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Anordnung

7. April 2011

Wenn es nach Präsident Dmitrij Medwedew geht, sollen bald alle Staatsdiener aus den Aufsichtsräten der großen Staatsunternehmen verschwinden. Unter ihnen befinden sich viele Vertraute von Premier Wladimir Putin.

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Dmitrij Medwedew und Wladimir Putin im Hintergrund (Foto: AP/dapd)
Medwedew beauftragt PutinBild: dapd

Ein Jahr vor der Präsidentenwahl hat Amtsinhaber Dmitrij Medwedew gefordert, Minister von den Schalthebeln der größten Konzerne des Landes abzuziehen. Regierungschef Wladimir Putin solle diesen Prozess bis zum 1. Juli eingeleitet haben, ordnete der Präsident an. Medwedew nannte zwar kein Datum, wann die Minister die Verwaltungsräte verlassen haben sollen, aber die Chefposten müssten bis zum 1. Oktober abgegeben werden.

Viele Minister in Verwaltungsräten

Firmenschild von Rosneft (Foto: AP)
Wechsel an der Spitze von Rosneft?Bild: AP

So steht an der Spitze des Verwaltungsrates von Russlands größtem Ölkonzern Rosneft mit einem Marktwert von über 100 Milliarden Dollar Vizepremier Igor Setschin, ein enger Vertrauter Putins. Rosneft gehört zu knapp 75,2 Prozent dem Staat.

Chef des Aufsichtsrats des russischen Erdgasmonopolisten Gasprom ist der Erste Vizepremier Wiktor Subkow. Das Unternehmen wird mit 187 Milliarden Dollar bewertet und gehört gut zur Hälfte dem Staat. Der Monopolist Transneft, durch dessen Pipelines 93 Prozent des russischen Öls fließen, hat einen Marktwert von 2,25 Milliarden Dollar. Verwaltungsrats-Vorsitzender ist Energieminister Sergej Schmatko.

Russlands größtes Geldhaus, die Sberbank, ist zu 57,6 Prozent im Besitz der Zentralbank. Chef des Verwaltungsrats ist Sergej Ignatew, ehemaliger Stellvertreter des Finanzministers. Der Marktwert der Bank liegt bei 83,5 Milliarden Dollar. Die zweitgrößte Bank des Landes, VTB, mit einem Marktwert von 36,4 Milliarden Dollar, gehört zu 75,5 Prozent dem Staat. Dem Aufsichtsrat sitzt Finanzminister Aleksej Kudrin vor. Und Verkehrsminister Igor Lewitin leitet Aeroflot, die führende Fluggesellschaft Russlands. Das Unternehmen ist zu 51 Prozent in staatlicher Hand und hat einen Marktwert von 2,8 Milliarden Dollar. Hochrangige Staatsvertreter sitzen aber auch in Verwaltungsräten weiterer wichtiger Staatsunternehmen, unter anderem der Rüstungsindustrie, der Lebensmittelbranche sowie des Kommunikations- und Medienbereichs.

Politische oder wirtschaftliche Interessen?

Portrait von Dmitrij Oreschkin (Foto: DW)
Dmitrij Oreschkin: Differenzen zwischen Medwedew und PutinBild: DW

Der russische Politologe Dmitrij Oreschkin meint, innerhalb des Tandems Medwedew-Putin seien zwei grundsätzlich verschiedene Herangehensweisen an die staatliche Verwaltung der Wirtschaft des Landes deutlich geworden. "Putin stellt die staatliche Kontrolle in den Mittelpunkt, Medwedew den wirtschaftlichen Profit", sagte er.

Beobachtern zufolge will Medwedew außerdem zeigen, dass er in der Lage ist, eigenständig vorzugehen - ohne auf Putin Rücksicht zu nehmen. Aber der politische Kampf beschränke sich nicht nur auf das Tandem, meint Igor Bunin vom russischen Zentrum für Polittechnologien. Medwedew wolle damit auch Putins nahes Umfeld schwächen. Medwedews Auftrag, Minister und andere hohe Beamte aus den Verwaltungsräten staatlicher Unternehmen nun abzuziehen, sei auch ein Signal an die Wähler, findet Bunin. "Medwedew macht bereits das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit deutlich, dass er eine eigene Politik verfolgen wird.

Portrait von Sergej Aleksaschenko (Foto: DW)
Sergej Aleksaschenko betont wirtschaftliche GründeBild: DW

Es gebe aber nicht nur politische Gründe für Medwedews Vorgehen, sondern auch wirtschaftliche, meint Sergej Aleksaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentum: "Beamte haben in den Verwaltungsräten nichts zu suchen. Sie haben oft keine Ahnung von den Unternehmen, die sie leiten." Die Direktoren würden Sitzungen der Verwaltungsräte oft fernbleiben. Dort sollten Profis sitzen, die sich um die Interessen der Unternehmen kümmern würden, so Aleksaschenko.

Zweifel an Umsetzbarkeit

Bereits 2008 hatte Medwedew gefordert, Regierungsvertreter aus den Aufsichtsräten zu entfernen - jedoch weitgehend ohne Ergebnis. Beobachter bezweifeln deshalb, dass Medwedews Anweisungen überhaupt umgesetzt und die Unternehmen aus der politischen Kontrolle entlassen werden.

Aleksaschenko meint, das werde sich erst in zwei bis drei Monaten zeigen. Seiner Einschätzung nach wird die bürokratische Maschine nicht schneller funktionieren. Oreschkin hingegen ist optimistischer: "Wenn Medwedew das jetzt vor den Präsidentschaftswahlen gesagt hat, dann ist er überzeugt, dass er seine Entscheidung auch umsetzen kann."

Autoren: Markian Ostaptschuk, Jegor Winogradow (mit rtr)
Redaktion: Bernd Johann