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Merkels Meisterstück

Karl Zawadzky, zurzeit Heiligendamm8. Juni 2007

Für Bundeskanzlerin Merkel war der G8-Gipfel in Heiligendamm eine Sternstunde ihrer Macht. Die Kanzlerin war eine gute Gastgeberin und hat gleichzeitig dem Gipfel ihren Stempel aufgedrückt, meint Karl Zawadzky.

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Bild: DW

Das Ergebnis der Beratungen im Kreis der Staats- und Regierungschefs ist beachtlich, wenn auch längst nicht alle Blütenträume in Erfüllung gegangen sind. Jedenfalls sehen sich all jene eines Besseren belehrt, die im Vorfeld nicht mehr als einen kräftigen Schlag ins Wasser befürchtet hatten.

Die Kanzlerin hat erheblichen Anteil am Erfolg. Mit Charme, Zielstrebigkeit und Verhandlungsgeschick hat sie einen großen Teil von dem, was sie sich vorgenommen hatte, durchgesetzt. US-Präsident George W. Bush hat seine Ignoranz in Sachen Klimawandel überwunden, Italiens Ministerpräsident Romano Prodi sich einer neuen Anstrengung für Afrika am Ende nicht verschließen können. Der russische Präsident Wladimir Putin und Bush haben in Heiligendamm versucht, einen Rückfall in den Kalten Krieg zu verhindern.

Historischer Wendepunkt?

Konkrete Verpflichtungen zur Wahrung der Klimaziele sind nicht erreicht worden. Aber es gibt jetzt eine gemeinsame Basis, von der aus weitere Schritte möglich sind. Und es gibt ein gemeinsames Ziel, nämlich die Halbierung der klimaschädlichen Emissionen an Treibhausgasen bis zum Jahr 2050. Es ist Aufgabe der Umweltminister, im Rahmen eines UNO-Prozesses eine Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll auszuarbeiten.

Es kann sehr gut sein, dass der G8-Gipfel von Heiligendamm im historischen Rückblick als ein Wendepunkt nicht nur im Kampf gegen die Erderwärmung, sondern auch im Verhältnis zwischen den Industriestaaten und den Schwellenländern erkannt wird. Denn die G8 haben nicht nur eingesehen, dass sie allein die globalen Probleme nicht mehr lösen können, sondern dass sie dafür die Hilfe zum Beispiel von China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika benötigen. Noch wollen die G8 ihren exklusiven Klub nicht erweitern, sondern lediglich in einen strukturierten Dialog mit den Aufrückern eintreten, den Merkel als "Heiligendamm-Prozess" bezeichnet. Auf die Dauer kann es aber dabei nicht bleiben. Die Schwellenländer gehören mit an den Verhandlungstisch.

Im Zentrum der Weltpolitik

Das ist ebenso unumgänglich wie eine Fortsetzung des Dialogs mit Afrika. Recht haben die Afrikaner, die in Heiligendamm nicht nur weitere Hilfen einforderten und Leistungen im Wert von 60 Milliarden Dollar für den Kampf gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria zugesagt erhielten, sondern die auch, und dies vor allem, darauf pochten, dass den Worten auch Taten folgen. Recht haben aber auch die G8 mit ihrer Forderung nach guter Regierungsführung in Afrika, nach wirksamen Maßnahmen gegen Korruption und Fortschritten bei der Demokratie. Und nur zu begrüßen ist die Verständigung darauf, dem G8-Gipfel des kommenden Jahres in Japan Fortschrittsberichte für die Einhaltung der beiderseitigen Zusagen vorzulegen.

Ein kleiner Ort in der Nordost-Ecke Deutschlands war für drei Tage das Zentrum der Weltpolitik. In Heiligendamm sind von Staats- und Regierungschefs der großen Industrienationen, der Schwellen- und Entwicklungsländer die globalen Probleme diskutiert wurden. Dass es nicht bei der Diskussion geblieben ist, sondern dass Fortschritte erreicht worden sind, ist nicht zuletzt dem charmanten und im richtigen Augenblick energischen Verhandlungsstil von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verdanken. Sie hat den Gipfel ihrer Macht erreicht.

Aufmärsche junger Menschen sind hilfreich

Die Demonstrationen, die mittlerweile jede internationale Großkonferenz begleiten, haben die Beratungen am Konferenztisch nicht gestört. Randalierer sind nicht nur von der Polizei, sondern auch von friedlichen Demonstranten in die Schranken gewiesen worden. Der Druck von Nichtregierungsorganisationen ist durchaus hilfreich für Fortschritte beim Klimaschutz, bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei der Sicherung des Friedens. Mit ihren Aufmärschen haben junge Menschen aus zahlreichen Ländern den Politikern deutlich gemacht, dass Abwarten, Vertagen und inhaltsleere Formelkompromisse keine Option mehr sind.