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Lockdown: Suche nach der Exit-Strategie

Kay-Alexander Scholz
17. Februar 2021

Deutschland geht im Kampf gegen die Corona-Pandemie einen vorsichtigen Weg - die Fallzahlen sinken. Doch wann und wie kehrt das normale Leben zurück? Mit einem Stufenplan?

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Frau steht vor verschlossener Tür, davor ein Schild "wegen Coronoa-Lockdown geschlossen"
Bild: Frank Hoermann/SvenSimon/picture alliance

Deutschland im zweiten Corona-Lockdown: Mitte Dezember wurden die Schulen und der Großteil des Einzelhandels geschlossen. Museen, Restaurants und Fitnessstudios machten schon Anfang November dicht. Was nicht selbstverständlich ist: Der Lockdown wirkt. Anders als zum Beispiel in Frankreich oder Tschechien, wo die Infektionszahlen trotz Lockdown stagnieren beziehungsweise weiter steigen.

Seit Jahresbeginn sinken die Neuinfektionen in Deutschland stetig, die zweite Welle ist abgeebbt. Der R-Wert liegt seit Wochen unter dem kritischen Wert von "1". Ein Infizierter steckt im Schnitt weniger als eine weitere Person an. Die Zahl der Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern geht zurück, wenn auch langsamer als die Fallzahlen.

Trotzdem wurde der Lockdown bis zum 7. März verlängert. Deutschland setzt im Kampf gegen die Pandemie auf Vorsicht. Doch eine Frage wird in der öffentlichen Diskussion dieser Tage sehr oft gestellt: Wie kommen wir da wieder raus?

Erste Lockerungen sind beschlossen

Friseure können ab März wieder arbeiten. Die Bundesländer dürfen Schulen und Kitas  - entweder ganz oder gemischt mit Home-Schooling - wieder öffnen. Diese Schritte sind beschlossen.

Schüler im Klassenraum mit Mund-Nasen-Schutz
Sachsen hat als erstes Bundesland wieder "normalen" Schulbetrieb in den Grundschulen zugelassenBild: picture alliance / Eibner-Pressefoto

Von weiteren Lockerungen können viele erstmal nur träumen. Doch die Ungeduld wächst - vor allem in der Wirtschaft. Auch weil manches Nachbarland - wie etwa Österreich - anders agiert. Obwohl das Infektionsgeschehen höher ist, dürfen Museen und Geschäfte dort wieder öffnen.

Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie forderten gerade vom Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier eine sichere Öffnungsperspektive. Der versprochene Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown sei seit Wochen überfällig.

Priorität Gesundheitsschutz

Der Lockdown solle wegen der gesundheitlichen Risiken der Pandemie schrittweise verlassen werden, sagte der Regierungssprecher und sprach von einem "umsichtigen" Vorgehen: "Um nicht durch eine Öffnung zu riskieren, dass die Zahlen gleich wieder in die Höhe schießen und möglicherweise neue Maßnahmen notwendig werden."

Doch über die richtigen Schritte für den schrittweisen Ausstieg aus dem Lockdown gibt es viele Diskussionen.

35 ist das neue 50

Das fängt bei der Inzidenz an - also der Zahl der Ansteckungen innerhalb von sieben Tagen berechnet auf 100.000 Einwohner. Ab wann gilt die Pandemie als beherrschbar?

Lange Zeit galt 50 als Grenzwert für die Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter. Nun heißt es: 35 ist das neue 50! Der neue Grenzwert sorgte für Kritik.

Politischer Aschermittwoch: Armin Laschet mit Bierkrug in der Hand
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kritisiert eine zu starke Fokussierung auf InzidenzwerteBild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und als neuer CDU-Chef auch möglicher Kanzlerkandidat, sagte: "Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet." Dafür erntete er selbst Kritik.

Beide Werte - 50 und 35 - sind seit vergangenem November im Infektionsschutzgesetz als Schwellenwerte festgeschrieben. Allerdings sind die Definitionen dafür nicht sehr aussagekräftig. "Umfassende" (50) oder "breit angelegte" (35) Maßnahmen, "effektive Eindämmung" (50) oder "schnelle Abschwächung" (35). Was genau wann geöffnet werden kann, steht nicht im Gesetz.

Symbolbild Corona Inzidenzwert 35: Maßband mit "35"
Bild: picture alliance

Bei einem Wert von 35 könne auch der Einzelhandel öffnen, versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch wie lange muss er eingehalten werden? Der Wert solle "stabil" sein, sagte der Regierungssprecher. Die Kanzlerin hatte von drei bis fünf Tagen gesprochen.

Einige Bundesländer könnten diesen Wert bald erreichen. Und dann? Sollte der Wert zwei Wochen stabil unter 35 bleiben, sagte Merkel, seien weitere Öffnungen möglich: Kultur, Sport, Gastronomie oder Hotels. Doch bezieht sich der Wert auf ein Bundesland als Ganzes? Oder können Landkreise, von denen schon einige Dutzend den Inzidenzwert 35 unterschreiten, demnächst weiter lockern? Wie regional unterschiedlich soll der Ausstieg laufen?

Die Bundesländer sind uneins

Die Corona-Maßnahmen stimmen die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Bundesländer gemeinsam ab. Das nächste Treffen ist für den 3. März geplant. Wie sind die Chancen, dass es danach einen echten Fahrplan gibt? Nach dem letzten Treffen - am 10. Februar - wurde deutlich: Die Länder sind uneins. Manche wollen einen konkreten Stufenplan - andere nicht. 

Ministerpräsident Laschet verwies auf die gestiegene Gefahr durch Mutationen und will eher "auf Sicht fahren". Einzelne Bundesländer wie Schleswig-Holstein haben sogar schon einen Ausstiegsplan beschlossen. Darin wird genau festgeschrieben, bei welchem Infektionsgeschehen welche Öffnungsschritte möglich sind. Der Plan richtet sich also nicht mehr nach Kalenderdaten wie bisher in der Pandemie-Politik üblich.

Unklare Rolle der Mutationen

Aus der Pandemie-Geschichte ist bekannt, dass bei der Spanischen Grippe 1918/19 die zweite, tödlichere Welle durch eine Mutation ausgelöst worden war. Wie gefährlich sind die aktuellen Virus-Mutationen in der Corona-Pandemie?

Das Robert-Koch-Institut, zentrale Einrichtung der Regierung zur Überwachung und Prävention von Krankheiten, äußert sich zurückhaltend. Eine Anfrage der DW wird mit dem Verweis auf das Online-Angebot beantwortet. Möglich sei es, heißt es dort, "dass die neuen Varianten die Pandemiebekämpfung in Deutschland erschweren". Zur Mutante B.1.1.7 aus Großbritannien findet sich im RKI-Tagesbericht eine genauere Einschätzung: Es gebe "klinisch-diagnostische und epidemiologische Hinweise auf eine erhöhte Übertragbarkeit und schwerere Krankheitsverläufe".

Mann im Anzug spricht mit erhobener Hand vor blauer Wand, ein weiterer Mann neben ihm ist nur verschwommen zu erkennen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (re.) mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts Lothar WielerBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warnte am Mittwoch: Die britische Mutante sei bereits in 22 Prozent der Neuinfektionen nachgewiesen und könnte bald die dominierende Variante sein.

Noch weiter Richtung Null?

Nicht nur 50 oder 35 - manche wollen mit den Inzidenzwerten noch weiter nach unten. Die "ZeroCovid"-Initiative plädiert für einen harten Lockdown, bis die Inzidenz auf nahe Null gedrückt wird. Andere - zum Beispiel die Oberbürgermeisterin von Köln Henriette Reker - fordern einen neuen Grenzwert von 10, bevor dann erst einmal regional gelockert werden könnte.

Wird aus der 35 also bald eine 20 oder eine 10, wie manche befürchten und andere hoffen? Ein abgestimmter Stufenplan könnte für mehr Klarheit und Perspektiven sorgen.