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Kenia: bessere Landnutzung, weniger Konflikte

Naomi Larsson
1. Juni 2019

Viehhirten im Bundesstaat Laikipia finden keine Weiden mehr wegen der Dürre und dringen auf Privatbesitz vor. Das führt zu Konflikten mit den Besitzern. Jetzt bauen die Hirten heimische Grassorten auf ihrem Land an.

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 Eine Gruppe Massai läuft durch die typische Buschlandschaft in Kenia
Bild: Naomi Larsson

Grüne Akazien stehen vereinzelt - wie Tupfen - auf der von der Sonne verbrannten Erde in Laikipia, dem kenianischen Bundesstaat, der an das Mount-Kenya-Massiv angrenzt. Nach dem lang ersehnten Regen sprießt endlich wieder Gras aus dem Boden. Die tiefen Narben, welche die lang anhaltende Trockenheit der Landschaft zugefügt hat, kann das zarte Grün nicht verdecken. Die obere, fruchtbare Erdschicht ist vollständig abgetragen, erodiert von Regen und Wind. Die darunter liegende rote Erdschicht klafft wie eine Wunde im Boden.

Kenia erholt sich gerade langsam von einer zweijährigen Dürre, der schätzungsweise 40-60 Prozent der Nutztiere zum Opfer gefallen sind. Und das in einer Gegend, in der die Menschen fast 90 Prozent ihres Haushaltseinkommens mit Viehzucht erwirtschaften. Rund 3,4 Millionen Menschen hatten nicht genug zu essen.

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"Wir leiden sehr, uns geht es wirklich schlecht", sagt Priscilla Senteina Lekurtut. Die 26-Jährige stammt aus der Gemeinde Il Polei, im Norden von Laikipia, in der viele Viehhirten leben. "Es gibt zu wenig Land zum Grasen. Unsere Tiere sterben, die Menschen werden immer ärmer und dann ist da noch der Klimawandel."

Lekurtut sagt, dass nomadisch lebende Hirtenvölker wie ihres, die traditionell auf der Suche nach neuen Weideflächen durch das Land ziehen, jetzt keinen Ort mehr haben, an den sie noch gehen können. Das Problem: Wenn die Familien keine Weideflächen für ihr Vieh finden, verlieren sie ihre Lebensgrundlage und ihr Einkommen.

"Deine Kinder werden nicht mehr zur Schule gehen, Menschen könnten sogar an Hunger sterben. Wir wissen wirklich nicht mehr weiter", klagt sie gegenüber der DW.

Diese Verzweiflung hat zu heftigen Konflikten geführt. Eigentlich dürfen die Hirten ihr Vieh auf dem Land, das Naturschutzorganisationen oder großen Höfen gehört, nur mit Genehmigung der Besitzer grasen lassen.

Tiere weiden in einer kahlen Landschaft im Bundesstaat Laikipia, Kenia
Die rote Erde in Laikipia zeugt von der lang anhaltenden Dürre, die in den letzten Jahren in Kenia für Verwüstung gesorgt hatBild: Naomi Larsson

"Wir sind kilometerweit gezogen"

Nomadisch lebende Hirtenvölker ziehen seit Jahrhunderten durch Kenia. Doch seit der Kolonialisierung durch die Briten im 20. Jahrhundert wurden ihre Landnutzungsrechte stark eingeschränkt. Der Grund: Große Landstriche gingen in Privatbesitz über. Heute gehört fast die Hälfte der Landfläche in Laikipia großen Viehzüchtern. Daran grenzen die Regionen Baringo, Samburu und Isiolo, wo viele Nomaden leben. Sie geraten immer stärker unter Druck.

"Ich habe an die 30 Tiere oder mehr verloren", sagt Timothy Lemosiany, ein Hirte aus Musul, einer ländlichen Gegend Laikipias. "Andere haben ihre gesamte Herde verloren und sind verarmt. Es hat das Leben der Menschen hier komplett verändert. Wir sind Kilometer über Kilometer weitergezogen mit unseren Tieren, ohne fündig zu werden. Irgendwann sind wir dann in Privatbesitz eingedrungen - das hat zu Konflikten geführt."

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Wer so stark von der Natur und den Jahreszeiten abhängig ist, der spürt sehr stark, wenn die Wetterbedingungen immer unregelmäßiger werden.

"Das Land weint", sagt Joseph Lentunyoi. Er gehört zur Volksgruppe der Massai und hat den größten Teil seines Lebens im Norden Laikipias verbracht. "Wir gehen davon aus, dass die Dürren heftiger werden und länger andauern. Aber wie die Wetterphänomene sich verändern werden, können wir nicht genau vorhersagen."

Weil er genau weiß, dass er und die anderen Massai sich anpassen müssen, um zu überleben, hat Lentunyoi ein Zentrum für Permakultur, das Laikipia Permaculture Center (LPC), gegründet.

Joseph Lentunyoi vom Laikipia Permaculture Center steht vor einigen Pflanzen
Joseph Lentunyoi im Laikipia Permaculture Center. Joseph glaubt fest daran, dass ein besseres Land-Management den überweideten Landstrichen neues Leben einhauchen kann und den Hirten beim Überleben hilftBild: Naomi Larsson

Grüne Oase

In Musul, wo sanfte Hügel die Landschaft prägen, wächst hinter einem Zaun üppiges und wie Gold schimmerndes Gras. Die Bäume sind von einem satten, kräftigen Grün. Der Kontrast zur Landschaft auf der anderen Seite des Stacheldrahts könnte nicht größer sein. Die Mittagssonne knallt auf eine Gruppe von Massai herunter, die durch das Gras stapft. An manchen Stellen reicht es bis zu den Knien.

Die rund 300 Nomaden, die es hier in der Region von Musul gibt, haben sich darauf geeinigt, das 20 Hektar große Stück Land ein Jahr lang brach liegen zu lassen und ihre Tiere nicht zum Weiden herzubringen - auch nicht in Zeiten starker Dürre. Sie bauen verschiedene Grassorten an, zum Beispiel Büffelgras. Manches davon können sie für harte Zeiten einlagern. Die Grassamen verkaufen sie oder begrünen damit andere Weideflächen in der Gegend.

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Einer der Männer heißt Morongo. Er lehnt sich auf seinen Hirtenstab, inspiziert die saftige Umgebung um ihn herum und erklärt, wie sich die Dinge hier geändert haben im Vergleich zu der Zeit, als noch zu viele Herden da waren. Erst grasten die vielen Tiere alles ab, die Landschaft wurde kahl und staubig. Schließlich verendete das Vieh, weil es kein Weideland mehr gab.

"Seit dieser Initiative gibt es keine kahlgefressenen Landstriche mehr", so Morongo. "Vorher haben unsere Kühe alles aufgefressen und bei Regen wurde der Großteil der oberen Bodenschicht weggespült. Jetzt ist die Erde etwas geschützter, dank der Vegetation."

Eine Frau steht in einem Feld, hinter ihr ein weiter, blauer Himmel
Priscilla Lekurtut beobachtet das gold schimmernde Gras, das die Gemeinde in Musul wachsen lassen hatBild: Naomi Larsson

"Der Erdboden ist ein Teil von uns"

Lemosiany vom Ole Ntile Wildlife Conservancy ist selbst Massai und arbeitet eng mit den Hirten seiner Volksgruppe zusammen. Er lehrt sie unter anderem nachhaltige Landnutzung. Er erinnert sich gut an den Konflikt, den es vergangenes Jahr nach der große Dürre gab und hofft, dass sich sowas in Zukunft vermeiden lässt.

"Wir müssen zuerst unser eigenes Land schützen, bevor wir andere Menschen belästigen", sagt er. "Wir haben bemerkt, dass wir unsere eigene Umwelt zerstören und gleichzeitig andere Menschen belästigen. Es ist an der Zeit, Gutes für uns selbst zu tun."

Die Hirtengemeinschaft in Musul ist nur eine von 300, mit denen das Zentrum für Permakultur (LPC) in den vergangenen sieben Jahren zusammengearbeitet hat. Finanziert durch Spenden und Fördermittel bringt die Organisation Hirten bei, wie sie degradierte Böden wieder fruchtbar machen und heimische Grassorten anbauen können. Sie lernen auch, wie sie sich finanziell breiter aufstellen können - zum Beispiel mit dem Anbau von Biogemüse, heimischer Aloe oder Imkerei.

"Der Boden ist ein Teil von uns", sagt Lentunyoi, der Gründer von LPC.” Wenn wir so weitermachen wie bisher, mit einem System, das die Böden sterben lässt, dann gehen wir in die falsche Richtung." Aber kleine, lokale Projekte sind nicht genug. "Es könnte das Leben der Menschen hier wirklich verändern, wenn wir das größer aufziehen könnten", sagt er. 

Im Laikipia Permaculture Center in Kenia wachsen verschiedene Sorten Gemüse
Das Laikipia Permaculture Center hilft Hirten dabei, ihr Einkommen aus verschiedenen Quellen zu erwirtschaften. Hier kann man lernen Bio-Gemüse anzubauen und wie man Graslandschaften renaturiertBild: Naomi Larsson

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Eine Zukunft für nomadische Hirtenvölker

"Für die Hirten ist es ein Wettlauf mit der Zeit", so Lance Robinson vom International Livestock Research Institute in Nairobi. "Ein Wettlauf zwischen Klimawandel und ihrer Fähigkeit, sich den veränderten Bedingungen anzupassen." Die Regierung müsse Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Hirten diesen Lauf gewinnen.

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Um Projekte wie LPC größer aufziehen zu können, müssen zunächst die Landnutzungsrechte geklärt werden. "Es braucht Pachtverträge, das gibt den Hirtenfamilien Sicherheit. Damit sie genau wissen, dieses Gebiet, diese Schutzzone oder dieses Weideland gehört uns", so Robinson gegenüber der DW.

"Wenn sie genug Unterstützung, Zeit zur Anpassung und die richtige Art von Investitionen von Seiten der Behörden erhalten, dann denke ich, wird sich der Lebensstil der Hirtenvölker modernisieren, anstatt in der Versenkung zu verschwinden", fügt er hinzu.

Lekurtut ist davon überzeugt, dass der jahrhundertealte Lebensstil ihres Volkes erhalten werden kann, wenn Hirten und Landbesitzer zusammen an einem Strang ziehen.

"Wir Massai sagen, dass das Land allen gehört", sagt sie. "Wir lieben das Land, denn es gibt uns alles, was wir brauchen. Regnet es, dann bekommen wir Gras, von dem unsere Tiere satt werden. Wir Hirten haben eine enge Beziehung zu Tieren - wir sind miteinander verbunden."