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Belarus: Papier ist geduldig

24. August 2009

Zwar hat Präsident Lukaschenko einen Erlass zur Liberalisierung der Wirtschaft unterschrieben, doch Experten sind skeptisch, dass er ernst macht mit der Verbesserung des Investitionsklimas.

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Will Lukaschenko Reformen?Bild: AP

Präsident Lukaschenko ist gerne polemisch. Jüngstes Beispiel: Als eine Liste von 500 belarussischen Unternehmen veröffentlicht wurde, die in Aktiengesellschaften umgewandelt werden sollen, erklärte Präsident Aleksandr Lukaschenko: Der Verkauf von Aktien dieser Unternehmen bedeute nicht, dass auch Aktien-Kontrollpakete verkauft würden, geschweige, dass der Staat die Kontrolle über die Unternehmen und Fabriken aufgeben werde. "Wir sind nicht gegen Privateigentum, auch nicht gegen die Privatisierung. Ein Unternehmen wird vielleicht Gewinne machen, aber wer bekommt das Geld - die Regierung, die Menschen oder eine Person?", fragte Lukaschenko.

Dementsprechend skeptisch sind Beobachter in Bezug auf den Erlass zur Verbesserung des Investitionsklimas: Womöglich sei der belarussische Staat nur bereit, Unternehmen zu verkaufen, die rote Zahlen schreiben. Firmen, die Gewinne machten, könnten zwar durchaus in Aktiengesellschaften umgewandelt werden, aber der Staat beeile sich damit nicht. Das betreffe beispielsweise die belarussischen Erdölraffinerien.

"Nichts hat sich geändert"

Irina Krylowitsch von der Wochenzeitschrift Belarussen und Markt ist der Auffassung, dass die Ideologie von Lukaschenkos Wirtschaftspolitik in den vergangenen 15 Jahren unverändert geblieben ist. Sie basiere auf dem Prinzip staatlicher Kontrolle und Regulierung mit dem Ziel, die jetzige Staatsmacht zu stärken. Natürlich werde die Wirtschaftspolitik von Zeit zu Zeit sowohl den politischen als auch wirtschaftlichen Bedingungen angepasst, merkt die Expertin an. Neue Elemente würden eingeführt, aber von einer radikalen Veränderung könne keine Rede sein.

Es sei offensichtlich, dass der belarussische Präsident den Übergang profitabler Unternehmen in private Hände für unangemessen halte. Krylowitsch ist überzeugt, dass die Staatsmacht nach wie vor von einer Sowjet-Mentalität geprägt ist, nämlich von der Ideologie, alles regeln, verteilen und steuern zu wollen. Daher sieht die Expertin die angekündigte Liberalisierung der belarussischen Wirtschaft mit Skepsis.

"Ein Erlass allein genügt nicht"

Oleg Andrejew von der Investmentgesellschaft Uniter ist der Meinung, Lukaschenkos Erlass beinhalte durchaus positive Neuerungen. Allerdings müsse man das Investitionsklima im Lande als Ganzes betrachten, das sich über Jahre entwickle. "Man kann jeden Tag irgendwelche Papiere drucken, aber das ändert nichts, wenn die Realität eine völlig andere ist", so der Experte.

Belarus habe zwar als einziges GUS-Land ein Investitions-Gesetzbuch. Aber das allein besage gar nichts. In Ländern, in denen es keine entsprechenden Gesetzbücher gebe, sei oft der Investitionsumfang viel größer, und dort seien globale Unternehmen präsent, erläutert Andrejew. Er ist überzeugt, dass mit einem Erlass allein das Investitionsklima in Belarus nicht geändert werden kann.

Keine Alternative zur Liberalisierung?

Welchen Kurs fährt Lukaschenko in Sachen Wirtschaft? 1994 wurde er zum belarussischen Präsidenten gewählt, als der Zusammenbruch der sowjetischen Kommando-Wirtschaft ihren Höhepunkt erreichte. Damals ging die Industrieproduktion in Belarus dramatisch zurück. Lukaschenko versprach den Bürgern seinerzeit, Fabriken wieder in Betrieb zu nehmen und die Privatisierung zu stoppen. Damit hatte er die Mehrheit der Wähler auf seiner Seite.

Eine Zeit lang schien es, als entwickele sich die Wirtschaft des Landes weiter, obwohl sie nach sowjetischen Regeln funktionierte. Man sprach von einem "belarussischen Wirtschaftswunder". Das aber erstarb, als die verdeckte Subventionierung aus Russland nach und nach reduziert wurde, sagen Experten. Jetzt bleibe Lukaschenko, so die Beobachter, keine andere Wahl, als die Wirtschaft zu öffnen.

Autoren: P. Bykowskij / A. Alechnowitsch / M. Ostaptschuk
Redaktion: Birgit Görtz