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"Man liest nicht länger Deutsch"

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In der Archäologie war Deutsch lange Zeit eine herausragende Wissenschaftssprache. Doch diese Bastion bröckelt. Vier Wissenschaftler des Deutschen Archäologischen Instituts berichten aus ihren Forschungsgebieten.

Deutsch in den klassischen Altertumswissenschaften

Streiten über Deutsch: Archäologen Illu 1

Während eines internationalen Kolloquiums an der Universität La Sapienza berichtete kürzlich eine englische Professorin für Römische Archäologie über ihr aktuelles Buchprojekt, ein Überblickswerk zur römischen Architektur. Seit den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts sei schließlich nichts Zusammenfassendes in diesem Bereich erschienen, es bestehe also dringender Handlungsbedarf. Auf den Hinweis, neben einer Publikation in französischer Sprache aus den frühen Neunzigerjahren sei 2005 auch ein deutsches Überblickswerk zur römischen Baukunst erschienen, entgegnete sie: "To be honest, the students don’t like German too much." Das bewusste Übersehen französischer oder deutschsprachiger wissenschaftlicher Literatur wird also mit den Fremdsprachenkenntnissen der Studenten oder besser: den nicht vorhandenen Kenntnissen legitimiert.

Diese kleine Episode illustriert beispielhaft eine Entwicklung, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem in der englischsprachigen altertumswissenschaftlichen Forschung bemerkbar macht: Man liest nicht länger Deutsch. Obwohl die Forschungsaktivitäten deutschsprachiger Archäologen keineswegs nachgelassen haben, einführende Standardwerke zu bestimmten Themen nur in deutscher Sprache publiziert sind und Deutschland auf eine lange und bedeutende altertumswissenschaftliche Tradition zurückblickt, werden in deutscher Sprache verfasste Publikationen immer weniger rezipiert. Ein Blick in die Literaturlisten vieler englischer und amerikanischer Kollegen bestätigt die Aussage der Oxforder Dozentin. Deutsch wird einfach nicht gemocht oder nicht mehr gekonnt.

Diese Entwicklung ist für deutschsprachige Forscher problematisch, da in Zeiten der Evaluierung wissenschaftlicher Leistungen auch die Häufigkeit des Zitiertwerdens als Kriterium für die Bewertung der eigenen wissenschaftlichen Arbeit herangezogen wird. Deutsch verliert hier genau wie andere europäische Sprachen, da ein englischsprachiger Aufsatz von einem deutlich größeren Publikum wahrgenommen wird. Gleiches gilt für deutschsprachige Vorträge auf internationalen Veranstaltungen.

Die Ausgangsposition des Deutschen ist denkbar schlecht, obwohl die Altertumswissenschaft – im Gegensatz zu anderen Forschungsbereichen, etwa den Naturwissenschaften – immer eine Bastion des Deutschen als Wissenschaftssprache war. Da in einer Geisteswissenschaft bestimmte Denkweisen, Problemstellungen und Forschungstraditionen kaum übersetzbar sind und verloren gingen, wenn nur noch auf Englisch gedacht und geforscht würde, muss dem beschriebenen Trend etwas entgegengesetzt werden. Denn auch die englischsprachige Forschung verliert an Qualität, wenn sie weite Teile der kontinentaleuropäischen Forschung nicht mehr zur Kenntnis nimmt.

Doch was ist der Grund für die schwindende Bedeutung, ja, die regelrechte Verdrängung des Deutschen als Wissenschaftssprache in den Altertumswissenschaften? Sind es Hochschulreformen und der wirtschaftliche Druck, die jungen Leuten keine Zeit lassen, Fremdsprachen zu lernen? Oder ist es schlichtes Desinteresse? Oder sind die ökonomischen Interessen des Buchmarktes daran schuld, die Autoren zunehmend drängen, das sich besser verkaufende Englisch zu wählen? Die Antwort ist sicherlich eine komplexe Mischung unterschiedlicher Faktoren.

Wir sind jedoch der Meinung, dass es ein falscher Ansatz wäre, sich dieser besorgniserregenden Entwicklung zu fügen und zukünftig nur noch auf Englisch zu publizieren. Es gibt im Ausland durchaus noch Kollegen, und diese sind nicht wenige, die weiterhin Deutsch lesen und die nicht am mangelnden Interesse der Studenten resignieren. Das Mittel sollte daher sein, weiterhin auf Deutsch zu publizieren, hier und da zur guten Verständigung auch auf Englisch oder einer anderen Sprache, und im internationalen Diskurs jene Arbeiten offenzulegen, die wegen offensichtlicher Ignoranz anderssprachiger Forschung minderwertige Ergebnisse präsentieren.

NICHT LÖSCHEN!! Weißzeile für Projekt Sprache von Welt? Streiten über Deutsch
Alexandra Busch und Philipp von Rummel (Foto: privat)

Dr. Philipp von Rummel und Dr. Alexandra W. Busch, beide Jahrgang 1975, sind Referenten am Deutschen Archäologischen Institut (DAI) in Rom.


Deutsch als Wissenschaftssprache im Vorderen Orient

Streiten über Deutsch: Archäologen Illu 2

Forschungen deutscher Gelehrter im Vorderen Orient haben eine lange Tradition. Archäologische Veröffentlichungen der frühen Ausgrabungen sind entsprechend auf Deutsch verfasst und bis heute ein unverzichtbarer Bestandteil der Fachliteratur. Der Beitrag der deutschsprachigen Wissenschaften war prägend für die Feldforschung, die Systematisierung der Materie und die Terminologie.

Die Ausgangslage für die deutsche Sprache in den Ländern unseres Arbeitsbereichs ist indes heute vor allem durch die koloniale Vergangenheit gekennzeichnet. Dies schlägt sich in den entsprechenden sprachlichen Präferenzen im akademischen Bereich nieder. So ist etwa im Irak und in Jordanien Englisch die dominierende Sprache, in Syrien und im Libanon ist es Französisch. Viele ortsansässige Kolleginnen und Kollegen haben in Deutschland studiert, wurden dort promoviert, und kehrten, oft in Führungspositionen, an ihre Heimatinstitutionen zurück. Die Multiplikatorenfunktion, welche diese Wissenschaftler vor Ort für die deutsche Sprache ausüben könnten, ist dennoch gering.

Bei der Betrachtung der überwiegend auf Englisch verfassten Fachliteratur sind aber auch jene Vorteile nicht von der Hand zu weisen, die eine international verständliche Wissenschaftssprache für vernetzte Forschungen weltweit operierender Institutionen bietet. So können nicht-europäische Wissenschaftler eine einzige Fremdsprache erlernen und haben damit Zugang zu einer größeren Bandbreite von Informationen. Dies bedeutet auch eine Demokratisierung des Wissens. Ein interdisziplinäres Verstehen zwischen Geistes- und Naturwissenschaften wird ohnehin dadurch gefördert.

In den altorientalischen Wissenschaften der westlichen Welt ist zurzeit eine sprachliche Pluralität zu beobachten; die deutsche Sprache gehört durchaus dazu. Trotz der Dominanz des Englischen ergeben sich hier auch Änderungen, wie beispielsweise an der Etablierung des Spanischen zu beobachten ist.

Allerdings ist heute die englische Sprache die Brücke zwischen dem Nahen Osten und der westlichen Welt. Das ist auch eine Folge moderner und globaler Kommunikationsmittel wie Internet und E-Mail. Um im internationalen Bildungswettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, lehren die deutsch-arabischen Kooperationsuniversitäten in Kairo und Amman auf Englisch. Diese Entscheidung für die englische Sprache trägt dazu bei, junge Menschen für Deutschland als attraktiven Wissenschaftsstandort zu interessieren. Allerdings wäre es mit einigen Anstrengungen sicher auch möglich, die Studierenden an die deutsche Sprache heranzuführen. Dies könnte dazu beitragen, die gegenwärtige Bedeutung der deutschen Sprache aufrecht zu erhalten, die in den Geisteswissenschaften immerhin noch größer ist als in anderen Bereichen. Auf die Signifikanz der deutschen Sprache in der Welt wird dies angesichts der Rolle der Geisteswissenschaften wohl keine wesentliche Auswirkung haben.

Arnulf Hausleiter (Foto: privat)

Dr. Arnulf Hausleiter, Jahrgang 1966, ist Mitarbeiter der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI). Er leitet seit 2004 die Ausgrabungen in der Oase Tayma in Saudi-Arabien.

Deutsch in der außereuropäischen archäologischen Forschung

Streiten über Deutsch: Archäologen Illu 3

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben sich auch in Übersee deutsche Wissenschaftler in ganz erheblichem Maße an der archäologischen Erforschung untergegangener Kulturen beteiligt, bisweilen durch ihre Tätigkeit archäologische Forschung erst initiiert. Dies gilt etwa für Mittel- und Südamerika oder Nordostafrika. Im Gegensatz zur Erforschung Ägyptens und des Vorderen Orients und anders als die ethnographische Forschung war der Beitrag deutscher Archäologen in einst zu den überseeischen Kolonien des Deutschen Reiches zählenden Gebieten in Afrika oder im pazifischen Raum insgesamt eher zu vernachlässigen oder erfolgte erst nach Aufgabe dieser Besitzungen. Die Wirkung der verschiedenen Unternehmungen ist indes nicht zu unterschätzen, bilden doch ihre wissenschaftlichen Ergebnisse nicht selten die Basis für die aktuelle archäologische Erforschung. Die Publikation der Ergebnisse erfolgte damals in der Regel auf Deutsch, wenngleich englisch- und spanischsprachige Veröffentlichungen ebenfalls vorgelegt wurden.

Die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) ist eine der ganz wenigen deutschen Institutionen, die heute in Mittel- und Südamerika, in Afrika, Süd-, Südost- und Mittelasien sowie im Pazifischen Raum archäologische Feldforschungen durchführt. In sämtlichen Gastländern spielt die deutsche Sprache im Bereich archäologischer Forschung keine oder eine sehr untergeordnete Rolle. Dies gilt auch für die beiden einzigen Gastländer, in denen Deutsch als Fremdsprache heute noch eine gewisse Bedeutung hat, in der Mongolei und in Vietnam.

In der Mongolei war noch vor einigen Jahren Deutsch als Fremdsprache populärer als Englisch. Bei einer Bevölkerung von gerade einmal 2,5 Millionen sprachen in der Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen etwa 36.000 Mongolen Deutsch als Fremdsprache. In der Zwischenzeit wurde Deutsch von Englisch als Fremdsprache abgelöst. In der archäologischen Fachliteratur werden jetzt zu gleichen Teilen Russisch und Mongolisch als Publikationssprachen verwendet. Unter den "exotischen" Publikationssprachen ist Deutsch aber wohl immer noch die häufiger verbreitete. Zudem gelten Deutschland und die USA unverändert als die bevorzugten Traumländer, in denen viele Mongolen gern leben und arbeiten würden. Eine deutsche Schule existiert bereits in Ulan Bator, die Eröffnung eines Goethe-Instituts ist in Planung.

In Vietnam sprechen etwa 200.000 Menschen Deutsch, die wenigsten sind allerdings Wissenschaftler. Auch hier ist die deutsche Sprache populär, wenngleich Deutsch als Wissenschaftssprache noch nie eine herausragende Rolle gespielt hat. Immerhin bestehen hier drei Goethe-Institute.

Der Grund für die häufige Wahl von Deutsch als Fremdsprache sowohl in der Mongolei als auch in Vietnam liegt vor allem in den historisch engen Beziehungen beider Länder hauptsächlich zur ehemaligen DDR, die zahlreiche Studierende aufgenommen hatte, von denen viele sich wiederum in Deutschland niedergelassen haben.

Dass Deutsch in den überseeischen Gastländern deutscher Archäologen als Wissenschaftssprache keine große Rolle spielt und eigentlich nie gespielt hat, liegt sicherlich vor allem in einer fehlenden längeren Forschungstradition, zu der Länder wie Frankreich oder Großbritannien einen anderen Bezug haben, weil sie mit kolonialpolitischen Interessen einherging.

Burkard Vogt (Foto: privat)

Dr. Burkard Vogt, Jahrgang 1955, leitet die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Bonn.

Streiten über Deutsch: Archäologen Illu ganz