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Fundraising steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen

19. Juni 2011

Fundraising - zu deutsch Mittelbeschaffung für einen gemeinnützigen Zweck - führt in Deutschland scheinbar noch immer ein Schattendasein. Doch haben die Geldeintreiber wirklich immer nur gute Absichten?

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Podiumsdiskussion zum Thema Fundraising auf einem Seminar der bpb. (Foto: DW)
Bild: DW

Man kann es in zahllosen Seminaren, Workshops und Weiterbildungen lernen - das Fundraising. Die Tagesordnungen dieser Kurse lesen sich wie Motivationsseminare: "Raus aus der Bettel-Ecke!" oder "Tue Gutes und rede darüber!". Seit etwa 20 Jahren wird diese Form der Akquisition von Geldern in Verbindung mit professionell angelegtem Marketing in Deutschland verstärkt praktiziert.

Tue Gutes und rede darüber

Anne Stalfort arbeitet für die Organisation Humanity in Action und für das Netzwerk DARE. Dort beschafft sie Mittel für Projekte im Bereich politische Bildung, Menschenrechtsbildung und Demokratieerziehung. Vorwiegend sammelt sie bei Stiftungen und privaten Spendern in Deutschland, Europa und den USA. Dabei hat sie festgestellt, dass es in verschiedenen Ländern ganz unterschiedliche Kulturen des Gebens und des Nehmens gibt.

Anne Stalfort, Director Cooperations von Humanity in Action Deutschland e.V. (Foto: Anne Stalfort)
Anne Stalfort beschafft Mittel, schafft aber auch Interesse für ProjekteBild: Anne Stalfort

Und auch der Zweck, für den man gibt, spiele eine Rolle, sagt Stalfort. Sie verweist darauf, dass Bildung in Deutschland traditionell eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist. Das werde dagegen in vielen anderen Ländern nicht primär als Aufgabe des Staates gesehen. Dort sei die Alphabetisierung ebenso wie eine Basis-Gesundheitsvorsorge noch eine Aufgabe des Staates. Doch alles, was darüber hinausgehe, sei Aufgabe des Einzelnen. Und somit auch Aufgabe von einzelnen wohlhabenden Individuen oder eben privaten Stiftungen, beschreibt Anne Stalfort.

Käufliche Zwecke?

Die USA zum Beispiel gehören zu den Staaten mit der größten Fundraising-Tradition im Bereich Bildung. Private Spender benötigten in Deutschland dagegen ein wenig mehr Begeisterung und Überredungskunst, um für diesen Bereich gewonnen zu werden. Aber wenn Bildung privat finanziert wird, besteht dann nicht die Gefahr, dass sie käuflich und damit lenkbar und abhängig vom Geldgeber ist?

Anne Stalfort gibt zu, dass das sicherlich vorkommen könne, wenn eine Organisation über sehr wenig Geld verfügt und um des nackten Überlebenswillens den Interessen eines Förderers ein bisschen zu sehr entgegenkommt. In der Regel werde es aus ihrer Erfahrung aber eher so sein, dass ein Förderer sich für einen bestimmten Zweck im Bereich der politischen Bildung interessiert und die gemeinnützige Organisation die Aktivitäten anbietet, um diesen Zweck zu erfüllen. In dem Fall handele es um eine ideale Partnerschaft. Auf solchen Partnerschaften zwischen Förderer und Organisation basiert erfolgreiches Fundraising.

Eine ganze Reihe von Kontrollpflichten

Eine Hand beim Geldscheine zählen. (Foto: Fotolia)
Wo viel Geld fließt, braucht es strenge KontrollenBild: Fotolia

Doch auch im gemeinnützigen Sektor gibt es Missbrauchsfälle, wie der Veruntreuungsskandal bei der Caritas vor einigen Jahren gezeigt hat. Anne Stalfort verweist darauf, dass es im Bereich Fundraising eine ganze Reihe von Kontrollpflichten gebe. Denn das Geld sei ja zum Teil den Bürgerinnen und Bürgern entzogen, weil es steuerlich begünstigt werde. Tatsächlich gibt es seit einigen Jahren neue Vorschriften im Gemeinnützigkeitsrecht, es gibt Regeln im Bereich Datenschutz und im Wettbewerbsrecht, die greifen.

Trotzdem wird auch in Bezug auf andere wohltätige Organisationen immer wieder die Frage gestellt: Wo landet das gespendete oder gestiftete Geld? Und wie viel Verwaltungsaufwand wird wie hoch abgerechnet? Anne Stalfort ist sich der Kritik durchaus bewusst und lehnt - wie auch der internationale Berufsverband der Fundraiser - eine provisionsbasierte Honorierung ab. Fundraising sei eine ganz normale Dienstleistung. Sie solle wie alle anderen Tätigkeiten in gemeinnützigen Organisationen auch nach Zeitaufwand bezahlt werden - wie Projektmanagement, Geschäftsführung, Buchhaltung oder Öffentlichkeitsarbeit.

Fundraising noch in den Kinderschuhen

Es gibt verschiedenste Formen des Fundraisings: Große Förderer spricht man am besten persönlich an, andere kontaktiert man traditionell auf entsprechenden Veranstaltungen oder schreibt ihnen. Und wieder andere Geber - eher kleinerer Geldbeträge - werden angerufen, angemailt oder in sozialen Netzwerken angesprochen. Doch das Fundraising - noch dazu in diesen neueren Formen - steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen.

Autor: Daphne Grathwohl
Redaktion: Arne Lichtenberg