere Reichweite als etwa Magazine wie Spiegel, Stern oder Focus bringt, das liege daran, dass Gesundheit ein Thema sei, "das eigentlich jeden Menschen interessiert", so Chefredakteur Ballwieser. "Und wir erreichen natürlich Zielgruppen, wo sich Spezialtitel, die sich nur mit Politik oder Wirtschaft beschäftigen, schwerer tun."

Das schlägt sich auch in den Anzeigenpreisen nieder. Eine ganzseitige Anzeige in der Apotheken Umschau kostet 80.000 Euro. Für eine entsprechend große Anzeige stellt der Stern um die 67.000 und Focus knapp 59.000 Euro in Rechnung. Was den Anteil der Werbung betrifft, sagt Ballwieser, habe Verleger Becker früh eine Richtlinie vorgegeben. "Ein Drittel maximal darf Werbung enthalten, zwei Drittel müssen in jedem Fall Inhalt sein."

Da ergibt sich unter dem Strich bei einem Heft mit durchschnittlich 100 Seiten und einer Auflage von 7,6 Millionen Exemplaren schon eine ansehnliche Summe. Außerdem bezahlen auch noch die Apotheken für jedes bezogene Heft einen Grundpreis an den Verlag. Für die auf Gesundheitsthemen beschränkte Basis-Ausgabe werden etwa 50 Cent berechnet, die begehrtere Ausgabe mit ausführlichem Fernsehprogramm oder einem großen Rätselteil kostet einen Euro.

Profitabel für beide Seiten

Nach Einschätzung des Marketingwissenschaftlers Jan Wieseke von der Ruhr-Universität Bochum rechnet sich das Geschäft mit den Zeitschriften dennoch auch für die Apotheken, weil zwei Ziele erreicht würden. Erstens würde der Anreiz gegeben, dass Kundinnen und Kunden ihrer lokalen Apotheke treu bleiben und nicht in Richtung Online-Apotheke abwandern. "Das zweite Ziel ist: Während der vor Ort Besuche erledigten die Kundinnen und Kunden noch Einkäufe, die sie ohne diese Zeitschrift eben nicht getätigt hätten."

Chefredaktion Apotheken Umschau: Dennis Ballwieser und Julia Rotherbl
Dennis Ballwieser und Julia Rotherbl, Chefredaktion Apotheken Umschau: Bild: Wort & Bild

Auch andere Verlage haben die Apotheken als Kiosk entdeckt und produzieren Blätter, die kostenlos an Kundinnen und Kunden abgegeben werden. So etwa der Burda-Verlag mit My Life. Auch mit Das Apotheken Magazin oder Ratgeber/Meine Apotheke werden zig Millionen Euro umgesetzt. Die Auflagen dieser Magazine pendeln zwischen einer und 1,2 Millionen Exemplaren - bestückt mit reichlich Werbung.

Newcomer drängt in Nische auf dem Markt

Zudem hat die Funke Mediengruppe mit Apotheke für mich offenbar eine weitere Marktlücke erspäht. Der Hintergrund: Zum Sortiment einer Apotheke gehören neben Medikamenten auch Kosmetik- und Pflegeprodukte oder Produkte, die verheißen, endlich Schluss mit überflüssigen Pfunden zu machen. Zur Zielgruppe gehören für Dennis Jerchow von Funke Medien "Frauen ab 50 plus, die gesundheitsbewusst sind, aber zugleich auch bei anderen Themen des Lebens am Puls der Zeit sein wollen. Trends in den Bereichen Mode, Schönheit, Wohnaccessoires und Reisen interessieren sie genau so wie neue Bücher, leckere Rezepte oder Ratgeber für den Alltag."

In dieser Hinsicht kann die Redaktion von Apotheke für mich hausintern aus dem Vollen schöpfen, verfügt die Funke Mediengruppe doch mit Titeln wie Frau im Bild, Das Goldene Blatt und Bild der Frau über einen reichen Fundus an nutzbarem Material. Das auf femininen Lifestyle ausgerichtete Magazin erscheint monatlich in einer Auflage von 500.000 Exemplaren und ist nach Angaben des Verlages bereits in mehr als 5000 Apotheken erhältlich. Es rauscht ordentlich im Blätterwald der kostenlosen Gesundheitspostillen, die für hohe dreistellige Millionenumsätze sorgen.