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Politik

Pakistans Kampf gegen den Journalismus

Kommentarbild Umer Ali
Umer Ali
5. Juli 2021

In Pakistan werden Journalisten für kritische Berichterstattung gefeuert, belästigt und angegriffen. Aber Hilfe erhalten sie von ihrer Regierung nicht. Die spottet und verunsichert sie damit noch mehr, meint Umer Ali.

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Sieben pakistanische Männer mit Protestplakaten "Media is truth - let truth prevail" und "Internationaler Tag der Pressefreiheit" sitzen auf einer Treppe
Protest für mehr Pressefreiheit in Pakistans Metropole KarachiBild: Ilyas Dean/Dean Pictures/imago images

Pakistan ist das Land der Euphemismen. Man findet sie überall: von männlicher Impotenz bis zum gefürchteten Geheimdienst - für alles "Sensible" gibt es eine Beschönigung.

Das Militär und seine Geheimdienst-Einheiten gehören natürlich zu den "sensiblen" Instanzen im Land. Sie werden nicht gerne beim Namen genannt. Wenn also Journalisten oder andere Personen in der Öffentlichkeit über sie sprechen, dann haben sie einen ganzen Strauß von Euphemismen parat: das Militär ist "das Establishment". ISI (Inter-Service Intelligence), die führende Spionage-Einheit, ist die "Landwirtschaftsabteilung" oder auch einfach "die Aliens". Das Verschwindenlassen von Menschen läuft unter "Reisen in die nördlichen Gebiete".

Asad Ali Toor pakistanischer Journalist
Brutal zusammengeschlagen: Der pakistanische Journalist Asad Ali ToorBild: Privat

Ich war also ziemlich erstaunt, als mir Asad Ali Toor, ein pakistanischer Journalist, erklärte, zwei Vertreter des ISI hätten ihn vergangenen Monat in seinem Haus angegriffen. Er wurde gefesselt, geknebelt und mit einem Gewehrkolben verprügelt. Allein in den vergangenen Monaten ist er schon der zweite Journalist, der schwer misshandelt wurde. Erst im April wurde auf Absar Alam, einen prominenten Journalisten und Kommentator, direkt vor seiner Haustür geschossen. Beide hatten das Militär, vor allem den ISI, nur Tage vor diesen Angriffen kritisiert.

Keine Strafen für Attacken

Im Juli 2020 wurde Matiullah Jan, ein weiterer prominenter Journalist, vor der Schule seiner Frau "abgeholt". Zum Glück wurde diese Entführung aufgezeichnet und nach heftigen Protesten wurde er in der Nacht wieder freigelassen. All diese Angriffe fanden statt in der Hauptstadt Islamabad, die für ihr ausgedehntes Überwachungssystem mit Kameras bekannt ist. Trotzdem wurden die Schuldigen noch nicht gefunden.

Noch schlimmer ist: Journalisten, die gegen diese Angriffe protestieren, müssen ebenfalls mit unangenehmen Konsequenzen rechnen. Pakistans bekanntester Nachrichten-Präsentator zum Beispiel, Hamid Mir, durfte bei seinem Sender nicht mehr moderieren, nachdem er das Militär bei einer Protestveranstaltung gegen den Angriff auf Asad Ali Toor kritisiert hatte. Er sagte, auch seine Familie sei bedroht worden. Mir entschuldigte sich später und erklärte, er habe das Militär nicht "diffamieren" wollen. Der Eigentümer der Mediengruppe, zu der sein Sender gehört, hatte monatelang im Gefängnis gesessen, wegen "politisch motivierter Anschuldigungen", wie es Human Rights Watch formulierte. Mir selbst wird, wie anderen kritischen Journalisten, Aufstachelung zum Aufruhr vorgeworfen.

Kommentarbild Umer Ali
DW-Redakteur Umer AliBild: Privat

Die Attacken gegen Journalisten sind Teil eines breiteren Angriffs auf bürgerliche Freiheiten in Pakistan. Einer ganzen Reihe von Menschenrechtsaktivisten und Oppositionspolitikern droht Haft und Anklage wegen Verrat.

"Schutzgesetze für Journalisten"

Journalisten und Menschenrechtsgruppen machen zwar das Militär verantwortlich, aber die Regierung von Imran Khan versteht es, die öffentliche Wahrnehmung zu manipulieren. In einem BBC-Interview etwa prahlte der pakistanische Informationsminister, er habe die Attacke auf Asad Ali Toor zur Kenntnis genommen. Auf die Frage, welche Rolle denn dabei der ISI gespielt habe, erklärte er, es sei in westlichen Medien gerade in Mode, Nachrichtendienste zu beschuldigen. Es gäbe Leute, die würden lügen, um in Europa Asyl zu bekommen. Oder, wie es der Minister ausdrückte, "die Erlaubnis zur Einwanderung" zu erhalten. Khan selbst hat sogar behauptet, die Medien in Pakistan seien freier als in Großbritannien.

Ähnlich doppelzüngig verfolgt Khans Regierung Pläne sowohl für ein "Schutzgesetz für Journalisten" als auch für eine Verordnung zur Einrichtung einer "Entwicklungsbehörde für Medien". Diese wurde von Journalisten und Rechtsorganisationen als "drakonisch im Umfang und verheerend in ihrer Wirkung" bereits einstimmig abgelehnt. 'Dawn', die hochangesehene englischsprachige Tageszeitung des Landes, bezeichnete die Verordnung als "Kriegserklärung an die Journalisten". Die vorgeschlagene Behörde könnte über Zeitungen, Radio, TV und soziale Medien eine beinahe vollkommene Kontrolle ausüben.

Die ganze Welt kann es sehen

Als jemand, der die Pressefreiheit in Pakistan seit einigen Jahren journalistisch begleitet, sind die üblen Absichten der Regierung mehr als offensichtlich für mich. Ich habe den Angriff auf die Tageszeitung "Dawn" dokumentiert, der darin bestand, zunächst ihre Verbreitung zu unterbinden. Dann wurden die Journalisten belästigt, die mit ihr in Verbindung standen und diese "anti-staatlicher" Aktivitäten beschuldigt.

Mit oder ohne Euphemismen: Klar ist, dass das pakistanische Militär keinen unabhängigen Journalismus mag. Indem sie die Angriffe auf den Journalismus unterstützt und diejenigen, die attackiert werden, so lange manipuliert und verunsichert, bis sie an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifeln, hat sich auch die Regierung Khan klar auf eine Seite gestellt. Und die ganze Welt kann das sehen.