Mariya Gabriel: Medienkompetenz fördern
11. Juni 2018„Pluralismus heißt, dass Medien frei, vielfältig, unabhängig und vertrauenswürdig sind. Nur unter diesen Bedingungen können sie ihre wertvolle Rolle als Hüter der modernen Demokratien wahrnehmen.“
DW-Intendant Peter Limbourg hatte die dreitägige internationale Medienkonferenz am Montag in Bonn eröffnet. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hatte ein Grußwort an die rund 2.000 Gäste aus allen Kontinenten gerichtet, die drei Tage lang über „Globale Ungleichheit“ im Zeichen der Digitalisierung diskutieren.
Mariya Gabriel forderte in ihrer Keynote, die fortschreitende Digitalisierung müsse dem Qualitätsjournalismus dienen. „Die Qualität der zugänglichen Information ist die unabdingbare Voraussetzung für fundierte Entscheidungen – ob es um uns als Individuum oder um unsere gemeinsame Zukunft geht“, so die EU-Kommissarin.
„Unsere Vision ist einfach“, so Gabriel. „Erstens brauchen wir eine größere Transparenz, was Herkunft, Produktion, mögliche Geldgeber und Verbreitungsbedingungen von Informationen betrifft. Zweitens müssen wir die Vielfalt der Informationen fördern. Denn nur durch eine Vielzahl von Quellen können sich die Bürgerinnen und Bürger ein eigenes Urteil bilden und langfristig ihre Kritikfähigkeit in der digitalen Gesellschaft entwickeln. Drittens müssen wir die Glaubwürdigkeit von Informationen stärken und dazu einen Vertrauens-Index bereitstellen.“
Gabriel: „Jeder von uns hat eine aktive Rolle zu spielen: Die politisch Verantwortlichen müssen im Netz Pluralismus und Inklusion sicherstellen, die Industrie ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit weiterentwickeln. Und die Wissenschaft muss aufklären über Bedeutung und Funktionsweise von Algorithmen.“
Sie selbst werde sich nachdrücklich dafür einsetzen, diese Debatte „ganz oben auf die europäische Agenda zu setzen“.
Medienkompetenz vermitteln – Investigativen Journalismus unterstützen
Ein entscheidender Aspekt, um die Gesellschaft langfristig vor den Folgen von Desinformation zu schützen, sei die Vermittlung von Medienkompetenz, so Gabriel. Sie wünsche sich, dass die OECD die Vermittlung von Medienkompetenz in den PISA-Prozess einbinde.
Bei diesem Thema hob sie vor allem die Bedeutung der Zivilgesellschaft hervor, die eine Fülle von Bildungsinitiativen zur Verbesserung der Medienkompetenz hervorgebracht habe. Sie kündigte an, man werde eine Europäische Woche organisieren, in der sich diese Projekte vorstellen könnten. „Um ihnen die Sichtbarkeit zu geben, die sie verdienen, und ihre Wirkung zu stärken“, so die EU-Kommissarin.
Gabriel sagte, sowohl die EU-Kommission als auch das Europäische Parlament hätten sich dafür ausgesprochen, Investigativ-Journalisten zu unterstützen. In diesem Sinne habe man dem Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) gemeinsam mit dem Internationalen Presse Institut (IPI) „ein klares europäisches Mandat gegeben, den finanziellen Rahmen bereitzustellen für einen grenzübergreifenden investigativen Journalismus“.
„Dazu hat die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket vorgesehen. Die dringlichste ist zweifellos unser Appell zur Selbstverpflichtung an Online-Plattformen und Werbeindustrie, einen Verhaltenskodex zu entwickeln.“ Ziel der Kommission sei es, diesen Kodex bis September des Jahres mit den beteiligten Partnern umzusetzen.
Müntefering: „Mit einem einzigen Tweet Verlässlichkeit und Vertrauen infrage gestellt“
Auch Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, stellte in ihrer Keynote die Bedeutung von Qualitätsjournalismus und der Förderung von Medienkompetenz heraus. Wie man freie und unabhängige Medien auch künftig „schützen und stärken“, den Zugang zu Information gerechter gestalten könne „und dabei Wahrheit und Fakten die Oberhand behalten“, dies seien drängende Fragen, sagte Müntefering. „Auch angesichts der Kommentare des US-Präsidenten nach seiner Abreise vom G7-Gipfel in Kanada, wo mit einem einzigen Tweet über viele Jahrzehnte lang aufgebaute Verlässlichkeit und Vertrauen in den internationalen Beziehungen infrage gestellt wurden“.
Es sei „deutlich schwieriger geworden, Fakten zu vermitteln und Argumente respektvoll auszutauschen“. Es fehle ein „Knigge des Internets“. Qualitätsjournalismus habe einen schweren Stand, das erforderliche Grundvertrauen zu wahren und Orientierung zu geben.
Die Staatsministerin forderte, sich in der Auslandskommunikation „im Wettbewerb der Narrative“ zu wappnen. „Wir müssen unsere Widerstandsfähigkeit gegen Falschinformationen und Propaganda verbessern, indem wir ihnen faktenbasierte Informationen und ein eigenes positives Narrativ entgegensetzen, das wir selbstbewusst kommunizieren.“
Laschet: Verständigung fördern zwischen den unterschiedlichen Gruppen
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sagte zum Fokusthema der Konferenz: „Wir müssen uns stärker damit beschäftigen, wie wir Ungleichheiten nicht nur global weiter abbauen, sondern auch verhindern, dass sie unsere eigenen Gesellschaften spalten. Hierbei kommt den Medien eine zentrale Rolle zu: in der Selbstvergewisserung über die eigene Identität einer Gesellschaft und in der Verständigung zwischen den unterschiedlichen Gruppen“, so Laschet.
Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen Medienvielfalt und sozialem Zusammenhalt. „Denn ohne Medienvielfalt gibt es keinen freien demokratischen Diskurs und damit keine nachhaltigen Lösungen für die gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Herausforderungen“, sagte der Ministerpräsident.