Deutsch attraktiv machen
1. März 2011Es ist ein Widerspruch, den keiner so recht erklären kann: Während Deutsch als Unterrichtsfach an der Schule weiterhin beliebt bleibt, nimmt die Zahl der Studenten, die Deutsch als Fach wählen, kontinuierlich ab. Aber sowohl für High Schools als auch für Universitäten gilt: In Zeiten knapper Kassen wird zuerst der Sprachunterricht gestrichen. Am vergangenen Wochenende trafen sich in der US-Hauptstadt Washington DC Deutschlehrerinnen und -lehrer der Region, um Maßnahmen gegen die Krise zu entwickeln. Ihr Motto: Deutsch ist cool.
Und es ist allgegenwärtig. "Gesundheit" heißt es auch hier, wenn jemand niest, für "Weltschmerz" und "Kindergarten" gibt es keine englische Übersetzung. Und wenn bei amerikanischen Sportveranstaltungen die Emotionen hochschlagen, dann wissen die Veranstalter, welches Lied sie spielen müssen, damit die ganze Arena einstimmt: den Kernkraft-400-Sport-Hymnen-Remix von Zombie Nation. Doch kaum jemand in den Football- und Eishockey-Stadien oder den Basketballarenen ist sich bewusst, dass dieser Sport-Klassiker aus Deutschland kommt.
Modern, nicht deutschtümelnd
Dass so vieles in den USA einen deutschen Ursprung hat, müsse man ausnutzen, erklärt Daniel Hamilton von der John-Hopkins-Universität. Denn der Blick müsse sich in die Zukunft richten, nicht in die Vergangenheit. Deutschtümelei habe ausgedient. Jüngere Leute wollten wissen, warum Deutschland und die deutsche Sprache relevant für sie seien. Ihm fällt als erstes der Energiebereich ein. Deutschland ist führend bei der Technik der alternativen Energien, von der viel in die USA importiert wird.
Doch nicht nur in Wirtschaft und Wissenschaft hat Deutschland viel zu bieten, natürlich auch auf kulturellem Gebiet, zum Beispiel der Musik. Und das gilt eben nicht nur für die Klassiker – siehe Zombie Nation. Deutschen Rockmusikern rät Daniel Hamilton: "Diese Leute sollten in die USA kommen, die würden ein Publikum erreichen." Und nebenbei die Popularität des Deutschunterrichts steigern. Denn emotionale Bindungen zu Menschen oder der Kultur eines Landes sind die wichtigste Motivation, eine Sprache zu lernen.
Engagierte Lehrer und kleine Klassen
Dennoch wurde in den Diskussionen der mehr als 100 Deutsch-Experten von Schulen, Universitäten und Stiftungen sowie dem Goethe-Institut und der deutschen Botschaft deutlich, dass der Erfolg und die Existenz von Deutschkursen in den USA derzeit vor allem vom persönlichen Engagement der Lehrerinnen und Lehrer abhängt. Die 16-jährige Sharon lernt seit vier Jahren an ihrer High School in Anne Arundel County in Maryland Deutsch und erklärt: "Deutsch gefällt mir, weil es sehr interessant ist - und meine Lehrerin ist ausgezeichnet."
Sharons Lob gilt Katrina Griffin, der Vorsitzenden des Deutschlehrerverbandes der Region in und um Washington. Man merkt ihr an, dass sie sich für ihr Fach engagiert, dass sie mit immer neuen Ideen ihre Schüler begeistern kann. Dabei macht sie aus der Not eine Tugend. Kleine Klassen von nur 20 bis 30 Schülern seien ein Vorteil, so die Deutschlehrerin: "Wir können viele Projekte machen, die in anderen Sprachen nicht gehen, weil die Klassen zu groß sind und der Lehrplan strikt. Außerdem machen wir Dinge, die Spaß machen." Griffin lädt ihre Schüler zum Beispiel zu einem deutschen Frühstück mit Brot und Käse ein, lässt die Berliner Mauer nachbauen oder einen deutschen Friedhof.
Amerikaner lernen keine Fremdsprachen
Es sei schwer, Amerikaner überhaupt zum Erlernen einer fremden Sprache zu motivieren, erklärt Andrea Christ, stellvertretende Leiterin der Kulturabteilung der deutschen Botschaft. Nur 30 Prozent der Amerikaner besitzen überhaupt einen Reisepass, und wenn sie in ein anderes Land reisen, kommen sie meist auch mit ihrer Muttersprache weiter. "Und andere Länder wie Frankreich, Spanien und China werben intensiv für ihre Sprachen, was Deutsch zusätzlich unter Druck setzt."
Hinzu kommt, dass die US-amerikanische Bildungspolitik Fremdsprachen nicht unbedingt fördert – der Schwerpunkt wird auf Lesen, Schreiben und Mathematik gelegt. Und in Zeiten knapper Kassen werden Sprachkurse gerne gestrichen. Dabei belegt Deutsch immerhin hinter Spanisch und Französisch gemeinsam mit Chinesisch den dritten Platz bei der Wahl der Fremdsprachen.
Netzwerke sind notwendig
Die wichtigste Erkenntnis der Tagungsteilnehmer: High Schools, Universitäten, kulturelle Organisationen und die deutsche Botschaft müssen ihre Ressourcen bündeln und ein verlässliches Netzwerk knüpfen. Claudia Bornholdt, Deutschprofessorin an der Katholischen Universität in Washington und eine der Organisatorinnen der Tagung, ist jedenfalls zufrieden mit dem Ergebnis. Deutsch in den USA habe man an diesem Tag zwar nicht gerettet, sagt sie, aber "dass wir jetzt Pläne haben für Folgetreffen, dass wir Email-Adressen ausgetauscht haben, dass da konkrete Ideen sind, ist wunderbar".
Zu dem Folgetreffen im Herbst soll der Teilnehmerkreis erweitert werden. Bornholdt hofft, dass mehr Vertreter der amerikanischen Kultusministerien auf Bundes- und Landesebene zusagen - und dass auch in anderen Teilen der USA ähnliche Konferenzen stattfinden. Denn Schülerinnen wie Sharon sollen es leichter haben, nach dem Ende der High School Deutsch als Studienfach an einer Universität zu belegen. Sharon selbst hat noch einen anderen Wunsch: Das Land, dessen Sprache sie spricht, tatsächlich einmal zu besuchen.
Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Claudia Unseld