1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel und May - ein gelungener Auftakt

Kay-Alexander Scholz, Berlin20. Juli 2016

Die erste Auslandsreise - ein Novum - führte die englische Premierministerin Theresa May von London nach Berlin. Trotz Brexit soll die Achse stark bleiben. Das sieht die Kanzlerin auch so, harte Verhandlungen inklusive.

https://p.dw.com/p/1JSdG
Deutschland Berlin Angela Merkel und Theresa May
Bild: Getty Images/AFP/J. Macdougall

Der Besuch in Berlin war knapp terminiert: 17:30 Uhr Empfang mit militärischen Ehren. Schon 45 Minuten nach einem Face-to-Face-Meeting und vor dem Dinner eine gemeinsame, dazwischen geschobene Pressekonferenz im Kanzleramt. Schließlich soll die Presse rechtzeitig zu den Hauptnachrichten mit Bildern dieses wichtigen Zusammentreffens versorgt werden. Letztendlich aber verspäteten sich Angela Merkel und Theresa May um 20 Minuten.

Für die rekordverdächtig vielen Journalisten im Kanzleramt kam die Wartezeit ganz gelegen, weil man sich so ausführlich über Mays Schuhe unterhalten konnte. Sie trug Leoparden-Pumps, also die Schuhe, die sie auch beim Antrittsbesuch bei Queen Elisabeth trug. Ein Zeichen der Hochachtung für die ungekrönte Königin Europas, so spekulierten manche.

Es gibt ja nicht nur den Brexit

Wie auch immer, Merkel und May wirkten zunächst sehr angestrengt, als sie zu den Rednerpulten gingen. Die Schwere der Themen-Agenda stand ihnen ins Gesicht geschrieben.

In ihren Statements gingen beide Regierungschefs sehr aufeinander zu. May betonte, dass Großbritannien auch nach dem Brexit immer ein Teil Europas bleiben werde und man sich keinesfalls von Freunden trennen wolle. Beide Länder verbinde der Glaube an freie Märkte und Wachstum, sowie die internationalen Herausforderungen wie die Syrien- oder die Ukraine-Krise. Diese Partnerschaft gelte es fortzuführen, sagte May.

Auch Merkel verbreitete keine Weltuntergangsstimmung. Die ähnlichen Überzeugungen und Werte blieben trotz des Brexit erhalten, genauso wie die Zusammenarbeit im G7- und G20-Format oder in der NATO.

Lieblingswort "konstruktiv"

Zum Thema, wie der Brexit ablaufen solle, tauschten beide schon bekannte Positionen aus. Überraschungen waren nicht zu hören. Merkel erinnerte an Artikel 50 und betonte, dass es vorher keine Verhandlungen geben dürfe. May sagte: Brexit ist Brexit.

Interessanter war die Tonlage, die vor allem May vorgab: Auffällig häufig verwendete sie das Attribut "konstruktiv" und sprach davon, dass der Brexit ein Erfolg werden solle. Das hieße: Den Willen des britischen Wählers zu repräsentieren, aber auch die Interessen der anderen Europäer nicht zu vergessen. Nicht vor Ende des Jahres würden die Ziele für den Prozess der Abspaltung klar sein können. Merkel zeigte viel Verständnis: Gut definierte Positionen seien in beiderseitigem Interesse, Unruhe sei unnötig.

Merkel sorgte für Lacher

Als die Statements vorbei waren, durften die Journalisten fragen. Bei der Antwort auf die erste Frage bestätigten May und Merkel die Vermutung politischer Beobachter, dass beide aufgrund einer ähnlichen Sozialisation eigentlich ganz gut miteinander könnten. "Ich denke, es ist schon wichtig, dass hier zwei Frauen stehen, die ein sehr konstruktives Gespräch geführt haben", sagte May mit ausholender Geste, "zwei Frauen, die sich sagen: So, jetzt wollen wir die Arbeit aber mal anfangen." Merkel antwortete mit einem trockenen "Genau!", woraufhin viele lachen mussten, und ergänzte breit lächelnd "Dem schließe ich mich vollinhaltlich an!".

In der nun aufgelockerten Stimmung ließ Merkel durchblicken, dass sie sich eigentlich sogar auf die Verhandlungen freue. Schließlich seien die Britten für ihre taktisch kluge und interessante Verhandlungsstrategie auf Augenhöhe bekannt. Von Merkel weiß man, dass sie gerade schwierigste Situationen als Herausforderung schätzt. Mit May scheint sie einen guten Sparringspartner gefunden zu haben.

Diese machte noch einmal mit fester Stimme klar, dass in Großbritannien die Zahl der EU-Migranten auf eine "tragfähige" Zahl reduziert werden müsse. "Das müssen wir liefern." Doch genau diese Einschränkung der EU-weiten Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt als großes Hindernis für den angestrebten Zugang zum EU-Binnenmarkt.

Am Ende gingen beide sichtlich erleichtert, ja plaudernd in Richtung Abendessen. Von draußen leuchtete durch die Scheiben des Kanzleramts ein strahlendes Sommerabend-Licht in das Foyer.

Ungefähr um 20:30 Uhr flog May zurück nach London. Am Donnerstag steht schon der nächste Besuch an - in Paris. Dass Berlin Station ihrer ersten Auslandsreise war, ist ein Novum in der britischen Politik.