Mehr Mitbestimmung für Studierende
20. April 2012Für Sofia Brander und Laura Maylein ist Hochschulpolitik nichts Abstraktes. Die beiden Chemie- und Philosophie-Studentinnen engagieren sich bereits seit Beginn ihres Studiums an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg für mehr studentische Mitbestimmung. Sie sind Teil des u-astas, des unabhängigen Allgemeinen Studierendenausschusses, der den Anliegen der Studenten eine Stimme geben will.
Viel Engagement, aber wenig Mitbestimmung
Doch vor allem in Baden-Württemberg war es mit dieser Stimme bislang nicht weit her. Studentische Selbstverwaltung durch das Gremium einer Verfassten Studierendenschaft war dort – wie auch in Bayern – seit den 1970ern politisch nicht mehr gewollt. Dabei hatte die Verfasste Studierendenschaft – die gewählte Vertretung aller Studierenden an einer Hochschule – seit dem Ende des 2. Weltkrieges in Deutschland Tradition. Eingeführt wurde sie nach 1945, damit die Studenten in der Uni politische Methoden einüben können und so zu mündigen Bürgern werden.
Bis heute vertritt die Verfasste Studierendenvertretung überall in Deutschland die sozialen, kulturellen und politischen Interessen der Studenten. Überall, aber eben nicht in Bayern und Baden-Württemberg. Denn die Verfasste Studierendenschaft bietet viel Raum für kritische Studierende. Zu viel Raum, fanden frühere konservative Regierungen in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg. Deshalb wurde das Gremium in den 1970ern dort verboten – offiziell, wie es damals hieß, um linksextremen Gruppen keine Plattform an der Hochschule zu bieten.
Nach 30 Jahren: zurück zur Verfassten Studierendenschaft
Über 30 Jahre später, mit einer grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg am Ruder, soll die studentische Selbstverwaltung hierhin zurückkehren. Anfang Februar hat die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer ein entsprechendes Gesetz vorgelegt. Es soll im Sommer in Kraft treten und zum Wintersemester an den Hochschulen umgesetzt werden.
Höchste Zeit, findet Chemie-Studentin Sofia Brander. Denn obwohl sich in jedem Studiengang schon heute unzählige Studenten in Ausschüssen, Gremien und Arbeitskreisen ehrenamtlich engagierten, durften bisher immer nur zwei Vertretet eines jeden Studiengangs bei universitären Entscheidungen mitreden. "Uns wird auch von Professoren-Seite oft vorgeworfen, dass wir überhaupt keine Legitimation haben, um die Meinung zu vertreten, die wir vertreten“, beschreibt Sofia das Problem.
Eigenes Geld, eigene Projekte
Ein Problem, das auch die Politik jetzt erkannt hat. Deshalb waren Studenten aktiv zur Mitarbeit an dem neuen Gesetz aufgerufen, das der Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft den Weg ebnen soll. "Die Idee dahinter ist, den Studierenden eine einheitliche Stimme gegenüber dem Rektorat aber auch der Gesellschaft zu geben, um damit ihre Anliegen, Interessen aber auch ihre Finanzen vertreten zu können", sagt Alexander Salomon, grüner Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg. So soll die neue Studentenvertretung direkt von allen Studenten einer Hochschule gewählt werden und über eigene Finanzmittel verfügen.
Jeder Student müsste dann ab Herbst 2012 mit seinen Semestergebühren zusätzlich zehn bis fünfzehn Euro für die offizielle Studentenvertretung überweisen. Gut investiertes Geld, findet Philosophie-Studentin Laura, denn eigenes Geld mache die gewählten Vertreter unabhängiger. "Wir können dann auch selbst Verträge unterschreiben und sind dann nicht mehr einschränkbar und nicht mehr gängelbar über finanzielle und rechtliche Wege."
Näher am Puls ausländischer Studierender
Schon jetzt sei klar, sagt die 23-jährige Laura, dass mehr studentische Mitbestimmung auch mehr und bessere Angebote vor allem für ausländische Studierende bedeute. Das fange bei unabhängiger Beratung für jene an, die beispielsweise Streit in Wohnungs- oder Studienangelegenheiten hätten. Dazu gehörte aber auch kostenlose Deutschkurse und die Unterstützung beim Thema Aufenthaltsberechtigung.
Größtes Manko, findet Laura Maylein: Auch in Zukunft könnten ausländische Studierende die neue Studentenvertretung nur dann wählen, wenn sie ihr gesamtes Studium an der jeweiligen Uni absolvieren. Die gleiche Einschränkung gelte für jene, die sich zur Wahl stellen möchten. Trotzdem ist Grünen-Abgeordneter Alexander Salomon von den Vorteilen der Verfassten Studierendenschaft überzeugt: "Dort wo es unabhängige Modelle gibt, dort werden vor allem die Interessen von ausländischen Studierenden besser vertreten."