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Max Hartung: Teil-Lockdown ist schon krass

2. November 2020

Der neue Teil-Lockdown trifft den Sport hart. Während die Bundesliga und einige andere Ligen weiterlaufen, kämpfen viele Athletinnen und Athleten, die sich für die Spiele in Tokio vorbereiten, um eine Trainingserlaubnis.

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Max Hartung bei der Fecht-WM 2019
Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

DW: Was ist Ihnen als Sportler durch den Kopf gegangen, als der zweite Lockdown beschlossen wurde?

Max Hartung: Das war eine ganz merkwürdige Mischung. Auf der einen Seite hat es sich angedeutet, dass etwas passiert. Dass es dann aber so schnell und heftig wird, hat mich dann doch überrascht. Damit verbunden hatte ich dann auch die Befürchtung, das Training, das sich gerade erst eingependelt hatte, erst einmal wieder auf Eis legen zu müssen.

Welche Auswirkungen hat dieser neue Teil-Lockdown auf die Sportlerinnen und Sportler?

Das kann ich noch gar nicht genau sagen. Der Lockdown ist ja auch eine Reaktion auf gestiegene Ansteckungszahlen. Auch schon vor dem Lockdown haben sich mehr Sportler*innen - international und auch in Deutschland - mit dem Coronavirus angesteckt, sodass sich die Situation schon vorher durch die gestiegenen Zahlen verändert hatte.

Momentan sieht es bei mir so aus, dass ich in kleineren Gruppen und mit Abstand weiter trainieren kann. Trotzdem frage ich mich, wie wir wohl durch den Winter kommen. Mit dem Anspruch, professionell zu trainieren, mich auf höchstem Niveau auf den kommenden Sommer vorzubereiten und gleichzeitig so wenig Kontakte wie möglich zu haben.

Sie sprechen die Unsicherheit, die viele Sportlerinnen und Sportler umtreibt, an. Haben Sie in ihrer Funktion als Athleten-Sprecher schon mit anderen Sportlern gesprochen? Was sind die größten Ängste der Athlet*innen?

Das sind ganz unmittelbare Fragen: Wie sieht die nächste Woche aus? Wann können wir wieder Wettkämpfe bestreiten? Wir haben das Glück, dass viele Sportler*innen immer noch durch die Sporthilfe unterstützt werden. Man muss aber auch dazu sagen, dass es keiner von uns macht, um Geld zu verdienen, sondern dass es für uns sehr sinnstiftend ist, Sportler zu sein.

Es ist ein Privileg und lebenswert, wenn wir dann an den Start oder auf die Planche [Fechtbahn - Anm. d. Red.] gehen können, um uns zu messen und zu zeigen, was wir können und um junge Menschen für das, was wir tun, zu begeistern. Da der Sport gerade in weiten Teilen auf den Trainingsbetrieb reduziert ist, fehlt uns jetzt schon seit Monaten der Dreh- und Angelpunkt unseres Lebensentwurfes.

"Wir sollten gleich behandelt werden"

Was ist mit Olympia-, Perspektiv- und Nachwuchs-Kader-Athletinnen und -Athleten, die aber "hauptberuflich" studieren oder anderen Berufen nachgehen, die momentan auch vom Sportverbot betroffen sind?

Das ist jetzt Interpretationssache der Länder. In der Beschluss von Bundeskanzlerin Merkel und den Länderregierungschefs stand "Profisportler", und ich hoffe jetzt, dass es bundesweit möglich ist, - natürlich mit besonderer Vorsicht - im November oder im Winter weiter trainieren zu können.

Wir wollen unseren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten. Wenn der Profisport weiterläuft, sollten wir gleich behandelt werden und unter Berücksichtigung der Hygiene-Richtlinien weiter trainieren dürfen.

Ohne Wettkämpfe haben Athlet*innen auch finanzielle Einbußen. Wie existenzbedrohend kann die Corona-Pandemie werden?

Die Einnahmeausfälle sind schwer zu beziffern. Zum einen fallen Prämien für Wettkämpfe oder Medaillen weg. Aber auch neue Sponsoring-Vereinbarungen sind jetzt unheimlich schwer abzuschließen, weil die Unternehmen natürlich sehr vorsichtig sind. Deswegen trifft das schon einige Athlet*innen.

Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, der Sporthochschule Köln und der Deutschen Sporthilfe eine Umfrage gestartet, um uns einen Überblick über die finanziellen Auswirkungen auf die Nachwuchs- und Spitzenathleten zu verschaffen. Wir erwarten die Ergebnisse in den kommenden Tagen. Damit werden wir in der Lage sein, die Verluste genauer zu beziffern.

Das eine sind die finanziellen Folgen, das andere die psychischen. Welche Auswirkungen haben nicht stattfindende Wettkämpfe auf die Psyche eines Spitzenathleten?

Fechter Max Hartung Verein Athleten Deutschland
Athletensprecher und Weltklassefechter Max HartungBild: picture-alliance/dpa/T. Frey

Das ist schon krass und nagt an einem. Es ist jetzt schon ein langer Zeitraum, und uns wurde immer wieder gesagt: Bald geht es wieder los. Ich hatte auch gehofft, dass wir im Herbst die ersten internationalen Trainingslager machen können. Daran ist aber gerade überhaupt nicht zu denken.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht leicht, am Ball zu bleiben. Ich bin in der glücklichen Situation, schon für Tokio qualifiziert zu sein. Doch diejenigen, die die Olympia-Qualifikation noch schaffen müssen, stehen jetzt ständig auf Abruf, weil es ja jederzeit losgehen könnte.

Gleichzeitig verschlechtert sich aber auch die Trainingssituation für viele Sportler*innen. Es ist schwer, da die Perspektive zu sehen. Man muss auch sehen, dass die Zeit, die man als Sportler hat, um auf höchstem Niveau seine Leistung bringen zu können, begrenzt ist. Und für viele läuft die Zeit gerade ab.

Noch nie dagewesene Olympische Spiele

Welche Auswirkungen wird die Pandemie auf die Olympischen Spiele haben? Werden wir aufgrund der aktuellen Trainings- und Wettkampfsituation in Tokio noch Spitzensport auf international annähernd gleichem und höchstem Niveau sehen?

Das Niveau war weltweit natürlich noch nie gleich, aber die Unterschiede gehen gerade gewaltig auseinander. Es gibt einige Länder, die schon seit längerer Zeit von harten Lockdowns betroffen sind und überhaupt nicht trainieren können. In anderen Ländern dagegen gibt es relativ gute Trainingsmöglichkeiten. Das ist ein riesiger Faktor, der jetzt schon eine Rolle spielt. Es werden ganz andere Spiele werden, das steht jetzt schon fest. So habe ich mir das 2017, als ich begonnen habe, mich auf Tokio vorzubereiten, nicht vorgestellt.

Welche Folgen hat die Corona-Pandemie langfristig auf den Sport?

Ich glaube, dass die Pandemie enorme Auswirkungen haben wird. Den Sport wird es weiter geben, aber die Organisationen im Sport sind in einer ganz schwierigen Situation - gerade in den Sportarten, wo viele Menschen zusammenkommen.

Mir als Vertreter von "Athleten Deutschland" liegt viel daran, dass man als Kind aus einem bunten Blumenstrauß von verschiedenen Sportarten auswählen kann. Dafür braucht man aber auch Vorbilder und Ligen, die den Sport organisieren. Ich mache mir schon Sorgen um die Sportarten, die ihren wirtschaftlichen Betrieb nicht aus TV-Geldern generieren, sondern auf Zuschauer angewiesen sind.

Max Hartung ist Säbelfechter und Sprecher des unabhängigen Vereins "Athleten Deutschland", wo sich der 31-Jährige für die Belange der Athlet*innen einsetzt. Hartungs bisher größter sportlicher Erfolg war der Gewinn der Weltmeisterschaft mit der deutschen Säbel-Nationalmannschaft 2014. Momentan bereitet sich der Fechter auf seine dritte Teilnahme an Olympischen Spielen vor. Mit seinem Teamkollegen Matyas Szabo produziert er den Fecht-Podcast "Demaskiert".

Das Interview führte Thomas Klein.