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Politik

Kippings Funke zündet nicht

9. Juni 2017

Zum Auftakt des Parteitags in Hannover wollte Linkenchefin Katja Kipping Begeisterung bei den Delegierten auslösen - ohne Erfolg. Denn die Zeichen stehen weiter auf Opposition. Von Marcel Fürstenau, Hannover.

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Katja Kipping
Bild: Picture-Alliance/dpa/P. Steffen

Bis Sonntag hat die Linke Zeit, sich für die Bundestagswahl am 24. September in Stellung - und in Stimmung zu bringen. Aber wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird ihr das auf dem Parteitag in Hannover kaum gelingen. Zu groß sind die inhaltlichen Unterschiede zur politischen Konkurrenz - von Angela Merkels Christdemokraten bis zum sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Zu groß sind aber auch die rechnerischen Abstände. Im aktuellen "Deutschlandtrend" des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap kommt die Linke nur noch auf sieben Prozent.

Dieser fast schon deprimierenden Ausgangslage muss und will Katja Kipping trotzen. Der Parteivorsitzenden, die sich das Amt seit 2012 mit Bernd Riexinger teilt, fällt zum Auftakt des Parteitags in Hannover die schwierige Rolle der Stimmungsmacherin zu. Eine Aufgabe, die ihr wegen des überraschend guten Abschneidens der Labour-Partei bei der britischen Parlamentswahl leichter fällt, als vermutet. Ein "mutiges Signal gegen den Rechtsruck in Europa" sei das Ergebnis. Nur leider habe die SPD keinen Jeremy Corbyn "im Angebot", bedauert Kipping. Und ist mittendrin im Thema, das die Linken umtreibt: Opponieren oder regieren?

"Rot-Rot-Grün ist tot" - sagt ein Delegierter und bekommt Beifall

Eine Frage, die angesichts der aktuellen Umfragewerte aber eher theoretischer Natur ist. Dennoch wirbt Kipping für einen "Kurswechsel" in Deutschland. Dafür bräuchte es einer starken Linken. Die solle sich aber nicht auf die Oppositionsrolle beschränken. "Machen wir uns doch nicht kleiner als wir sind", fordert die 39-Jährige ihre Genossen zu Mut und Zuversicht auf. Dabei weiß sie und wissen die rund 450 Delegierten, dass es im Moment keine realistische Chance auf einen Machtwechsel unter Beteiligung der Linken gibt.

Dietmar Bartsch, Katja Kipping und Bernd Riexinger
Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch, Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger: Keine Wechselstimmung im LandBild: Picture-Alliance/dpa/P. Steffen

"Rot-Rot-Grün ist tot", sagt später ein Redner in der Aussprache über Kippings Rede und bringt damit ein weitverbreitetes Gefühl im Saal auf den Punkt. Weder gibt es eine rechnerische Mehrheit für Linke, Sozialdemokraten und Grüne noch einen Hauch von Wechselstimmung in Deutschland. Dennoch will Kipping "Lust auf Veränderung" machen. Weg von einem "Land der Millionäre und Millionen in Armut" - wofür sie namentlich Bundeskanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble und CSU-Chef Horst Seehofer verantwortlich macht.

Rhetorischen Fragen an SPD und Grüne

SPD und Grüne fragt Kipping, ob sie die Europäische Union zu einer "Militärmacht" ausbauen wollten oder zu einer "Friedensmacht"? Damit spielt die Linken-Vorsitzende auf Auslandseinsätze der Bundeswehr an, mehr Geld für das Militär und Rekordumsätze bei Rüstungsexporten. Die Linke lehnt alles ab, während SPD und Grüne diese Entwicklung während ihrer Regierungszeit von 1998 bis 2005 teilweise sogar ausgelöst haben. Das gilt mehr noch für die Wirtschafts- und Sozialpolitik unter dem Label "Agenda 2010". Dieses zentrale Reformprojekt unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder ist für die Linke nach wie vor das größte Problem. Weil es aus ihrer Sicht Auslöser für niedrige Löhne, prekäre Arbeitsverhältnisse sowie Kinder- und Altersarmut war.

Dass Parteichefin Kipping vor diesem Hintergrund - und sei es nur theoretisch - ein rot-rot-grünes Bündnis für möglich hält, bereitet einem Teil der Basis erhebliche Bauchschmerzen. Entsprechend mau fällt der Beifall aus. Zwar erheben sich die Delegierten, wie nach Reden der Parteispitze üblich, von ihren Plätzen. Aber es fehlt jedes Anzeichen von Begeisterung in ihren Gesichtern. Der Funke will einfach nicht überspringen. Bundesgeschäftsführer und Wahlkampf-Manager Matthias Höhn bestätigt diesen Eindruck ungewollt mit seinem abschließenden Statement: Katja Kipping habe sich vorbildlich an die vorgegebene Redezeit von 30 Minuten gehalten - inklusive Beifall. Tatsächlich waren es sogar nur 26 Minuten.