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Lohngefälle zwischen Frauen und Männern

13. Juni 2016

Frauen verdienen in Deutschland weniger als Männer. Dieses Lohngefälle hat das den Arbeitgebern nahe stehende Institut der Deutschen Wirtschaft untersucht. Ihr Ergebnis: Kein Grund für die Politik einzugreifen.

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Bild: Imago/Niehoff

Offizielle Statistiken zeigen es seit Jahren: Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt rund 21 Prozent weniger als Männer. Dieser sogenannte "gender gap" hat sich zudem seit Jahrzehnten kaum verändert. Dennoch, so das Institut der deutschen Wirtschaft aus Köln (IW), besteht gar keine Veranlassung für die Regierung zu handeln. Die Unterschiede beim Gehalt seien nämlich vor allem auf individuelle Entscheidungen zurückzuführen. "Die Annahme, bei der Lohnlücke handele es sich um Diskriminierung durch die Unternehmen, ist unsachgemäß", so IW-Direktor Michael Hüther am Montag in Berlin vor der Presse.

Die Entscheidungen über Karriere und Familie seien rein privat, so Hüther. Frauen arbeiteten eben häufiger als Männer in Teilzeit und seltener in Führungspositionen. Bestimmend für die Lohnhöhe seien hingegen im wesentlichen Faktoren wie Branche und Betriebsgröße. Frauen arbeiteten nämlich vor allem in kleinen Betrieben mit verhältnismäßig geringeren Löhnen und weniger in Branchen des Hochlohnsektors.

Lohnlücke "nur 6,6 Prozent"?

Gut drei Viertel aller Stellen in den eher niedrig entlohnten Bereichen Erziehung und Unterricht sowie im Gesundheits- und Sozialwesen seien von Frauen besetzt, so das IW. Im eher hoch entlohnten Verarbeitenden Gewerbe seien es weniger als drei von zehn. Auch in gut bezahlten Führungsjobs sei die Zahl der Frauen geringer als die der Männer. Die Forscher des IW haben bei ihren Schätzungen nun die genannten Faktoren in Rechnung gestellt und kommen zu einem für Deutschland günstigeren Ergebnis: 2013 hatte Deutschland danach "eine gesamtwirtschaftliche Lohnlücke von rund 6,6 Prozent".

Deutschland Berlin Flüchtlinge und Arbeitsmarkt Michael Hüther
IW-Direktor Michael HütherBild: DW/H. Kiesel

Forscherinnen vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg hatten hingegen unlängst darauf hingewiesen, dass gerade in Branchen, in denen der Frauenanteil steigt, das Lohnniveau sinkt. Sie sprechen von einer "generellen Entwertung von Frauen im Beruf". Auch in höheren Gehaltsegmenten sei das so: je höher das Lohnniveau, umso größer die Lohnlücke.

Sehen, was der andere verdient...

In Deutschland streitet die Regierungskoalition seit einiger Zeit um das Thema Lohngerechtigkeit. Die regierenden Sozialdemokraten und die Unionsparteien hatten sich in ihrer Koalitionsvereinbarung vor Jahren verständigt, ein Gesetz zur gleichen Bezahlung von Männern und Frauen auf den Weg zu bringen.

Die Vorlage der zuständigen Arbeitsministerin Manuela Schwesig (SPD) ist allerdings umstritten und kommt nicht voran. Streitpunkt: Nach der Vorlage sollen Beschäftigte einsehen können, wieviel Kolleginnen und Kollegen im eigenen Betrieb verdienen. Die CDU will das erst für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten einführen, die SPD schon für kleinere Firmen.

Durch das umstrittene Auskunftsrecht könnten insbesondere Frauen erfahren, wieviel ihre männlichen Kollegen im Betrieb verdienen. SPD-Chef Gabriel, der auch Bundeswirtschaftsminister ist, warf der Union vor kurzem vor, das Gesetz "zu blockieren". Er kündigte an: "Wir werden bei dem Thema nicht locker lassen."

Kritik der Gewerkschaften

Die Gewerkschaft der Beschäftigten in Restaurants und Gaststätten hatte vor kurzem darauf hingewiesen, dass es im Gastgewerbe mit seinen vielen weiblichen Beschäftigten praktisch keine Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern gebe. "Im Klartext heißt das: In der Ernährungsindustrie und im Gastgewerbe wäre dieses Gesetz praktisch wirkungslos", so die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die eine eigene Kampagne zum Thema "Lohngerechtigkeit" angekündigte.

Auch der deutsche Gewerkschaftsbund DGB warnte davor, das Gesetz zur Lohngleichheit als "Schmalspurgesetz" zu verabschieden. "Deutschland darf nicht länger gleichstellungspolitisches Entwicklungsland bleiben", so die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. "Es ist ein Trauerspiel, dass es im 21. Jahrhundert hierzulande immer noch eine 21-Prozent-Lohnlücke zwischen Frauen und Männern gibt." Deutschland gehörte damit zu den Schlusslichtern in der Europäischen Union. In der Tat ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in der EU nur in Österreich und in Estland noch größer als in Deutschland.

ar/iw (dpa, afp, IW)