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Politik

Die gefährliche Ohnmacht der jungen Wähler

25. September 2021

Die demografische Entwicklung in Deutschland ändert die demokratischen Spielregeln. Nicht die jungen, sondern die alten Wähler entscheiden über die Politik der Zukunft. Gefahr im Verzug, meint Astrid Prange.

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Deutschland Berlin | Fridays for Future | Greta Thunberg
Greta Thunberg bei der Fridays for Future Demonstration am Freitag in BerlinBild: Michael Sohn/AP/picture alliance

Haben junge Wähler in Deutschland die Chance, ihre Interessen politisch durchzusetzen? Auch wenn ich diese Frage nur zu gerne mit 'Ja' beantworten möchte, lautet die ehrliche Antwortet leider 'Nein'. 

In Deutschland entscheidet die ältere Bevölkerung über die politische Zukunft des Landes, auch bei den Bundestagswahlen an diesem Sonntag wird es so sein.

Ihre demografische Vormachtstellung ist erdrückend: Laut offizieller Statistik sind in Deutschland 57 Prozent aller Wahlberechtigten älter als 50 Jahre. Die Wähler unter 30 machen gerade einmal 14,4 Prozent aus.

Klimaschutz ist wichtig, Rente ist wichtiger

Nicht nur die Wähler sind alt, auch die Politiker. Im aktuellen Bundestag sind nur drei der insgesamt 709 Abgeordneten unter 30. Und unter den insgesamt 6211 Kandidaten für den neuen Bundestag sind 1032 unter 30 Jahre alt.

Kommentarbild Astrid Prange
DW-Redakteurin Astrid Prange de OliveiraBild: DW/P. Böll

Man kann es drehen und wenden, wie man will: In Deutschland haben die Interessen junger Wähler ohne Unterstützung der Alten keine Chance. Dies spiegelt sich vor allem in der Debatte um ein Thema wider, das für junge Menschen besonders wichtig ist: Klimaschutz.

Je nach Umfrage fällt die Rückendeckung der älteren Generation für dieses Thema unterschiedlich aus. Laut DeutschlandTrend sieht eine deutliche Mehrheit der Deutschen, nämlich 81 Prozent, großen Handlungsbedarf beim Klimaschutz. 

Bei einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Naturschutzbundes NABU von Juli und August hingegen kam heraus, dass nur rund 30 Prozent der über 50-Jährigen bei ihren Wahlentscheidungen die "Klima- und Naturschutzinteressen der jungen Generation" mit einbeziehen.

Neue Politik mit alten Männern?

Bei diesen Wahlen wird vielleicht der älteste aller Kanzlerkandidaten die Gelegenheit haben, politische Weichen zu stellen, die für Veränderungen sorgen. Olaf Scholz, Finanzminister und Sozialdemokrat, Jahrgang 1958, will mit den Grünen eine Regierung bilden und den Klimaschutz vorantreiben.

Jung und ohne Stimme?

Die Macht der alten Männer ist ein Faktor, der Deutschland mit vielen Ländern verbindet. In den USA zog Joe Biden (78 Jahre) ins Weiße Haus ein. Und in Brasilien werden im kommenden Jahr wahrscheinlich zwei ältere Männer bei den Präsidentschaftswahlen gegeneinander antreten: Präsident Jair Bolsonaro (66 Jahre) und Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (75 Jahre). 

Auch wenn alle Parteien sich um junge Wähler bemühen: Inhaltlich achten sie darauf, die älteren Wähler nicht zu verschrecken. Kanzlerkandidat Olaf Scholz ging in einem seiner Wahlkampfauftritte sogar so weit, die Raute von Kanzlerin Merkel zu imitieren und auf diese Weise Kontinuität zu suggerieren.

Die demografische Entwicklung drückt der Demokratie ihre eigenen Regeln auf. Bei der politischen Meinungsbildung haben gerade ältere Menschen einen großen Einfluss auf die jüngere Generation.

Theoretisch könnten sie mit ihrer Stimme auch die Wahlentscheidung ihrer Kinder und Enkel unterstützen und dadurch ihre demographische Übermacht einhegen. Aber in der Praxis ist dies wahrscheinlich nur eine politische Illusion. Keine Illusion ist hingegen die Gefahr, dass die Sehnsucht nach Stabilität in Stillstand umschlägt.