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Menschenrechtsgruppen kritisieren Thailand

Gabriel Dominguez | re11. September 2014

Willkürliche Verhaftungen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, Folter - ein neuer Bericht von Amnesty International wirft der Militärregierung in Thailand systematische Menschenrechtsverletzungen vor.

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Thailand Militärputsch
Bild: Reuters

"Ich habe ihnen gesagt, dass ich das Recht habe, mit meinem Anwalt und meiner Familie zu sprechen. Sie haben nur gesagt, ich solle das Maul halten. 'Du bist ein Gefangener und hast nicht das Recht zu sprechen.'" Die Schilderungen stammen von einem Thailänder und sind in einem umfangreichen Bericht der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International (AI) zu finden.

Seit Inkrafttreten des Kriegsrechts (20.05.2014) und der anschließenden Machtergreifung durch das thailändische Militär hat AI alle bekanntgewordenen Menschenrechtsverstöße dokumentiert. Der am Donnerstag (11.09.2014) von AI veröffentlichte Bericht beschuldigt die Militärregierung der willkürlichen Verhaftung Hunderter Personen, der systematischen Einschränkung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit und des unangemessen harten Vorgehens gegen unabhängige Medien.

Darüber hinaus wirft der 65-seitige Bericht der Militärregierung vor, die Institutionen und das Rechtssystem des Landes im Sinne der Junta zu verändern. So sollen politische Aktivitäten und möglicher Dissens im Keim erstickt werden. "Dreieinhalb Monate nach dem Putsch zeigen unsere Untersuchungen das Bild weitverbreiteter und weitreichender Menschenrechtsverletzungen durch die Militärregierung", sagt Richard Bennett, Direktor von Amnesty International für die Region Asien-Pazifik.

Ein notwendiger Putsch?

Der Mann hinter dem Putsch, General Prayuth Chan-ocha, hat immer argumentiert, dass der Putsch vom 22. Mai notwendig gewesen sei, um weiteres Blutvergießen nach den monatelangen Protesten zu verhindern. 28 Menschen waren bei den Demonstrationen ums Leben gekommen und mehrere Hundert verletzt worden.

Thailand Militärputsch PK Armeechef Chan-ocha 2.05.2014
Prayuth fordert "neue Thailänder"Bild: Pornchai Kittiwongsakul/AFP/Getty Images

Das Militär erhebt den Anspruch, Thailand aus dem Teufelskreis von politischer Instabilität und Putsch endgültig zu befreien. General Prayuth, der im August von einer vom Militär dominierten gesetzgebenden Versammlung zum Übergangspremierminister gewählt wurde, stellt Neuwahlen frühestens für Oktober 2015 in Aussicht. Der "Nationale Rat für Frieden und Ordnung", wie sich das Führungsgremium des Militärs selbst nennt, versucht mit einer nationalen "Happiness-Kampagne" für gute Stimmung zu sorgen. Sie soll ausländische Investoren, Touristen und die eigene Bevölkerung überzeugen, dass die Ordnung in Südostasiens zweitgrößter Volkswirtschaft wiederhergestellt wurde.

Fatale Gesetzesänderungen

Ein zentraler Kritikpunkt sind die weitreichenden Änderungen des thailändischen Rechts. Wenige Wochen nach dem Putsch hat das Militär die Verfassung von 2007 und damit die politischen und bürgerlichen Rechte außer Kraft gesetzt. Die neue Übergangsverfassung, die im Juli verabschiedet wurde, erlaubt der Militärregierung immer dann einzugreifen, wenn ihrer Ansicht nach Frieden und Sicherheit des Landes gefährdet seien.

Militärputsch in Thailand
Nur wenige Menschen wagen es, sich gegen den Putsch zu stellenBild: Holger Grafen

Seit der Machtergreifung hat das Militär über 200 Verordnungen und Erlasse verabschiedet. Einen Großteil dieser Verordnungen halten Beobachter mit Menschenrechten für unvereinbar. "Viele dieser Gesetze und Verordnungen verstoßen gegen geltende und international anerkannte Menschenrechte", erklärt der Autor des AI-Berichts.

Totalitäre Züge

Auch Gregory Poling, Thailand-Experte des Zentrums für strategische und internationale Studien in Washington (CSIS), beschreibt die Situation als immer restriktiver. "Die Militärregierung hat private Radiostationen geschlossen, geht verstärkt gegen Soziale Medien vor und hat insgesamt eine Atmosphäre der Selbstzensur, sowohl unter Journalisten als auch unter Intellektuellen, erzeugt."

Besonders besorgniserregend sei - und das unterscheide den Putsch von 2014 von dem davor im Jahr 2006 - das Maß, in dem die Junta versucht, nicht nur öffentlichen, sondern auch privaten Widerspruch zu unterbinden. "Willkürliche Verhaftungen werden als 'Auszeiten' und Möglichkeiten zur 'Reflexion' beschönigt. Es gibt Aufforderung abweichende Meinungen etwa der Nachbarn an die Polizei weiterzugeben. Das hat eine Atmosphäre von Unsicherheit, Angst und Misstrauen erzeugt", so Poling. Der Versuch, private Gedanken und Meinungen zu kontrollieren, gehe weit über einen autoritären Staat hinaus und habe beunruhigend totalitäre Züge.

Thailand Militärputsch Soldat 30.05.14
Das Militär inszeniert sich selbst als "Freund und Helfer"Bild: Reuters

Permanente Todesangst

Erst kürzlich wurden außerdem Vorwürfe von Misshandlungen und Folter laut. So würde das Militär Gefangene verprügeln, ersticken und sogar zum Schein hinrichten. "Wenn ich zu langsam oder gar nicht geantwortet habe, wurde ich ins Gesicht, den Magen, auf Arme und Beine geschlagen. Am schlimmsten war, als sie mir erst eine Plastiktüte und dann einen Sack über den Kopf gezogen haben. Ich fiel in Ohnmacht und kam erst wieder zu mir, als sie mir Wasser ins Gesicht schütteten. Ich hatte permanente Todesangst." So schildert der politische Aktivist Kritsuda Khunasen, der fünf Tage nach dem Putsch verhaftet worden war, seine Erlebnisse gegenüber AI.

Thailand hat Verpflichtungen

Aufgrund der gegenwärtigen Entwicklungen rufen Menschenrechtsorganisationen die thailändischen Autoritäten dazu auf, die "missbräuchlichen" Gesetze und alle Anschuldigungen gegen Privatpersonen wegen angeblicher Überschreitungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung zurückzunehmen. "Thailand ist internationale Verpflichtungen eingegangen, die im Namen der 'nationalen Sicherheit' nicht einfach aufgehoben werden können", so Bennet von AI. Amnesty International fordert zugleich, dass die internationale Gemeinschaft alle Möglichkeiten - auch die gegenwärtige Sitzung der UN-Menschenrechtskommission - nutzt, um die Junta zu einem Kurswechsel zu bewegen.