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Lockerbie spaltet die USA und Frankreich

9. September 2003

Nach der Einigung mit Libyen über eine Milliarden-Entschädigung für den Lockerbie-Anschlag 1988 bereitet der UN-Sicherheitsrat die Aufhebung der Sanktionen gegen das arabische Land vor. Doch Frankreich ist dagegen.

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Entschädigung 15 Jahre danachBild: AP

Frankreich hat den Weltsicherheitsrat offiziell ersucht, ein Votum über das Ende der Libyen-Sanktionen ein weiteres Mal zu verschieben. Sollte es nach Plan schon jetzt zur Abstimmung kommen, sehe sich Paris gezwungen, die Aufhebung der mehr als zehn Jahre dauernden UN-Sanktionen mit seinem Veto zu verhindern.

Aus diplomatischen Kreisen hieß es dazu, dass eine libysche Delegation auf dem Weg von Tripolis nach Paris sei, um erneut mit den Opferfamilien des Anschlags auf ein französisches Flugzeug im Jahr 1989 zu verhandeln. Hintergrund ist die Einwilligung Libyens in die Zahlung einer Milliarden-Entschädigungen an die Hinterbliebenen des Lockerbie-Anschlags von 1988.

Erst Schuld eingestehen, dann Geld auszahlen

Der libysche Botschafter in London, Mohammed el Suai, erklärte, Libyen und Anwälte der Hinterbliebenen hätten sich bereits Mitte August geeinigt. Nach UN-Informationen hat die libysche Regierung in einem Schreiben an den UN-Sicherheitsrat zugegeben, dass der von einem schottischen Gericht in den Niederlanden verurteilte Abdel Basset Ali Megrahi ein Agent des libyschen Staates war. Allerdings würden in dem Brief weder der libysche Revolutionsführer Muammar el Gaddafi noch Mitglieder seiner Regierung eine Schuld eingestehen, hieß es.

Nach der in London erzielten Abmachung sollen die USA und Großbritannien im Anschluss an die Übergabe des libyschen Briefes beim Sicherheitsrat erklären, Libyen habe aus ihrer Sicht die mit den verhängten UN-Sanktionen verbundenen Auflagen erfüllt. Großbritannien werde dann einen Resolutionsentwurf zur formellen Aufhebung der UN-Sanktionen in den Sicherheitsrat einbringen. Im Gegenzug zahlt Libyen in drei Schritten insgesamt 2,7 Milliarden Dollar (2,4 Milliarden Euro) an die Angehörigen der Opfer.

Kuhhandel in Milliardenhöhe

Nach Aufhebung der UN-Sanktionen sollen die Familien zunächst jeweils vier Millionen Dollar aus einem in der Schweiz geführten Treuhandkonto erhalten, teilte der Opfer-Anwalt Mark Zaid in London mit. Mit der Beendigung des separaten US-Embargos gegen Libyen werde die Zahlung weiterer vier Millionen Dollar fällig.

Eine Restzahlung von zwei Millionen Dollar sei vorgesehen, nachdem die USA Libyen innerhalb von acht Monaten von ihrer Liste jener Staaten streichen, die den internationalen Terrorismus unterstützen. Mit der Einzahlung auf das Schweizer Konto soll Libyen sofort beginnen. Amerikanische Angehörige von Opfern des Anschlags kritisierten die Abmachung als "rein finanziellen Handel". Der libysche Revolutionsführer Muammar el Gaddafi müsse trotzdem zur Verantwortung gezogen werden, sagten Hinterbliebene am 17. August dem US-Sender CNN.

Frankreich will mehr

Frankreich droht damit, die mit der Einigung verbundene Aufhebung der UN-Sanktionen zu blockieren. Denn Paris will ebenfalls "angemessen" entschädigt werden – und zwar für einen 1989 über dem Niger explodierten Passagierjet der französischen Gesellschaft UTA. Bei dem Bombenanschlag auf den Flug UTA 772 nach Brazzaville waren 170 Passagiere und Besatzungsmitglieder aus 17 Ländern getötet worden.

Libyen, das von Frankreich für die Explosion verantwortlich gemacht wurde, zahlte bereits 33 Millionen Dollar Schadenersatz. Jetzt verlangt Paris von Tripolis erneut eine "gerechte Wiedergutmachung". Vor einer Aufhebung der UN-Sanktionen gegen Libyen müsse das Land die Angehörigen der Opfer des Fluges UTA 772 zusätzlich entschädigen, bekräftigte ein Sprecher des Pariser Außenministeriums. (arn)