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Merkozy im Wahlkampf

7. Februar 2012

Bis dass die Wahl euch scheidet? Die deutsche Kanzlerin Merkel macht Wahlkampf für Frankreichs Präsidenten Sarkozy. Das "alte Ehepaar" Merkozy will zusammenbleiben, denn ein Partnertausch wäre kompliziert.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy im Elysée-Palast in Paris (Foto: dapd)
Bild: dapd

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy Seite an Seite, in trauter Einheit, die Fernsehkameras auf sie gerichtet. Dieses Bild ist aus der europäischen Politik momentan nicht mehr wegzudenken. Für das deutsche und französische Fernsehen gab es am Montag (06.02.2012) eine Neuauflage: Merkozy – wie sie scherzhaft genannt werden – in einem gemeinsamen Interview in einem prunkvollen Saal des Elysée-Palastes in Paris. Natürlich ging es um Europa und die deutsch-französischen Beziehungen, aber es ging auch um Wahlkampf.

Die Kanzlerin unterstützt ihren französischen Kollegen, denn in zweieinhalb Monaten stehen in Frankreich Wahlen an, und Sarkozy schwächelt. In Umfragen liegt er deutlich hinter seinem sozialistischen Herausforderer François Hollande. Sarkozy hat seine Kandidatur noch nicht offiziell gemacht, aber bekommt bereits Rückendeckung aus Deutschland: "Ich unterstütze Nicolas Sarkozy, egal was er tut", betonte Merkel. Ihr Zusatz "- in Bezug auf seine Kandidatur -" ging im Gelächter der Journalisten unter.

Die Familie unterstützt sich
Merkel betont, dass Sarkozy und sie einer Parteifamilie angehörten, und dass sie ihn nur als Vorsitzende ihrer christdemokratischen Partei CDU, nicht aber als Kanzlerin unterstütze. Diese Trennung hält der Bonner Politikwissenschaftler und Merkel-Biograf Gerd Langguth allerdings nicht für realistisch: "Natürlich ist das ein Trick. Sie betont die parteipolitische Gemeinsamkeit, aber in den Augen der Franzosen geht sie als Bundeskanzlerin in den Wahlkampf." Das ließe sich nicht trennen, meint Langguth im Deutsche Welle-Interview.

Trotzdem hält der Politikwissenschaftler die Zusammenarbeit und Unterstützung in der heutigen Zeit für ganz normal. "Die nationalen Souveränitäten schwinden. Die europäische Politik ist immer mehr auch deutsche und französische Innenpolitik. Ich halte es für ganz vernünftig, dass beide miteinander auftreten. In dieser Dimension ist die politische Zusammenarbeit historisch allerdings nicht vergleichbar."

Zu viel Deutschland für die "Grande Nation"?

Kritiker werfen Sarkozy vor, er habe sich in eine beispiellose Schicksalsgemeinschaft mit Merkel begeben. In einem Interview im französischen Fernsehen erwähnte er innerhalb einer Stunde fünfzehn Mal den Begriff "Deutschland". In Frankreich wird darüber gestritten, wie viel Deutschland die "Grande Nation" Frankreich noch ertragen kann, auch wenn die Kanzlerin Gerd Langguth zufolge ein außerordentlich hohes Ansehen in Frankreich genießt. Einer Studie des französischen Meinungsforschungsinstituts IFOP zufolge verkörpert Merkel aus Sicht der Franzosen typisch deutsche Eigenschaften: Fleiß, Ernsthaftigkeit, Disziplin bei der Arbeit und Rechtschaffenheit. Bei den Franzosen scheint das anzukommen - und davon will Sarkozy profitieren.

Der Politikwissenschaftler glaubt, dass der französische Präsident Merkel momentan mehr braucht als umgekehrt. "Für Merkel ist das eine angenehme Pflicht. Sie hat ja manches Mal Streit gehabt mit ihm. Jetzt ist Sarkozy der Bittsteller. Sie wird darüber amüsiert sein." Zu Beginn der weltweiten Finanzkrise musste Merkel sich noch den Vorwurf Sarkozys gefallen lassen, dass Deutschland denke, Frankreich aber handele.

Das alte Ehepaar Angela und Nicolas

Über solche Sticheleien sind Merkel und Sarkozy mittlerweile hinweg, auch aus praktischen Gründen. In Frankreich und Deutschland leben zusammen fast 150 Millionen Menschen, jeder dritte bis vierte Einwohner der Europäischen Union ist entweder Deutscher oder Franzose. Wenn diese beiden Nationen sich in deutlich verschiedene Richtungen bewegen, ist laut Politikwissenschaftler Langguth die Idee Europa in Gefahr. "Nur wenn Deutschland und Frankreich gemeinsame Sache machen, kann das zu einem europäischen Mehrwert führen. Sarkozy und Merkel haben sich aneinander gewöhnt wie ein älteres Ehepaar, das sich aufeinander zubewegt hat und sich sagt: Wir müssen gemeinsam zu unseren Entscheidungen stehen."

Seit Jahrzehnten sind die deutsch-französischen Beziehungen bemerkenswert. Historiker und Politikwissenschaftler sehen darin ein Fundament, auf dem das europäische Einigungswerk fußt. An die Stelle von Erbfeindschaft und erbittertem Kampf gegeneinander – zuletzt in zwei Weltkriegen - ist eine politische Partnerschaft getreten. Und die Zusammenarbeit ging nicht nur über Ländergrenzen hinweg, sondern auch über Parteigrenzen. Ein gutes Beispiel dafür sind der französische Sozialist François Mitterrand und der CDU-Kanzler Helmut Kohl. Sie haben über weite Strecken Einigkeit demonstriert. Als Symbol dafür ging das Bild von Kohl und Mitterrand um die Welt, in dem sie Hand in Hand nebeneinander stehen, gefallener Weltkriegs-Soldaten gedenkend.

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy beim gemeinsamen TV-Interview in Paris (Foto: dapd)
Sarkozy und Merkel beim TV-Interview in ParisBild: dapd
Gerd Langguth, Bonner Politikwissenschaftler und Merkel-Biograf (Foto: Regani)
Merkel-Biograf und Politik-Wissenschaftler Gerd LangguthBild: Regani

Da weiß man, was man hat
Auch SPD-Kanzler Helmut Schmidt und der erzliberale Valéry Giscard d´Estaing gingen ähnliche Wege, meint der Mainzer Politologe Johannes Becker, und ergänzt: "Die SPD etwa hat sich auch Schützenhilfe vom damaligen österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky, selbst Sozialdemokrat geholt." Beim vergangenen Bundestagswahlkampf 2009 unterstützte Sarkozy die deutsche Bundeskanzlerin, indem er an ihrer Seite zu Gästen der CDU sprach. Jetzt scheint die Revanche dafür anzustehen.

Politikwissenschaftler Langguth zufolge hat Angela Merkel außen- und europapolitisch mittlerweile auch keine andere Wahl, als den Schulterschluss mit Sarkozy zu üben. "Bei Sarkozy weiß sie, wen sie hat." Der sozialistische Präsidentschaftskandidat Hollande dagegen droht damit, die Europapolitik der Kanzlerin zum Scheitern zu bringen. Zu unterschiedlich scheinen die politischen Auffassungen, vor allem beim der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse der europäischen Staaten. Merkels Unterstützung für Sarkozy ist also mehr als nur Gefälligkeit, sondern durchaus auch Selbstschutz.

Autor: Klaus Jansen
Redaktion: Annamaria Sigrist

Helmut Kohl und François Mitterrand in Verdun (schwarz/weiß, Foto: AP)
Helmut Kohl und François Mitterrand in VerdunBild: AP