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Deutschland verurteilt

17. Dezember 2009

Ein 52-jähriger Häftling wurde zu Unrecht von der deutschen Justiz rückwirkend zu unbegrenzter Sicherungsverwahrung verurteilt. Er hätte bereits 2001 in die Freiheit entlassen werden sollen.

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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (Foto: AP)
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in StraßburgBild: AP

Deutschland hat mit einer rückwirkenden Sicherungsverwahrung eines Gewaltverbrechers gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof gab am Donnerstag (17.12.2009) dem 52-jährigen Mann Recht und verurteilte die Bundesregierung in Berlin zur Zahlung von 50.000 Euro Schmerzensgeld. Der Anwalt des Inhaftierten forderte die sofortige Freilassung seines Mandanten.

Sicherungsverwahrung auf unbegrenzte Zeit verlängert

Stacheldraht vor Gefägnisturm (Foto: AP)
Sicherungsverwahrung ist seit 1998 für unbegrenzte Zeit möglichBild: AP

Der Verbrecher hatte dagegen geklagt, dass eine 1998 eingeführte Bestimmung über unbegrenzte Sicherheitsverwahrung rückwirkend auf ihn angewendet wurde. Eigentlich hätte er 2001 freigelassen werden sollen. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine entsprechende Beschwerde 2004 abgelehnt.

Der im hessischen Schwalmstadt einsitzende Mann war nach einer längeren kriminellen Karriere 1986 in Marburg wegen versuchten Raubmords zu fünf Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Damals galt für diese eine Höchstzeit von zehn Jahren. 2001 wurde die Sicherheitsverwahrung des Häftlings auf unbegrenzte Zeit verlängert. Mehrere Anträge auf Aufhebung der Maßnahme waren zuvor abgelehnt worden, unter anderem wegen Schlägereien mit Mithäftlingen und Beleidigungen des Gefängnispersonals.

Verstoß gegen Menschenrechtskonvention

Das Urteil gründet sich auf Artikel Sieben der Menschenrechtskonvention, der rückwirkende Strafverschärfung verbietet. Die Verlängerung über den Zeitraum von zehn Jahren hinaus stelle eine zusätzliche Strafe dar, entschied das Menschenrechtsgericht. Damit habe man zugleich gegen das "Recht auf Freiheit" verstoßen. Die von den deutschen Gerichten festgestellte Gefahr, dass der Kläger bei einer Freilassung weitere schwere Straftaten begehen könnte, sei nicht konkret genug.

In Deutschland sind nach Angaben des Gerichtshofes etwa 70 Häftlinge in einer ähnlichen Situation. Prinzipiell ist Deutschland zur Umsetzung von Urteilen des Gerichtshofs verpflichtet. Allerdings ist das Urteil noch nicht abschließend, da Deutschland eine neue Verhandlung vor einer anderen Kammer beantragen kann.

Autor: Jan Bruck (dpa, kna)

Redaktion: Frank Wörner