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Wie Afrika über Afrika berichtet

Uta Steinwehr
3. März 2021

Afrikanische Medien hängen in ihrer Berichterstattung über den Kontinent zu einem großen Teil von Quellen aus dem Ausland ab. Es liegt am Geld - und einem Glaubwürdigkeitsproblem, sagen Experten.

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Eine Kamerafrau blickt auf den Monitor, im Hintergrund ein Moderator
Im Studio eines kenianischen FernsehsendersBild: Getty Images/AFP/Y. Chiba

Wer wissen möchte, wie afrikanische Medien über den Kontinent berichten, stellt schnell fest: Dazu wurde bisher nur wenig veröffentlicht. So ging es auch Moky Makura, Direktorin der Organisation Africa No Filter, die sich für eine ausgewogene Afrika-Berichterstattung einsetzt.
Daher beauftragte die südafrikanische NGO eine Studie. Über einen Zeitraum von drei Wochen wurde die Afrikaberichterstattung von mehr als 60 Medien in 15 afrikanischen Ländern untersucht. Dazu kamen Interviews mit afrikanischen Medienschaffenden.

Ein Ergebnis: 35 Prozent, also etwas mehr als ein Drittel der Berichte, stammte von nicht-afrikanischen Medien oder Nachrichtenagenturen. An der Spitze lag die französische Agentur AFP, gefolgt von dem britischen Sender BBC.

Journalisten bei der Arbeit
Wichtige Ereignisse wie die Freilassung der entführten Chibook-Mädchen 2017 führen zu einem Medien-GroßaufgebotBild: STEFAN HEUNIS/AFP via Getty Images

Bei einer Umfrage zu den beliebtesten Medienunternehmen in Afrika im letzten Jahr landeten unter den Top 25 nur sieben Unternehmen, die aus Afrika stammen. Auf Platz eins: die BBC.

Warum haben ausländische Medien eine so starke Basis?

Das liege hauptsächlich am Geld, sagt Moky Makura. 63 Prozent der in der Studie untersuchten Medien hatten keine Korrespondenten in afrikanischen Staaten. "Das heißt, zwei Drittel haben keine Möglichkeit herauszufinden, was in anderen Ländern des Kontinents los ist", so Makura zur DW. Einige Medienhäuser hätten auch im eigenen Land außerhalb der großen Städte keine Mitarbeiter mehr. Also seien sie auf externe Quellen, darunter auch Al Jazeera oder chinesische Anbieter, angewiesen.

Der Medienwissenschaftler Ufuoma Akpojivi spricht noch einen anderen Grund an, warum die Zahl afrikanischer Quellen eingeschränkt ist. Nicht in jedem Land seien Presse- und Meinungsfreiheit fest verankert. Medien können nicht überall unabhängig berichten, sagt Akpojivi, der aus Nigeria stammt und als Professor an der Universität Witwatersrand in Südafrika lehrt.

Außerdem gebe es einen weiteren Effekt, den Akpojivi "unbewusste Voreingenommenheit" nennt. "In Nigeria und Ghana gehören die meisten Medienhäuser Personen mit politischen oder wirtschaftlichen Verbindungen", sagt Akpojivi zur DW. "Darum wird ihre Unabhängigkeit in Frage gestellt." Westliche Medien und Agenturen würden dagegen als glaubwürdiger eingeschätzt.

Ein Mann liest eine Zeitung neben einem Zeitungsstand
Wie viele Meldungen in der Zeitung, die dieser Mann in Uganda liest, wohl wirklich von afrikanischen Autoren stammen?Bild: BADRU KATUMBA/AFP via Getty Images

Dabei gibt es durchaus afrikanische Quellen wie die African News Agency (ANA), die zur südafrikanischen Investmentgesellschaft Sekunjalo Group gehört. Die 2015 gegründete Agentur möchte afrikanische Themen verbreiten - auf dem Kontinent und global. Derzeit arbeitet das journalistische Team fast ausschließlich in Südafrika, teilt die Agentur der DW mit. Doch über ein Netzwerk tauscht ANA Inhalte mit Partnern in anderen Ländern aus, sodass das Angebot den ganzen Kontinent abdeckt.

Pan-afrikanische Agentur kämpft

Doch die Agentur sei nicht so erfolgreich, wie sie gerne sein würde, sagte Geschäftsführerin Vasantha Angamuthu Mitte Februar in einer Online-Diskussion. Durchschnittlich 50 Geschichten greifen die direkten Abonnenten jeden Tag auf, teilte ANA auf DW-Anfrage mit. Die Agentur schätzt, mit ihrem Angebot täglich rund 60 Millionen Menschen zu erreichen, die meisten in Afrika. Das entspricht im Vergleich ungefähr der Bevölkerung von Südafrika.

"Es ist ein echter Kampf, einen Markt für afrikanische Inhalte zu finden", sagt Angamuthu. Auch sie sieht den Grund beim Geld: Bei Medienhäusern würde massiv gekürzt und der Fokus liege auf Inhalten, die Profit einbringen: Lokales, Sport oder Unterhaltung. Aus Gesprächen mit potentiellen Partnern kommt sie zu dem Schluss, dass "afrikanische Inhalte eher als nettes Beiwerk und nicht als Muss gesehen werden".

Sevan Ibrahim-Sauer beobachtet für die Deutsche Welle den afrikanischen Medienmarkt. Als Leiterin für den Vertrieb im Bereich Afrika arbeitet sie mit mehreren hundert Medien oder Influencern in fast allen Ländern auf dem Kontinent zusammen, die DW-Inhalte weiterverbreiten.

Kein Interesse an afrikanischen Themen?

Ihr Fazit: Auch wenn jedes afrikanische Land anders ist, hat sich in den letzten fünf Jahren das Interesse an Inhalten generell durchaus verändert. "Wenn Partner unsere Angebote übernehmen, müssen sie regional sein oder zumindest eine Verbindung zu Afrika haben." Trotzdem stellt sie fest, dass Themen, die den ganzen Kontinent betreffen, hinter lokalen oder regionalen Geschichten zurückstehen.

Kenia kollektives TV schauen
Bei wichtigen Nachrichten wie Wahlergebnissen - hier 2017 in Kenia - bleiben Passanten auch mal stehen und sehen zuBild: AFP Contributor via Getty Images

Auch in der Studie von Africa No Filter heißt es: "Das Publikum interessiert sich nicht unbedingt für Geschichten aus anderen afrikanischen Staaten oder breiteren Geschichten aus Afrika, außer sie beeinflussen ihre Leben unmittelbar."

Diesen Punkt möchte Medienwissenschaftler Akpojivi allerdings nicht so stehen lassen. Das Argument werde häufig von Redaktionen in Afrika als Grund genannt, warum nicht oder nur wenig über den Kontinent berichtet wird. Seiner Erfahrung nach wird es jedoch viel zu selten durch Marktforschung überprüft.

Auch Afrikaner verbreiten Stereotype

Der Organisations Africa No Filter geht es allerdings nicht nur darum, von wem eine Geschichte erzählt wird, wie Direktorin Makura erklärt. Es gehe auch um das Wie. Nicht nur ausländische Medien hätten einen bestimmten Blick auf Afrika. Auch afrikanische Journalisten würden Stereotype über andere afrikanische Staaten verbreiten.

Das kann explizit sein, wenn Nigerianer als Betrüger und Drogendealer oder Südafrikaner als Rassisten dargestellt werden, erklärt Medienwissenschaftler Akpojivi. Es kann aber auch subtiler sein sagt Makura: über die Auswahl eher negativer Geschichten oder die Tendenz, die ein Artikel durch bestimmte Formulierungen oder die Auswahl der Interviewpartner bekomme.

Als Beispiel nennt sie die Berichterstattung afrikanischer Journalisten über die Proteste gegen Polizeigewalt in Nigeria, die vergangenes Jahr unter dem Schlagwort EndSARS bekannt wurden. "So, wie darüber berichtet wurde, war es nur ein weiteres Problem in einem weiteren afrikanischen Land." Dabei hätte man die Geschichte ihrer Meinung nach auch erzählen können, indem man die jungen Menschen, die protestierten und einen Wandel herbeisehnten, in den Mittelpunkt stellt. Viel zu selten seien neben den Politikern gewöhnliche Menschen zu Wort gekommen.